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Einigung auf Hilfspaket für Zypern unter harten Auflagen

Spätestens seit diesem Wochenende steht fest, dass das Geschick eines Landes mit einem wirtschaftlichen Anteil von 0,2% die ganze Währungsunion in Atem halten kann: Am frühen Samstagmorgen einigte sich die Eurogruppe auf ein Hilfspaket für Zypern. Während genaue Details des Programms und ein ausführliches „Memorandum of Understanding“ im April festgezurrt werden sollen, stehen die Rahmendaten bereits fest.
  1. Zypern soll öffentliche Hilfen von 10 Mrd. Euro unter der Bedingung erhalten, dass es sich den harten Auflagen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms unterwirft. Dieses ist u.a. mit fiskalischen Einschnitten von rund 4,5% des BIP und Privatisierungen verbunden.
  2. Der Betrag von 10 Mrd. Euro ist deutlich geringer als der Finanzbedarf Zyperns, der auf rund 17 Mrd. Euro taxiert wird. Die Limitierung der Hilfen ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass der Internationale Währungsfonds sich nur beteiligt, wenn er dem Land eine grundsätzliche Schuldentragfähigkeit attestieren kann. Nach derzeitigen Prognosen soll mit dem Paket die Rückführung der Staatsverschuldungsquote auf 100% des BIP bis im Jahr 2020 möglich sein.
  3. Der restliche Finanzierungsbedarf von rund 7 Mrd. Euro soll im Großteil (5,8 Mrd. Euro) über eine Zwangsabgabe („Stabilitätsabgabe“) der in- und ausländischen Einleger lokaler Banken dargestellt werden, die einmalig entrichtet werden soll. Die Höhe der Abgabe richtet sich nach dem Anlagevolumen: Auf Einlagen von unter 100.000 Euro soll eine einmalige Abgabe von 6,75% entrichtet werden; für Depositen über 100.000 Euro sollen es 9,9% sein. Desweiteren ist eine Einbeziehung von nachrangigen Anleihegläubigern vorgesehen, während Eigenkapitalgeber und Gläubiger von „Senior“-Bankenanleihen sich nicht unmittelbar beteiligen müssen. Der zyprische Bankensektor soll restrukturiert, rekapitalisiert und deutlich verkleinert werden. Es ist angestrebt, dass er bis 2018 auf den EU-Größendurchschnitt zurückgefahren wird. Schließlich sollen die Quellensteuer auf Kapitaleinkommen und dieUnternehmenssteuer erhöht werden.
  4. Es soll eine unabhängige Bewertung der Implementierung von Anti-Geldwäsche-Richtlinien in zyprischen Finanzinstitutionen erfolgen.
  5. Das zyprische Parlament sowie die Parlamente in einigen Euroländern (u.a. Deutschland) müssen den Regelungen noch zustimmen. Die Abstimmung in Zypern soll am 19. März erfolgen. Es zeichnet sich ab, dass das zyprische Parlament den Regelungen in der aktuellen Form nicht zustimmen wird.

Bewertung: Vertrauensverlust für Europa

Vor den jüngsten Beschlüssen gingen die Finanzmärkte von zwei Grundannahmen aus: Zum einen bestand der Konsens, dass die Eurozone in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben soll; zum anderen galt die Aussage, dass der Fall Griechenland (Umschuldung unter Einbezug privater Gläubiger) in der EWU „einmalig“ bleiben würde. Die erste Annahme hat weiterhin Bestand, wenngleich während der Verhandlungen das Thema eines Exits Zyperns durchaus auf den Tisch kam. Die zweite Aussage lässt sich nun allerdings nicht mehr aufrecht erhalten: Sollten die Zypern-Hilfen wie geplant in Kraft treten, wird es abermals eine Beteiligung privater Anleihegläubiger und nun auch Sparer geben („Bail-In“). Zudem ist die faktische Aushebelung der EURichtlinie, die eine Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro vorsieht, ein Tabubruch, zumal Inhaber von Senior-Bankenanleihen und Aktionäre verschont werden sollen. Die geplante Regelung wird in den kommenden Tagen möglicherweise zu deutlichen Depositenabflüssen in einigen Ländern führen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich aufgefordert, die im Herbst 2008 erteilte Garantie der Einlagen zu wiederholen. Insgesamt stufen wir die Beschlüsse als „politisches Eigentor“ ein, die verdeutlichen, dass es immer noch nicht gelingt, eine kohärente Politik zur Beendigung der EWU-Krise durchzuführen. Wir gehen davon aus, dass das zyprische Parlament nachträglich Änderungen am Hilfspaket durchsetzen wird. Die wesentlichen Elemente einer Beteiligung privater Gläubiger und Sparer dürften dennoch beibehalten werden. Als Ergebnis der Nachverhandlungen erwarten wir, dass die Kleinsparer weniger stark einbezogen bzw. vollständig ausgenommen werden. Eine Einigung darauf, Einlagevolumina unterhalb der EU-weiten Einlagensicherungsgrenze auszunehmen, wäre erstrebenswert. Dennoch wäre auch in diesem Fall der entstandene Vertrauensverlust nicht vollständig zu „heilen“. Da mit den Beschlüssen die im Extremfall rechtlich unsichere Position von Anlegern und Einlegern demonstriert wurde, muss der Fokus unserer Einschätzung nach künftig zwingend darauf liegen, ähnliche „GAU“-Situationen zu vermeiden. Wenngleich auch wir die Gefahr einer gewissen Ansteckung sehen, gehen wir nicht davon aus, dass die Krise eine ähnliche Dimension erreichen wird wie im Sommer 2012. Das Anleihen-Ankaufprogramm der EZB (OMT) sowie der etablierte permanente Rettungsschirm ESM stellen eine Schutzmauer dar. Dementsprechend rechnen wir zwar damit, dass die Anzeichen einer systemischen Krise wieder auftreten werden (Spread-Anstieg in der Peripherie, Einlagenabflüsse inklusive eines möglichen Anstiegs der Target2-Salden), erwarten aber geringere Stresssignale als im vergangenen Jahr. Mit dieser Erwartung geht allerdings ebenfalls die Annahme einher, dass der Druck auf die Politik in den kommenden Monaten nicht ausreichen wird, um rasch deutliche Fortschritte hin zu einer signifikanten Integration zu erzielen. Dementsprechend ist nicht auszuschließen, dass es im weiteren Verlauf des Jahres zu einem Anstieg systemischer Risiken kommt, der die EZB verstärkt unter Handlungszwang setzt. Diese Gemengelage verdeutlicht das Dilemma in der Wirkung des EZB- „Schutzschirmes“: Einerseits reduziert allein das Vorhandensein des Ankaufprogramms die Wahrscheinlichkeit für einen drastischen Anstieg der Risikoprämien und liefert damit einen stabilisierenden konjunkturellen Impuls; andererseits zeigt sich immer wieder, dass dieses Instrument wie ein Sedativ wirkt und den Druck von den politischen Entscheidungsträgern nimmt und so notwendige Reformen verschleppen lässt – sowohl auf der Ebene einzelner Staaten als auch auf der der Währungsunion. Genau diese strukturellen und institutionellen Reformen sind aber weiterhin vonnöten. Die Beschlüsse der Eurogruppe dürften nicht nur von uns als Rückschritt im Krisenmanagement und im Stabilisierungsprozess der Währungsunion eingestuft werden. Investoren können künftig nicht mehr davon ausgehen, im Falle weiterer Hilfsprogramme nicht mit zur Kasse gebeten zu werden. Damit sinkt die Rechtssicherheit für Investoren. Gerade im Umfeld der gestiegenen Unsicherheit nach den Italien-Wahlen und der Zypern-Problematik ist es essenziell, dass die europäische Integration entschlossen weiter vorangetrieben wird. Ein systematisches, krisenauslösendes Element sowohl in Irland als auch in Spanien und Zypern war die Fragilität des Bankensystems zusammen mit der engen Verknüpfung zwischen Finanzsystem und Staat. Ein Kernstück ist daher die zeitnahe Etablierung einer Bankenunion: gemeinsame Bankenaufsicht, Regulierung, funktionsfähige Abwicklungsmechanismen und daraus folgend die Errichtung eines glaubwürdigen Einlagensicherungssystems.

Einordnung und Implikationen

Das Vorgehen in Zypern ist gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Italien mit Risiken für die Realwirtschaft der gesamten Eurozone behaftet: Die abermals gestiegene Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung der „Eurokrise“ belastet die ohnehin sehr fragile und regional differenzierte wirtschaftliche Erholung der Eurozone. Insbesondere die Peripherie-Länder könnten unter möglichen Liquiditätsengpässen bei den Banken, damit einhergehender Kreditverknappung und einer weiteren Eintrübung der wirtschaftlichen Stimmung leiden. Wir stellen aufgrund der politischen Entwicklungen der letzten Wochen unsere BIP-Prognose für die Eurozone unter Revisionsvorbehalt. In unserem Szenario ist bislang unterstellt, dass die Stimmungsindikatoren (Einkaufsmanagerindizes) in den Peripherieländern in den nächsten Monaten deutlich ansteigen werden. Falls dieser Anstieg in den kommenden zwei Monaten ausbleibt, werden wir eine Abwärtsrevision unserer euroländischen BIP-Prognose vornehmen. Eine mögliche ausbleibende Erholung der Wirtschaft könnte die Krise wieder aufflammen lassen und dann die EZB unter Druck setzen, das Programm OMT tatsächlich zu aktivieren. In der aktuellen Konstellation der offensichtlichen Reformmüdigkeit in der Bevölkerung der Peripherie entstünde zusätzlich das Risiko, dass die von der EZB stets betonte strikte Konditionalität aufgeweicht werden müsste. Dies wäre ein sicherer Weg, mittel- bis langfristig die Reputation der Notenbank zu beschädigen. Dabei war die EU unseres Erachtens auf dem Weg zu einer ausgewogeneren Einschätzung des fiskalischen Anpassungsprozesses in den EWU-Ländern. Auf dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche einigte man sich auf eine stärkere „wachstumsorientierte Haushaltskonsolidierung“. Im Kern geht es dabei zwar um die Fortführung der strukturellen Reformen, aber auch um mehr Zeit für den fiskalischen Anpassungsprozess. Die ebenfalls von der Eurogruppe beschlossenen Maßnahmen für Irland und Portugal sehen für beide Länder eine
Laufzeitenverlängerung der Hilfskredite vor, Portugal erhält zudem nun bis 2015 Zeit, um die Defizite auf Kurs zu bringen. Auch die Niederlande, Frankreich und Spanien werden wahrscheinlich im Mai 2013 in den Genuss der zeitlichen Streckung kommen. Die politischen Entscheidungsträger sehen sich aktuell drei Herausforderungen gegenüber: Erstens müssen die Haushalte konsolidiert werden, um nachhaltig tragbar zu werden. Zweitens müssen Reformen auf den Arbeitsund Produktmärkten vorangebracht werden, damit wieder echtes wirtschaftliches Wachstum möglich wird. Und drittens müssen die europäischen Institutionen gestärkt werden, um die nächste Krise besser meistern zu können. Bei allen drei Punkten müssen nicht nur die „Märkte“ überzeugt werden, sondern es muss auch sicher gestellt sein, dass die Bevölkerung die Entwicklungen mitträgt. Dafür muss die Politik nachvollziehbar, akzeptabel und kohärent sein. Zudem muss sie der Bevölkerung besser vermittelt werden. Die sich auf politischer Ebene abzeichnende Rekalibrierung der Prioriäten bei der Reform- und Austeritätspolitik ist durchaus dazu angetan, diesen Ansprüchen besser gerecht zu werden: Der Schwerpunkt sollte stärker auf strukturelle Reformen gelegt werden, Sparanstrengungen sollten mit einer größeren zeitlichen Flexibilität erfolgen. Zumal den Menschen mehr und mehr bewusst wird, dass die Früchte erfolgreicher Reformbemühungen lange auf sich warten lassen können. Die Beschlüsse zur Zypern-Rettung und die Italien-Wahlen sind hingegen nicht geeignet, die Kohärenz und Vermittelbarkeit der Europolitik zu erhöhen. Im Gegenteil: Ein euroweiter Konsens über das weitere Vorgehen ist damit wieder ein kleines Stück weiter in die Ferne gerückt und die Gefahr, dass Anti-Euro-Kräfte an Gewicht gewinnen werden, hat sich erhöht.


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