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Markteinschätzung

„The Walking Dead“ – Jagdsaison in China

 „The Walking Dead“ (die wandelnden Toten) ist eine sehr erfolgreiche US-amerikanische Fernsehsendung, die auch in Deutschland ihre Anhänger hat. In mittlerweile 7 Staffeln erzählt sie die Geschichte einer kleinen Gruppe Überlebender nach einer weltweiten Zombie-Apokalypse. Die Protagonisten der Serie sind auf der Suche nach einer dauerhaften und vor allem sicheren Unterkunft. Dabei stellen die fast überall präsenten Untoten (Zombies) eine ständige Bedrohung dar, die jederzeit ohne Vorwarnung zuschlagen kann. 

Ähnlich ist es mittlerweile um die chinesische Volkswirtschaft bestimmt. „Zombie-Firmen“ bedrohen derzeit die wirtschaftliche Stabilität des Landes. Zombies gelten als hässlich, gefährlich, und weitgehend nutzlos. Ebenso wie viele Firmen in China. Sie haben kein wettbewerbsfähiges Geschäftsmodell und eigentlich überhaupt keine Chance wirtschaftlich zu überleben. Sie produzieren viel zu viel und sie beschäftigen wahnsinnig viele Angestellte, die eigentlich gar nichts zu tun haben. Diese Unternehmen sind überhaupt nicht profitabel und es besteht keine Chance, diesen Zustand irgendwann zu ändern. Sie werden künstlich mit Krediten am (Un)Leben gehalten. Auf dem zurzeit stattfindenden Volkkongress in Peking wurde dieser Entwicklung jetzt offiziell der Kampf angesagt. 

An den Börsen in Shanghai und Shenzhen sind ungefähr 10 Prozent aller gelisteten Unternehmen, insgesamt 266, „Zombie“-Unternehmen. Vor allem die klassischen Industrieunternehmen in China in den Bereichen Stahl, Kohle und Zement sind betroffen. Durchschnittlich haben diese Firmen eine Verschuldung von 69 Prozent ihres Gesamtvermögens – ein extrem hoher und mittelfristig nicht tragbarer Wert. Die Unternehmen leben derzeit noch von Geldern, die sie einst am Kapitalmarkt aufgenommen hatten. Zurzeit sind sie teilweise jedoch nicht einmal in der Lage, die Zinsen für die geliehenen Gelder zu bezahlen. Daher nehmen sie – um die Schulden für alte Kredite bedienen zu können – neue Schulden auf, insgesamt bereits 7,6 Billionen Yuan (1,2 Billionen Dollar), die nur zur Deckung von Zinszahlungen geliehen wurden, Tendenz weiter steigend. Das ist das klassische Muster eines Schneeballsystems. Bis vor kurzem wurde dies von der Regierung in Peking toleriert. 

Denn in den vergangenen Jahrzehnten hat die sozialistische Volksrepublik einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung erlebt. Das Land wurde innerhalb von wenigen Jahrzehnten in die Neuzeit katapultiert. Eine moderne Infrastruktur wurde quasi aus dem nichts aus dem Boden gestampft. Straßen, Flughäfen, Gebäude, Fabriken und ganze Millionenstädte mussten innerhalb kürzester Zeit gebaut werden. China hatte damit einen riesigen Appetit auf Stahl, Beton und Rohstoffe aller Art. Die Schwerindustrie erlebte in diesen Jahren einen extremen Aufschwung. Die jeweiligen Provinzregierungen in China haben den massiven Ausbau der Kapazitäten zusätzlich, unter Billigung der Zentralregierung, lange unterstützt und gefördert. Die großen Schwerindustrieunternehmen sorgten für sprudelnde Steuereinnahmen und ausreichend Arbeitsplätze. Gerade die Stahlkonzerne der Volksrepublik haben in den vergangenen Jahren riesige Überkapazitäten aufgebaut. Und diese überschwemmen mit ihrem Stahl zu Niedrigstpreisen zurzeit den Weltmarkt. Sehr zum Ärger der Konkurrenz in Japan, Korea und vor allem in Europa. 

Allerdings sind die guten Jahre jetzt wohl endgültig vorbei. Mit der Verkündung des Kurswechsels geht es den „Zombie-Firmen“ an den Kragen. Allein in der Stahlindustrie ist geplant, die Produktion in den nächsten drei bis fünf Jahren um 100 bis 150 Millionen Tonnen zu reduzieren. Man geht davon aus, dass durch die Restrukturierung fünf bis sechs Millionen Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. China steht vor dem größten Stellenabbau der letzten 20 Jahre. Um soziale Unruhen zu vermeiden, neue Stellen zu schaffen und Schulden von pleitegehenden Firmen zu begleichen, stellt die Regierung umgerechnet fast 15 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren zur Verfügung. 

Die chinesische Führung hat beschlossen, aus dem Niedriglohnland in den nächsten Jahren eine High-Tech Nation zu machen. Bis 2020 soll die Wirtschaft jedes Jahr um mindestens 6,5 Prozent zulegen. Um dieses Ziel zu erreichen soll die Konjunktur künftig über Konsum, Entwicklung der Dienstleistungen, Hightech und Innovationen angetrieben werden. Das Pro-Kopf Einkommen soll sich zwischen 2010 und 2020 verdoppeln. Mindestens 50 Millionen neue Jobs sollen bis 2020 entstehen. Allein 2016 drängen 7,65 Millionen Hochschulabsolventen auf den chinesischen Arbeitsmarkt. Die nächsten Jahre werden für China sehr entscheidende Jahre werden. 

Grundsätzlich ist der geplante Umbau der chinesischen Volkswirtschaft, von einer Nation, die auf Export und Produktion setzt, hin zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft, positiv zu bewerten. Die Qualitäts- und Umweltprobleme des alten Systems waren nicht mehr tragfähig. Die Erschütterungen, die dieser Umbau an den weltweiten Börsen derzeit erzeugt, überrascht. Zweistellige Wachstumsraten sind letztlich nicht für alle Ewigkeiten möglich. Im vergangenen Jahr hatte das Bruttoinlandsprodukt des Landes um noch 6,9 Prozent zugelegt - es war der niedrigste Wert seit einem Vierteljahrhundert. Langfristig besteht aber die berechtigte Hoffnung, dass China gestärkt aus dem Wechsel in der Wirtschaftspolitik hervorgeht. Jedoch wird der Umbau nicht billig werden. Um den Wechsel zu finanzieren bedient sich auch China einer mittlerweile gebräuchlichen und scheinbar weltweit akzeptierten Methode – das Land nimmt neue Schulden auf. Die Verschuldung soll 2016 um 560 Milliarden Yuan (80 Milliarden Euro) auf eine Gesamthöhe von 2,18 Billionen Yuan (umgerechnet 304 Milliarden Euro)steigen. Zum ersten Mal erreicht China damit die Verschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Unter Ökonomen gilt diese Quote gerade noch als vertretbar. Die Staatsverschuldung Chinas beträgt insgesamt allerdings erst 41 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes. Im Vergleich mit den USA (110 Prozent), mit Japan (228 Prozent) und mit Europa (87 Prozent) steht das Reich der Mitte also noch auf stabilen Beinen. 

Mit seinem „Zombie-Problem“ steht Chinas Volkswirtschaft auch nicht alleine da. In fast jeder Volkswirtschaft existieren Branchen, in denen „Untote Firmen“ gewaltige Schäden anrichten. Vor zwanzig Jahren war Japan stark betroffen. Fast jedes dritte japanische Unternehmen galt ab Mitte der 90er-Jahre als solch ein Zombie.Welche Folgen die „Zombie Firmen“ für den Rest der Wirtschaft hatten, analysierte die Forschung zunächst abstrakt in einem theoretischen Modell. Dort, so stellen sie fest, verzerren Zombies in einer Wirtschaftskrise den Wettbewerb zwischen Unternehmen. Das verlängert die Krise. Weil unproduktive Firmen nicht aus dem Markt ausscheiden und diese gleichzeitig andere Unternehmen vom Markteintritt abschrecken, ist das Produktivitätswachstum in der Modellwirtschaft geringer. Für die Politik lässt sich aus all dem klar ableiten: Schonungslos und radikal müssen „Zombie-Firmen“ stillgelegt werden. Es besteht Hoffnung, dass Chinas Führung das erkannt hat. Die Jagdsaison ist jetzt offiziell eröffnet. Wenn dieser Umbau gelingt, dann bleiben die Zombies auch dort, wo sie hingehören: in Horrorfilmen wie „The Walking Dead“.



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