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Markteinschätzung

Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt

 „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“, dieses Zitat entstammt dem 2. Vers der vorletzten Strophe aus Goethes Ballade „Erlkönig“. Scherzhaft wird das Zitat verwendet, wenn man Schwierigkeiten bei bestimmten Handgriffen hat, sich zum Beispiel etwas nicht öffnen oder schließen lassen will. Es ist nicht überliefert, ob und wie häufig Mario Draghi in den letzten Monaten dieses Zitat bemüht hat. Zumindest ist ihm das Öffnen der „Dose der Pandora“ recht einfach gelungen. Im September 2012 öffnete die EZB unter seiner Führung erstmals alle geldpolitischen Schleusen und brachte damit die Aktienmärkte in Schwung. Die Bank of Japan und die amerikanische Fed hatten es vorgemacht. Derzeit scheint ein Wettbewerb der Notenbanken im Gang zu sein. Es gewinnt, wer am stärksten den Geldhahn aufdreht. 

Die Börsen weltweit feierten diesen Schritt. Niedrige Zinsen und billiges Geld sind eine Melange, die jedem Händler die Freudentränen ins Gesicht treiben. Zumindest am Anfang. In den letzte Wochen scheint jedoch die anfängliche Freude der reinen Panik gewichen zu sein. Die Börsen drehen weltweit ins Minus, ein negativer Herdentrieb hat eingesetzt und prügelt die Kurse nach unten. Die Suche nach Gründen für die massive Abwärtsbewegung ist kein einfaches Unterfangen. China und der billige Ölpreis sind immer gern genommene Begründungen, halten aber einer ernsten Ursachenforschung in der Regel nicht Stand. 

Anders verhält es sich, wenn man sich mit den großen Banken in Europa beschäftigt. Diese sind zum Synonym der Finanzkriese 2008 geworden und viele Banken leiden nach wie vor unter den Spätfolgen. Für Deutschland wurde in den vergangenen Tagen die Deutsche Bank zum Symbol der neuen Krise. Die Aktie notiert auf dem niedrigsten Niveau seit mehreren Jahrzehnten. Sogar inmitten der historischen Finanzkrise von 2008 ging es dem Papier nicht schlechter. Wobei man zugestehen muss, dass gerade bei der Deutschen Bank viele Probleme hausgemacht scheinen. Nicht umsonst spricht man inzwischen von der „Rechtsabteilung mit angeschlossener Bank“. Die Managementsünden der Vergangenheit kombiniert mit strafrechtlich relevanten Fehlerhalten von einzelnen Mitarbeitern bringen das Geldhaus derzeit stark in Bedrängnis. 

Die derzeitige Geldpolitik der Notenbanken setzt den Bankensektor in Europa zusätzlich unter Druck. Wenn Minuszinsen zur Regel werden, bekommen die Geldhäuser ein existentielles Problem. Denn das Geld, auf dem sie sitzen, können sie nirgendwo parken, beziehungsweise sie müssen dafür eine Art "Parkgebühr" in Form von Strafzinsen zahlen. Normalerweise würden die Geldhäuser das Geld profitabel verleihen, das ist ja auch die Motivation der Notenbankpolitik. Allerdings stöhnen viele Banken noch unter den Altlasten aus der Finanzkrise. Ihre Bilanzen leiden unter „faulen Krediten“, sie können keine weiteren Risiken auf ihre Bücher nehmen. Für viele Händler sind Banken daher nun die Kanarienvögel der globalen Weltwirtschaft. Früher nahmen Bergarbeiter Kanarienvögel mit in die Grube. Sie sollten das tödliche Grubengas entdecken. Fielen sie von der Stange, wurde die Mine sofort evakuiert. Für so manchen Händler steht deshalb bei schlechten Meldungen zu Banken in diesen Tagen die „Evakuierung“ der Märkte bevor. Ein wesentlicher Grund für die schlechte Stimmung am Markt. 

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Politik eine Bank von der „Stange fallen lässt“. Eine zweite Pleite wie die der Lehman-Brothers-Bank, die letztlich die Finanzkrise 2008 ausgelöst hat, wird es 2016 nicht geben. Im Zweifel wird der Staat einspringen und die Banken mit Kapital stützen. Im Gegensatz zu den USA, wo bereits 2008 der Bankensektor unverzüglich mit Staatsgeld nachhaltig aufgepäppelt wurde, hat die europäische Politik dies unterlassen. Staatsgeld für die „bösen“ Banken war und ist in vielen links orientierten europäischen Staaten nicht en vogue. Lediglich für die akuten Pleitekandidaten wurde notgedrungen Kapital lockergemacht. Verschärft wird das Bankenproblem durch die neuen europäischen Haftungsregeln. Danach werden die schwankenden Geldhäuser nicht mehr nur mit Steuermitteln gerettet, vielmehr sollen auch die 

privaten Gläubiger zur Kasse gebeten werden. Die reagieren entsprechend nervös. Die Kosten für die Absicherung gegen eine Pleite der Deutschen Bank sind zu Wochenbeginn auf den höchsten Stand seit 2011 gestiegen. Das politische Ziel der Gläubigerbeteiligung konterkariert damit die lockere Geldpolitik der europäischen Notenbank. Sobald der Markt andererseits erkennt, dass die europäischen Geldhäuser sicher sind, wird die Geldpolitik auch in Europa ihre gewünschte Wirkung erzielen. 

Nach wir vor sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gut. Vor allem die Arbeitsmärkte sind in vielen Industrieländern in einer hervorragenden Verfassung. In Deutschland landete im Januar die Arbeitslosenquote (gemäß Bundesagentur für Arbeit) auf einem Rekordtief von 6,2 Prozent. Gleichzeitig stieg die Erwerbstätigenzahl auf ein Allzeithoch von 43,3 Mio. Personen (Dezember 2015). Geht es nach dem weiter kräftig anziehenden Stellenangebot, ist ein Ende dieses Beschäftigungsbooms nicht in Sicht. 

In den USA wurden im Januar zwar nur 151.000 statt der erwarteten 190.000 neuen Stellen geschaffen. Dies ist aber immer noch ein guter Wert, vor allem wenn die kräftige Zunahme in den Vormonaten (im 4. Quartal durchschnittlich knapp 280.000) berücksichtigt wird. Die Arbeitslosenrate fiel dort unterdessen erstmals seit acht Jahren wieder unter 5,0 Prozent. 

Die Verbraucher profitieren derzeit aber nicht nur von dem hervorragenden Arbeitsmarktumfeld. Gleichzeitig wird ihre Kaufkraft so gut wie nicht geschmälert. Die Teuerungsraten pendeln um die Nulllinie. In Deutschland kann derzeit Diesel für unter 1,0 Euro pro Liter getankt werden, was letztmals 2005 der Fall war. 

Eigentlich ist also in den USA und den führenden europäischen Ländern vieles zum Besten bestellt. Warum die Märkte das derzeit nicht honorieren ist kaum ernsthaft zu begründen. Möglicherweise ist es die Angst vor dem Unbekannten. Eine Welt ohne Zinsen und mit einer extrem expansiven Geldpolitik ist neu. Niemand kann einschätzen, was langfristig die Folgen dieser Politik sein werden. Neben vielen Unbekannten hinsichtlich der Zukunft, bleibt jedoch die Gewissheit, was die Notenbank will: Die Arbeitslosenquote hat sie im Griff, die Teuerungsrate noch nicht. Das Ziel, diese auf knapp unter 2 Prozent zu treiben, bleibt unverändert bestehen. Spätestens am 10. März wird Mario Draghi also mit hoher Wahrscheinlichkeit eine neue geldpolitische Offensive einleiten. Spätestens dann werden die Aktienmärkte wohl wieder positive Vorzeichen zeigen. Für Anleger gilt in diesen Tagen die Maxime, frei aus dem Erlkönig, „und bist du nicht willig, so brauche ich Geduld“.



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