ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Markteinschätzung

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

 „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“. Aus Afrika, genauer gesagt aus Sambia, soll dieses, seit dem Ende des 20. Jahrhunderts gebräuchliche Sprichwort stammen. Es beschreibt recht treffend die Situation in den letzten Monaten an den Märkten. Immer noch liegt der Dax 20 Prozent unter seinem historischen Höchststand. Gut ein Jahr ist das mittlerweile her. Seit dem hat der Dax mehrere Anläufe gebraucht, um die 10.000-Marke letztlich zu durchbrechen. Aber aus irgendwelchen Gründen halten die Pessimisten dagegen. Bis zuletzt haben sie verstärkt vor einer aufziehenden Rezession, schlechten Unternehmensergebnissen und auch vor der Jahreszeit gewarnt. Immerhin beginnt bald der Mai und damit bekanntlich eine historisch eher weniger gute Börsenzeit. Aber „Sell in may and go away“ könnte in diesem Jahr der falsche Rat sein. Diese beinahe schon antiquarisch anmutende Börsenweisheit ist einfach nicht totzukriegen. Betrachtet man nüchtern die Statistik, ist die Mai-Schwäche eher ein Phänomen jüngerer Tage. Blickt man auf den Dow Jones seit Anbeginn seiner Existenz, also seit 1897, dann verläuft der Mai im statistischen Schnitt völlig unauffällig seitwärts. 

In Ermangelung richtiger Gründe für die Marktschwäche in den letzten Monaten, musste der Ölpreis als Sündenbock herhalten. Der war immer schuld. Wenn der Ölpreis fällt, sind die Märkte in Sorge, wenn er zu stark steigt ebenfalls. Zum Beispiel galt der tiefe Ölpreis noch bis Ende 2015 als kostenloses Konjunkturprogramm und damit als Kurstreiber für die Aktienmärkte. Als dann Anfang 2016 die Kurse stark korrigierten wurde der Preisverfall beim schwarzen Gold plötzlich als für die Börsen schädlich eingestuft, weil die ölexportierenden Staaten als Konsequenz weniger Güter aus dem Westen einführen und die amerikanische Frackingindustrie tiefrote Zahlen schreibt. Manchmal erschienen die Begründungen schon reichlich bemüht. Aber wenn die Mehrheit der Markteilnehmer so denkt, dann ist das halt so.Pessimismus und Skepsis dominierten die Stimmung an den Märkten. Den verbliebenen Optimisten blieb halt nur abzuwarten und das gute Einstiegsniveau zu nutzen, um die Aktienpositionen langsam aufzubauen. An der Börse braucht es einfach Geduld. 

Trotz alledem werden die nächsten Wochen spannend. Zahlreiche politische Entscheidungen stehen an, die auch für die Konjunktur- und Finanzmarktentwicklung hohe Relevanz besitzen. In Großbritannien wurde die heiße Phase des „Brexit-Wahlkampfs“ eingeläutet (Wahltag 23. Juni). Die Umfragen sehen nach wie vor ein offenes Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern des EU-Austritts. Der Finanzmarkt geht jedoch davon aus, dass die ökonomische Vernunft siegt, die für einen Verbleib der Briten in der EU spricht. 

Nach dem „Brexit“ ist vor dem „Grexit“. Ein Comeback der besonderen Art wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Diskussion um das 3. Hilfspaket für Griechenland in diesem Sommer erleben. Wie ein Damoklesschwert schwebt dieses Szenario über der Eurozone. Die griechische Regierung ist, und das ist eigentlich keine Überraschung, mit der Umsetzung von Reformen im Verzug. Seit Monaten steht daher der erste Prüfbericht für das im vergangenen Jahr vereinbarte 3. Hilfspaket (über 86 Mrd. EUR) aus. Viele Beobachter vermuten, die Griechen könnten auf Zeit spielen und die Verhandlungen bis in den Juni und damit den Zeitraum der „Brexit-Entscheidung“ ziehen. Erst dann dürfte ihnen das Geld ausgehen. Ein für Europa gefährliches Szenario. 

In wenigen Tagen, Ende April, hängt Portugals Wohl von der kanadischen DBRS, einer namenlosen Rating-Agentur, ab. Unter den vier für die EZB maßgeblichen Bonitätswächtern ist sie die einzige, die Portugal gerade noch mit Investment Grade bewertet (BBB-). Senkt sie den Daumen, werden portugiesische Staatsanleihen von der EZB nicht mehr als Sicherheit akzeptiert und fallen aus dem Anleihen-Kaufprogramm. 

Spaniens Politiker dagegen leisten sich den vermeintlichen Luxus und verharren seit Dezember in einem politischen Vakuum. Die vier größten Parteien konnten sich bisher auf keine Regierung 

einigen. Sollte dies so bleiben, wonach es aussieht, werden Anfang Mai Neuwahlen ausgerufen, die dann voraussichtlich am 26. Juni, die Spanier haben Sinn für Dramatik, nur 3 Tage nach dem „Brexit-Referendum“ stattfinden. Es kommen ereignisreiche Wochen auf Europa zu. 

Es ist müßig, sich jetzt in Wahrscheinlichkeiten zu verlieren, welche Szenarien letztlich eintreten werden. Es besteht aber durchaus Hoffnung, dass die Vernunft in Europa siegen wird und eine finanzmarktpositive Entwicklung eintritt. Entscheidend für die Entwicklung der Märkte bleibt das konjunkturelle Umfeld. Hierbei gibt es definitiv Anlass zur Hoffnung. Vor allem die beiden Sorgenkinder der letzten Monate, China und USA, haben überraschend gute Zahlen gemeldet. So lagen in China ausnahmslos alle Einkaufsmanagerindikatoren mit kräftigen Anstiegen deutlich über den Erwartungen. Auch auf das Pekinger Statistikamt war Verlass. Mit preußischer Präzision pünktlich um 10.00 Uhr vormittags legte die Behörde auch am vergangenen Freitag die jüngsten Zahlen für Chinas Wirtschaftswachstum vor. Mit 6,7 Prozent im ersten Quartal entsprach es wieder mal ziemlich exakt dem Ziel, das sich die Regierung gesetzt hatte. Auch wenn jeder weiß, dass diese Zahlen nicht viel mit der Realität zu tun haben, die Märkte quittierten sie positiv. Das ist erst einmal entscheidend. 

In den USA deutet sich nach einem schwachen 1. Quartal eine Wachstumsbelebung an. Der robuste Arbeitsmarktbericht mit steigenden Löhnen und einem erneut kräftigen Beschäftigungszuwachs lässt erkennen, dass die aktuelle Verfassung der US-Wirtschaft nicht so schlecht ist, wie manche noch in den letzten Wochen befürchtet haben. Die meisten Beobachter gehen mittlerweile auch wieder von zwei möglichen Zinserhöhungen in dem verbleibenden Jahr aus. Das klang vor kurzem noch ganz anders. Mittlerweile ist auch das Allzeithoch des Dow Jones wieder in greifbare Nähe gerückt. Es ist gerade einmal 350 Punkte oder knapp zwei Prozent entfernt. Dafür reicht manchmal ein guter Börsentag. Last but not least wird am 8. November der 58. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt. Egal ob dieser Trump, Clinton, Sanders oder der noch namenlose republikanische Unbekannte sein wird. Wahljahre sind immer gute Börsenjahre in den USA. 

Vielleicht verläuft das Börsenjahr 2016 ja doch spiegelbildlich zum Börsenjahr 2015. Ein schwacher Start wandelt sich langsam aber sicher in stärkeren Optimismus. Das Gras wächst zwar nicht schneller, wenn man daran zieht, aber es wächst, wenn der Boden gut gedüngt ist. Die konjunkturelle Entwicklung in den großen Wirtschaftsräumen bietet 2016, trotz aller Probleme, nach wie vor einen sehr fruchtbaren Boden. Für Optimisten und risikobewusste Anleger sollte das Motto in diesem Frühjahr aus diesem Grund lauten: Kauf vorm Mai und bleib dabei!



Zurück zu Kapitalanlagen

© 2024 by ARNOLD & PARTNER

Diese Website verwendet Cookies zur Steigerung von Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Durch die weitere Nutzung unserer Website erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Schließen