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Markteinschätzung

Wann besteigt „Bazooka-Draghi“ den Helikopter? ...von Stephan Heibel

 

 Es ist eine gespenstische Szene, die sich an einem frühen Montagmorgen im Sommer 2016 in ganz Europa abspielt. Die Wetteraussichten sind hervorragend, ein trockener Sommertag ist vorhergesagt. In allen größeren Städten besteigen Beamte der EZB in dunklen Anzügen und mit ernstem Gesicht die bereitstehenden Hubschrauber. Ihre Ladung, Kisten mit frisch gepressten 100 Euro Scheinen. Angespannt und zufrieden beobachtet Mario Draghi und sein EZB-Rat die Szenerie vom obersten Stockwerk der EZB Zentrale in Frankfurt. Sie haben in den zurückliegenden Jahren alles versucht, heute spielen sie ihre letzte Karte und sie werden Geschichte schreiben. Eine halbe Stunde später regnet es 100 Euro Scheine in jeden Winkel des Euro-Währungsraumes. 

So oder so ähnlich wird es sich selbstverständlich nicht abspielen. Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Milton Friedmann hat ein solches Szenario lediglich als Metapher benutzt, als er vorgeschlagen hat, Geld aus dem Helikopter auf die Menschen regnen zu lassen. Als allerletztes Mittel einer Notenbank, um die Deflation zu bekämpfen, hat er dieses Gedankenexperiment schon vor Jahrzehnten formuliert. In der heutigen Zeit regt es wieder die Fantasie von führenden Ökonomen an und ist vermutlich aktueller denn je. 

Mit der „Operation Bernhard“ existiert sogar eine reale Blaupause, um durch eine Geldschwemme Inflation zu erzeugen. Damals allerdings sollte dadurch keine Volkswirtschaft gerettet, sondern ein Währungsraum destabilisiert werden. Während des zweiten Weltkrieges fälschte eine kleine Abteilung im nationalsozialistischen Deutschen Reich britische Pfundnoten mit einem Nennwert in Höhe von 132 Millionen Pfund, immerhin 15 Prozent des britischen Bargeldumlaufs. Durch die Überschwemmung der britischen Volkswirtschaft mit Geld wäre es im Erfolgsfall zu einer enormen Inflation gekommen, bei Bekanntwerden in der britischen Öffentlichkeit zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit des Pfund Sterling und der Wirtschaftskreislauf Englands wäre massiv gestört worden. Die Banknoten waren so perfekt gefälscht und die Bedrohung für den britischen Währungsraum war so groß, das sich die Bank of England nach dem Krieg gezwungen sah, alle Pfund-Noten ab 5 Pfund zu vernichten und zu ersetzen. Noch im Jahr 2003 räumte die englische Notenbank ein, dass die Falschgeldaktion die Stabilität des Pfunds in der Kriegszeit ernsthaft bedroht hatte und durchaus auch von einer Gefahr für die Stabilität des internationalen Finanzsystems in diesem Zeitraum ausgegangen werden kann. Glücklicherweise war der Krieg vorher beendet. 

Nach Milton Friedman ist Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen. Ben Bernanke, der Vorgänger von Janet Yellen als Vorsitzender der amerikanischen Fed, griff die Idee des „Helikopter Geldes“ vor einigen Jahren in einer Rede auf und riet den Japanern, auf diese Weise ihre Deflation zu bekämpfen. Der Japanischen Notenbank fehlte es jedoch damals noch an Mut und Ben Bernanke trägt seitdem den Spitznamen „Helicopter Ben“. Viel mehr ist damals nicht passiert. Mittlerweile jedoch wird der Ruf danach unter führenden Ökonomen weltweit immer lauter. 

Denn die Notenbanken haben ein großes Problem, sie sind erstarrt in ihrer selbst geschaffenen Niedrigzinswelt. Niedrige Zinsen gestern machen noch niedrigere Zinsen heute erforderlich, die wiederum tiefere Zinsen morgen nach sich ziehen. Geld muss immer billiger und immer großzügiger ins System gepumpt werden. Tiefer als Null allerdings kann der nominale Leitzins nicht gesenkt werden. Der letzte Versuch der Fed, aus dieser Niedrigzinsfalle zu entkommen, ist vor wenigen Wochen kläglich gescheitert. Der Markt geht bereits schon wieder von einer Zinssenkung in den USA aus, über die geplanten bis zu vier Zinserhöhungen in 2016 redet schon lange keiner mehr. Kommen jetzt doch die Helikopter und die Geldschwemme aus der Luft? 

In der theoretischen Welt der Ökonomen klingt die Idee auch fast zu schön um wahr zu sein. Die Zentralbank druckt, der Bürger shoppt und die Wirtschaft brummt. So einfach scheint die 

Wirkungskette für so manchen Notenbanker zu sein. Eine einfache Lösung für die Volkswirtschaften, die nach wie vor unter einer hartnäckigen Wirtschaftsschwäche und hoher Arbeitslosigkeit leiden und deren Inflationsraten um die 0,5 Prozent dümpeln. Zwar flutet die Europäische Zentralbank den privaten Bankensektor schon seit einigen Jahren mit billigen Geld. Doch das frisch geschaffene Geld der EZB bleibt in den Banken und an den Finanzmärkten hängen, es treibt dabei die Kurse für Vermögenswerte, kommt aber nicht in der Realwirtschaft an. Die Geldschöpfung durch Kredite der Banken für den privaten Sektor ist nach wie vor viel zu schwach. Mancher Volkswirt ist vor Euphorie kaum zu bremsen. 10.000 Euro für jeden EU-Bürger ist eine der Forderungen die man hört. Glücklicherweise nicht als Abwurf aus dem Helikopter, sondern als Überweisung auf das Girokonto. In etwas realistischerem Rahmen bewegen sich andere Schätzungen, die von 3.000 Euro pro Bürger ausgehen. Bei etwas über 300 Millionen EU Bürgern würde das die Zentralbankbilanz der EZB um weitere 1 Billion Euro erweitern. Soviel war der EZB auch das letzte QE-Programm Wert. 

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das Phänomen der „ricardianischen Äquivalenz“ bedroht das Gedankenspiel der progressiven Vordenker. Das Ricardianische Äquivalenztheorem (auch Ricardo-Barro-Äquivalenz) basiert auf einem von dem Ökonomen David Ricardo erörterten Konzept. Demnach können Steuersenkungen sich als nicht konjunkturanregend erweisen, wenn die Bürger die Höhe der gesenkten Steuern nicht zu realwirtschaftlichen Konsumausgaben verwenden, sondern sparen, weil sie befürchten, dass die aufgrund der Steuersenkungen erhöhte Verschuldung des Staates später in Form von Steuererhöhungen wieder kompensiert werden muss. 

Im Jahr 2009, zum Höhepunkt der Rezession in den USA, machte die Busch Administration diese Erfahrung. Trotz Steuersenkung zeigte sich im privaten Konsum keinerlei Belebung, da sich die US Bürger ricardianisch verhielten. Sie antizipierten bereits eine spätere Steuererhöhung und sparten. Manchmal denken Bürger halt mit. Auch Helikoptergeld müsste schließlich irgendwann durch den Staat refinanziert werden. Dass sich Investoren nicht immer „theoriegerecht“ verhalten, zeigt sich bereits in der derzeitigen Situation. Investoren akzeptieren bereits sichere negative Renditen bei Bundesanleihen. In unsicheren Zeiten gilt für viele Investoren „return of money“ geht vor „return on money“. Bei Laufzeiten bis zu neun Jahren sind Anleger mittlerweile bereit, dem deutschen Staat eine Prämie zu zahlen, wenn sie dem Staat Geld leihen. Hauptsache sie bekommen den größten Teil wieder. Vor einigen Jahren noch eine undenkbare Konstellation. 

Am 10. März, bei der nächsten Pressekonferenz des EZB-Rates, will Draghi weitere geldpolitische Stimuli verkünden. Im Januar hat er bereits angekündigt das „es keine Begrenzungen, bei dem, was die EZB im Rahmen ihres Mandats tun kann“ gibt. Die spannende Frage wird sein, glaubt der Markt noch an die geldpolitischen Möglichkeiten der Notenbank. Falls nicht, sollten sie das nächste Mal, wenn sie das beruhigende Surren eines Hubschraubers hören, einen Blick nach oben riskieren. Vielleicht regnet es ja doch 100 Euro Scheine.



Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

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