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Wochenrückblick 13. März - 17. März 2023

Finanzmarktstabilität versus Preisstabilität ...von Stephan Heibel

ezbGestern hat die EZB-Chefin Christine Lagarde den Leitzins um 0,5% auf nunmehr 3,5% erhöht. Ungeachtet der Turbulenzen im Bankensektor löste sie ihr Versprechen ein, denn sie hatte die Zinserhöhung um 0,5% bereits bei der letzten EZB-Sitzung vor vier Wochen angekündigt. 

Im Sinne der Bekämpfung der Inflation, also zur Wahrung der Preisstabilität, ist die Entscheidung richtig. Als Volkswirt bin ich beruhigt, dass die EZB auf Kurs bleibt. Doch mein VWL-Studium liegt 28 Jahre zurück und seither habe ich viel über die Finanzmärkte gelernt - nicht zuletzt im Rahmen der großen Finanzkrise 2007 bis 2009. 

Finanzmärkte funktionieren mit einer gemeinsamen Währung: Vertrauen. Wenn Anleger den Banken das Vertrauen entziehen, oder wenn gar die Finanzinstitute sich untereinander nicht mehr vertrauen, dann kommt es zu Bankpleiten. Da kann der Stresstest noch so positiv ausgefallen sein. 

Im ersten Schritt trifft es die Schwachen. Die Silicon Valley Bank (SVB) hatte überwiegend Start-Up Unternehmen als Kunden, verwaltete deren Einlagen und hielt sich nicht an die goldene Bankregel, die Fristen der Einlagen und Ausleihungen aufeinander abzustimmen. 

usaSeit einem Jahr ist der Zustrom von frischem Venture Capitalist (VC) Geldern in die Start-Up Szene abgeebbt. Start-Ups brauchten ihre Guthaben stärker auf, als frisches hinzu kam. Da die Einlagen langfristig angelegt waren, musste SVB diese mit Verlust verkaufen, um liquide zu bleiben. Der Verlust wurde größer, bis die Insolvenz drohte und Behörden den Laden dicht machten. 

Mit Einlagen in Höhe von 209 Mrd. USD ist die Pleite der SVB nach Washington Mutual (307 Mrd. USD) die größte der US-Geschichte. An dritter Position rangiert die Signatur Bank mit 118 Mrd. USD an Einlagen, die am vergangenen Wochenende pleite ging. 

Die Signature Bank ist ebenfalls eine Regionalbank und zählt in Connecticut und Kalifornien viele Millionäre zu ihren Kunden. Ein Juwel für Goldman Sachs, doch die US-Regierung sucht Käufer nur unter mittleren Banken. Man möchte eine Konzentration im Bankensektor vermeiden. 

Anders als in Europa gibt es in den USA mehrere tausend Banken, die regional und vom Angebot her sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Diese bunte Bankenlandschaft zählen die US-Amerikaner zu einem wichtigen Rückgrat ihrer Wirtschaft und möchten sie daher unbedingt erhalten. Bankpleiten sind in diesem Umfeld keine Seltenheit, finanziell betrachtet ist es eigentlich keine große Sache, wenn die eine oder andere Bank pleite geht. 

Doch wie oben gezeigt ist die wichtigste Währung der Banken das Vertrauen, und genau das ist derzeit angekratzt. Die Signatur Bank geriet in Schieflache, weil vermögende Kunden ihre Gelder abgezogen und zu den wenigen Großen überwiesen haben: JP Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of America, Wells Fargo, Citibank. 

Die großen Banken sind "too big to fail", dort sind die Einlagen der Kunden sicher. Bei den Regionalbanken gibt es nur einen Einlagenschutz bis 250.000 USD. 

Inzwischen munkelt man im Markt, dass die US-Regierung bei eventuell folgenden Pleiten stets die Einlagen garantieren wird. Es gebe inoffizielle Aussagen von Regierungsmitarbeitern, die diese Vermutung bestätigen. 

Doch wenn Sie irgendwo eine Million USD herumliegen haben und Sie darauf Ihre Altersvorsorge aufgebaut haben, reicht Ihnen dann eine Vermutung? Nein, sicherlich nicht. 

Gleiches gilt für die Treasury-Mitarbeiter in Unternehmen, die sich um die finanziellen Mittel ihres Arbeitgebers kümmern. Da geht es um wesentlich größere Summen. Kein Treasury-Verantwortlicher wird sich vorwerfen lassen wollen, er habe die Barreserven des Unternehmens bei einer Regionalbank geparkt, wo doch in diesen Tagen alle Regionalbanken unter Generalverdacht stehen. 

Damit haben wir in den USA bislang nur den Anfang einer Finanzkrise gesehen und Stand heute besteht noch immer die Gefahr, dass sie sich ausweitet. Die gute Nachricht: Es ist möglich, die Krise frühzeitig einzudämmen. Und die Verantwortlichen haben die Finanzkrise 2007 bis 2009 erlebt und wissen daher, wie man das macht. 

Anders also vor fünfzehn Jahren werden heute nicht die Banken gerettet, sondern nur die Kundeneinlagen. Das ist schonmal ein kleiner Schritt nach vorn. Doch insbesondere Treasury-Verantwortliche in Konzernen sollten wissen, dass höhere Zinsen stets mit höheren Risiken verbunden sind. Diese Einlagen nun voll zu garantieren, fördert wieder den Vorwurf des "Moral Hazard", des moralischen Risikos. 

europaWeiterhin besteht also Ansteckungsgefahr: Für die First Republic Bank wird in diesen Tagen ebenfalls ein Käufer gesucht. Der Krypto-Verleiher Silvergate wird liquidiert. Und schließlich ist die Krise nach Europa übergeschwappt: Die Credit Suisse wurde mit 50 Mrd. Schweizer Franken aufgefangen. Die Schwächsten trifft es stets zuerst: Die Credit Suisse wurde über fünf Jahre von CEO Tidjane Thiam heruntergewirtschaftet. Seit seinem Abgang im Jahr 2020 folgt ein Skandal dem nächsten. 

Vertrauen! Wo das Vertrauen fehlt, gibt es Probleme. Solange Anleger und Treasury-Mitarbeiter keine Einlagen abziehen, gibt es keine Probleme. Doch wenn Geld abgezogen wird, ist es wie bei Ebbe in der Nordsee: Man sieht plötzlich, wer nackt gebadet hat. 

scholz_631Ziel der Politik ist es daher, das Vertrauen zu stärken. Es gibt keinen Politiker, der nicht in den vergangenen Tagen die hohe Solvenz des Bankensektors gelobt hat: Joe Biden, Olaf Scholz, Christine Lagarde, Janet Yellen, ... 

Einige Leser haben mich an meine Aussage zur Finanzmarktstabilität erinnert, die ich im Rahmen der Diskussion zur hohen Staatsverschuldung gemacht habe: Unser Finanzsystem wird solange funktionieren, wie die Bevölkerung ihm vertraut. Die Höhe der Schulden und die Höhe der Zinslast ist in meinen Augen seit Jahrzehnten auf einem Niveau, das nicht mehr tragbar ist. Doch mit Sondervermögen (neudeutsch für Schulden) und Preisbremsen lässt sich die Bevölkerung noch immer ruhig halten. 

crashBricht jetzt das Chaos aus? Ist jetzt der Kipppunkt erreicht? 

Empirisch betrachtet: Nein. Wann immer ich in den vergangenen 20 Jahren mit "ja" geantwortet habe, hatte ich Unrecht. Daraus muss ich lernen, dass die Kreativität der Politik größer ist als volkswirtschaftliche Vernunft. Daher habe ich vor einiger Zeit auch die Börsenweisheit "politische Börsen haben kurze Beine" zu Grabe getragen. 

Also zurück zur aktuellen Situation: Die EZB hat den Leitzins erhöht. Kommende Woche wird die US-Notenbank ihre Zinsentscheidung bekannt geben. Es wird erwartet, dass ein kleiner Zinsschritt von 0,25% durchgeführt wird. Genau wie die EZB wird vermutlich auch die Fed die Entscheidung über weitere Zinsschritte in der Zukunft offen lassen. 

Damit haben wir binnen weniger Tage die Erwartung an die Zinsentwicklung drastisch gesenkt. Ich kann Ihnen auch sagen, warum das sinnvoll ist: Die Geschäftsbanken übernehmen nun die Aufgabe der Notenbanken. 

Jede Geschäftsbank schaut in diesen Tagen in die eigenen Bücher: Stimmen die Fristigkeiten? Haben wir genug Liquidität? Wie stark sind wir gehebelt (Leverage)? Und sind wir auf einen eventuellen Bank-Run vorbereitet? 

Auf einen Bank-Run kann man sich nicht vorbereiten. Man kann nur so viel Liquidität wie möglich vorhalten, um im Falle eines Falles so lange wie möglich durchzuhalten ... möglichst lange genug, bis das Vertrauen wieder hergestellt ist. Daher werden Banken nun drastisch ihren Leverage vermindern, weniger Kredite vergeben und mehr Liquidität vorhalten. 

Von der anderen Seite betrachtet, von der Seite der Wirtschaft, heißt das, Finanzierungen für Investitionen werden teurer und schwerer zu bekommen sein. Und das ist ja genau das, was die Notenbanken wollen: Ein moderates Abkühlen der Wirtschaft, um den Preisdruck, die Inflation einzudämmen. 

Dank der Bankenkrise benötigen wir also gar nicht mehr ein so hohes Zinsniveau, um die Inflation einzufangen. Vielleicht reicht das inzwischen erreichte Leitzinsniveau schon aus. 

Ach, was wäre das schön. Es würde mich nicht wundern, wenn wir diesen Traum für ein paar Wochen träumen dürfen. 

Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben. Bitte beachten Sie, dass ich heute Zahlen von Freitag Mittag verwende, da diese Ausgabe fertig gestellt wurde, bevor die Märkte ins Wochenende gingen. 
 

Wochenperformance der wichtigsten Indizes



 
INDIZES 16.3.23 Woche Δ Σ '23 Δ
DAX 15.026  -2,6% 7,9%
S&P 500 3.960  2,6% 3,1%
Nikkei 27.334  -1,8% 4,7%
Shanghai A  3.407  -0,6% 5,2%
Euro/US-Dollar 1,06 -0,8% -0,7%
Euro/Yen 141,57 -1,9% 0,9%
10-Jahres-US-Anleihe 3,59% -0,11 -0,29
Umlaufrendite Dt 2,29% -0,32 -0,17
Feinunze Gold $1.931  3,1% 5,9%
Fass Brent Öl $75,56  -8,4% -9,7%
Kupfer $8.666  -2,5% 2,8%
Baltic Dry Shipping $1.560  9,6% 3,0%
Bitcoin $26.650  18,6% 60,7%



Der DAX ist um 3% eingebrochen während der S&P 500 um 3% zulegen konnte. Damit wird die vergleichsweise gute Performance des DAX zum Jahresbeginn weiter egalisiert. Der Vorsprung des DAX verkleinert sich. Insbesondere die Turbulenzen um die Credit Suisse haben hier in Europa diese Woche für Druck auf dem Aktienmarkt gesorgt. 

Die Umlaufrendite ist diese Woche um 0,32%punkte eingebrochen. Es ist der schnellste Einbruch in dieser Größenordnung seit ... ich suche ... seit immer. Zur Erinnerung: Die Rendite von Anleihen fällt, wenn der Kurs der Anleihen steigt. Und der Kurs der Anleihen steigt, wenn viele Anleihen nachgefragt werden: Angebot & Nachfrage. Die große Nachfrage nach dem sicheren Hafen der Anleihen ist Ausdruck des Stresses, der in unserem Finanzsystem steckt. 

oelvorneDer Ölpreis ist diese Woche um 9,5% eingebrochen. Das europäische Brent Öl liegt bei rund 75 USD/Fass, das US-WTI Öl bei 69 USD/Fass. US-Präsident Joe Biden hat die strategischen Ölreserven zur Stabilisierung des Ölmarktes freigegeben und durch den Verkauf auf den niedrigsten Stand seit 1983 reduziert. 

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Abbildung 1: Entwicklung der strategischen Ölreserve der USA seit 1977 


Vor einigen Monaten gab Joe Biden bekannt, die Ölreserve zu Preisen unter 70 USD/Fass wieder aufzustocken. Eigentlich sollte hier also ein Boden erreicht sein. Schauen wir mal. 

Der Bitcoin wurde 2008 unter dem Eindruck der großen Finanzkrise ins Leben gerufen, um sich gegen Finanzmarktturbulenzen abzusichern. Tatsächlich konnte der Bitcoin diese Woche um 16% zulegen. Erstmals seit Jahren wird der Bitcoin nun seiner Aufgabe als Absicherung gerecht. Bitcoiner jubeln, Kritiker sehen darin nicht mehr als eine vielleicht letzte Verkaufsgelegenheit. 

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

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