Der progressive, linke Ansatz hingegen lässt meiner Erfahrung nach das Vertrauen in den freien Markt häufig vermissen und greift viel früher dirigistisch ein als Vertreter des konservativen Lagers. Wie viel Dirigismus erforderlich ist und wie viel freien Markt sich eine Gesellschaft erlauben kann, das ist das Wechselspiel der Politik bei dem der Wähler je nach aktueller gesellschaftlicher Verfassung mal zur einen, mal zur anderen Seite neigen kann.
Der Billionen-Stimulus wird von einem angehenden Kanzler, der eher dem konservativen Lager entstammt, vorangetrieben. Brechen damit alle Dämme? Wird Deutschland zum neuen Schuldenkönig Europas? Ist die Schuldenbremse damit nur noch Makulatur? Und wie steht es um die Stabilität Europas, wenn der Musterknabe Deutschland eine Schuldenorgie veranstaltet? Kurz gesagt: Wie wirken sich diese Vorgänge auf den heimischen Aktienmarkt aus?
Ich habe mich bemüht, bei der Analyse meine konservative Einstellung in den Hintergrund zu drängen und beschäftigte mich daher insbesondere mit den progressiven Ansätzen. Denn wir werden der gesellschaftlich aufgeheizten Stimmung zu diesem Thema nicht gerecht, wenn wir von Anfang an darauf beharren, dass Schulden Teufelszeug sind und zu Lasten unserer Kinder gehen.
Kurz zur Einordnung der Dimension: Mit Staatseinnahmen in Höhe von 1,92 Bio. EUR liegt Deutschland international auf Platz 3 hinter den USA (8,29 Bio. USD) und China (4,63 Bio. USD) und vor Japan (1,58 Bio. USD). Kann es wirklich sein, dass eine 80 Mio. Bevölkerung mit dem drittgrößten Staatshaushalt keinen ausreichenden finanziellen Spielraum für Verteidigung, Infrastruktur und das Klima hat? Und ist ein Sondervermögen (=Schulden) in Höhe von 1 Bio. EUR eine angemessene Höhe, um Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten?
Vielleicht eine persönliche Beobachtung vom mir zu diesem Thema: Es wird zwar diskutiert, ob die Schulden sinnvoll sind, oder nicht. Doch meistens steckt dahinter das Misstrauen gegenüber demjenigen, der die Schulden machen darf. Denn wer die Schulden macht, der bestimmt auch, wofür sie verwendet werden. Im vorliegenden Fall werden die Schulden meinem Eindruck nach von fast allen demokratischen Parteien unserer Gesellschaft gemacht: CDU/CSU, SPD und den Grünen. Und alle haben ihr Steckenpferd darin verewigt: Verteidigung, Infrastruktur und das Klima. Na, wenn das mal kein gesellschaftlicher Konsens ist.
Ich habe Volkswirtschaftslehre (VWL) studiert und setze daher jetzt mal meine VWL-Brille auf. Welche VWL-Theorie steckt hinter dem Billionen-Stimulus? Die Antwort fällt leicht, wenn wir uns die Köpfe hinter dem Billionen-Stimulus anschauen: Vier namhafte Ökonomen haben Friedrich Merz nicht nur in ökonomischen Fragen, sondern auch in der politischen Umsetzbarkeit beraten. Es handelt sich um
Clemens Fuest (ifo Institut), eher konservativ
Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft), Pragmatiker
Moritz Schularick (Kiel Institut für Weltwirtschaft), staatliche Interventionen in Märkte
Jens Südekum (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Keynsianer.
Auf der horizontalen Werteachse müssten wir Hüther ganz rechts und Südekum ganz links einordnen. Friedrich Merz hat hier also einen bunten Strauß der Ökonomen zusammen getrommelt, so dass von links bis rechts jeder seine Ansätze einbringen konnte. In den folgenden vier Absätzen charakterisiere ich die vier nacheinander. Wem das zu volkswirtschaftlich ist, der kann das überspringen.
Die vier Ökonomen hinter dem Billionen-Stimulus
Fuest ist bekannt für eine ordoliberale bzw. neoklassisch geprägte Haltung (Ordo = Ordnungspolitisch, also verlässliche Regeln; Liberal = freie Märkte). Er betont die Bedeutung solider Staatsfinanzen und Regelbindung. So sprach er sich wiederholt gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse aus. Die Regel zwinge den Staat zwar zu Prioritäten, lasse aber „hinreichenden Spielraum für Verschuldung, die wirtschaftlich sinnvoll sein kann”. Diese Sicht spiegelt ordoliberale Prinzipien wider: Stabilitätspolitik und feste Fiskalregeln haben Vorrang vor kurzfristiger Nachfragesteuerung. Fuest verweist auch auf empirische Befunde, wonach Länder mit strikten Schuldenregeln tendenziell höheres Wachstum und niedrigere Zinskosten haben – ein Argument, das die monetaristisch/ ordoliberale Annahme unterstreicht, wonach Disziplin und Vertrauen in die Finanzpolitik langfristig Wachstum fördern. Insgesamt positioniert sich Fuest eher gegen keynesianische Defizitpolitik. Stattdessen vertritt er eine ordnungspolitische Linie, in der staatliche Eingriffe maßvoll und „Konsum auf Pump” vermieden werden sollen.
Hüther ist Volkswirt in der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft, ursprünglich dem ordoliberalen Lager nahe stehend, hat jedoch einen Wandel vollzogen. In den letzten Jahren trat er als Verfechter einer pragmatischeren Fiskalpolitik hervor. So gilt Hüther als Beispiel eines Ökonomen in einem konservativen Umfeld, der von der marktliberalen Nulldefizit-Doktrin abweicht. Gemeinsam mit Kollegen vom gewerkschaftsnahen IMK forderte er bereits 2019, Investitionen durch Anpassungen der Fiskalregeln zu ermöglichen. Hüther bewegt sich damit in Richtung einer neo-keynesianischen Perspektive: Er befürwortet eine aktivere Rolle des Staates und er sieht eine prozyklische Sparpolitik kritisch und möchte höhere öffentliche Investitionen durch flexiblere Regeln ermöglichen. Trotzdem beharrt Hüther auf Stabilitätsorientierung – Reformvorschläge aus seinem Institut zielen auf eine „Schuldenbremse 2.0” ab, die Investitionen erlaubt, aber langfristige Tragfähigkeit sichert. Insgesamt kann Hüther als pragmatischer Mainstream-Ökonom gelten, der ordoliberale Wurzeln mit keynesianisch geprägten Reformideen vereint.
Schularick ist ein international anerkannter Makroökonom, dessen Arbeiten (etwa zu Finanzzyklen und Krediten) ihn eher dem Keynesianismus bzw. moderner Makroökonomie zuordnen. Anders als traditionelle deutsche Ökonomen betont er die Notwendigkeit, makroprudenzielle Regulierung (= staatliche Aufsicht) und staatliche Investitionen zu nutzen, um Wirtschaft und Finanzmärkte zu stabilisieren. In der fiskalpolitischen Debatte positioniert sich Schularick klar gegen überzogene Austerität (also gegen überzogenen Sparzwang). Er kritisiert die deutsche Fixierung auf Nullverschuldung sogar als ökonomisches Risiko: „Die deutsche Haushaltspolitik ist ein Sicherheitsrisiko für Europa”, so Schularick. Damit warnt er, Deutschlands strikte Fiskalpolitik gefährde langfristig Wachstum und Sicherheit – ein Argument, das stark an keynesianische Warnungen vor Sparkursen in Krisenzeiten erinnert. Schularick plädiert dafür, staatliche Investitionen deutlich zu erhöhen (z.B. Verteidigung, Klimawende), notfalls durch temporäres Aussetzen der Schuldenbremse. Insgesamt steht Schularick für einen progressiven, keynesianisch geprägten Ansatz, der auf empirische Evidenz baut und Deutschland zu mehr antizyklischer Ausgabenpolitik mahnt.
Südekum ist Professor für Volkswirtschaft und wirtschaftspolitisch oft der keynesianischen Denkschule nahegestellt. Obwohl sein Forschungsgebiet primär die Handels- und Stadtökonomie ist, vertritt er in der Wirtschaftspolitik interventionistische Positionen. Südekum kritisiert einfache Marktmodelle, die Globalisierungsverlierer nur ex post entschädigen würden, und fordert statt dessen präventive staatliche Maßnahmen. So hat er Konzepte entwickelt, wie man bereits im Voraus Regionen fördert, die von Handels- und Technologieschocks bedroht sind, anstatt erst hinterher Transferzahlungen zu leisten. Dieses proaktive Eingreifen ist typisch keynesianisch (Staat als aktive Steuerungsinstanz) und steht im Gegensatz zur laissez-faire-Haltung. In der Fiskalpolitik machte Südekum sich – teils gemeinsam mit Hüther – für eine Reform der Schuldenregeln stark, um öffentliche Investitionen nicht länger zu behindern. Damit stellt er sich gegen strikt monetaristisch-ordoliberale Positionen, die vor Staatsverschuldung warnen, und schlägt sich auf die Seite jener Ökonomen, die ”Austerität überwinden” wollen. Gleichzeitig agiert Südekum sehr praxisorientiert und politiknah (er beriet z.B. die SPD); sein Fokus liegt auf realistischen Lösungen, um Wachstum durch Investitionen zu beleben, im Geiste einer angewandten keynesianischen Konjunkturpolitik.
Deren Meinung zur Schuldenbremse
Diese vier Köpfe stecken also hinter dem Billionen-Stimulus. Das Besondere an der aktuellen Situation ist, dass die Ökonomen nicht nur ihre wissenschaftlich fundierte Meinung vertreten, sondern gleichzeitig auch die politische Umsetzbarkeit einzelner Ansätze untersuchen. Einige (alle außer Fuest) halten eine Reform der Schuldenbremse für den optimalen Weg, sehen aber keine Erfolgschance für diesen Weg. Also haben sie sich auf ein Sondervermögen geeinigt. Fuest betont, die Schuldenbremse lasse bewusst Ausnahmen mit Zweidrittelmehrheit (etwa für Notsituationen oder Sondervermögen) zu – dies sei eine sinnvolle Hürde und ausreichend flexibel. So befürwortete er z.B. das 100-Mrd.-„Sondervermögen” für die Bundeswehr unter Nutzung der verfassungsrechtlichen Ausnahme, lehnte aber eine generelle Aufweichung ab. Fuests Warnungen richten sich vor allem gegen eine Erosion der Ausgabendisziplin: Neue Schulden dürften nicht für konsumtive Zwecke oder Wahlgeschenke missbraucht werden. Er fordert strikt, zusätzliche Kredite ausschließlich für Investitionen in bspw. Infrastruktur und Verteidigung einzusetzen und gleichzeitig im Kernhaushalt unwichtige Ausgaben zu kürzen.
Diese Haltung zeigt, dass Fuest politische Umsetzbarkeit in einem begrenzten Sinne berücksichtigt: Er akzeptiert Sonderverschuldung nur dort, wo auch politisch ein breiter Konsens (Zweidrittelmehrheit) und klarer Zweck besteht. Darüber hinaus sieht er die Gefahr, dass ein politisch motiviertes Aufweichen der Regel zu „Konsum auf Pump” führt – daher verbleibt er im klassischen Rollenverständnis des Ökonomen als Mahner vor unsolider Finanzpolitik.
Michael Hüther und Jens Südekum hingegen haben offen eine Reform der Schuldenbremse empfohlen. Bereits 2019 – zum 10-jährigen Jubiläum der Schuldenbremse – argumentierten sie, die Regel sei zu einer „Belastung für die deutsche Wirtschaft” geworden und müsse geändert werden. In einem gemeinsamen Beitrag betonten Hüther und Südekum, dass Deutschland enorme Investitionsbedarfe in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz habe, die unter der aktuellen Regel kaum finanzierbar seien. Ihre Empfehlung lief auf eine Lockerung nach dem „Goldenen-Regel”-Prinzip hinaus: Nettoinvestitionen des Staates sollten von der Defizitgrenze ausgenommen werden, um „dauerhaft hohe öffentliche Investitionen” zu ermöglichen. Sie mahnten einerseits, dass es „keinen Mangel an Geld, sondern an politischem Willen” für Investitionen gäbe, und andererseits, dass man politisch nun die Weichen stellen müsse, um die Regel zukunftsfähig zu machen.
Moritz Schularick spricht sich ebenfalls klar für eine Lockerung bzw. zeitweilige Aussetzung der Schuldenbremse aus, insbesondere um dringend nötige Ausgaben zu ermöglichen. Konkret forderte er angesichts der geopolitischen Lage eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben auf etwa 3% des BIP und schlug vor, dafür notfalls die Schuldenbremse auszusetzen oder ein neues Sondervermögen aufzulegen. Er begründet dies mit außergewöhnlichen Umständen („Zeitenwende”) und dem Rückstand bei Bundeswehr und Infrastruktur.
Die vier Ökonomen liefern nicht nur ökonomische Analysen, sondern gleich einen Fahrplan, wie politisch Mehrheiten organisiert werden könnten (etwa durch Einbindung der Länder und zeitliches Staffeln von Reformschritten). Diese Form der Einflussnahme kann man als ungewöhnlich proaktiv bezeichnen – sie überschreitet die klassische Rolle, in der Ökonomen Empfehlungen geben und die Umsetzung der Politik überlassen. Kritisch könnte man fragen, ob hier die Grenze Zwischen Wissenschaft und Politik verschwimmt.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Lockerung der Schuldenbremse bzw. eines Sondervermögens auf strukturelle Reformen scheiden sich die Geister. Befürworter einer Lockerung argumentieren, dass mehr fiskalischer Spielraum notwendige Investitionen ermöglicht, welche selbst Teil von strukturellen Verbesserungen sind. Beispielsweise leiden Deutschlands Infrastruktur, Bildungssystem und Klimaschutz unter Investitionsdefiziten – zusätzliche kreditfinanzierte Ausgaben könnten diese strukturellen Schwächen beheben und so langfristig Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Schulden, die klug in Reformen und Zukunftsprojekte investiert werden, können sich „selbst tragen”, weil sie die Wirtschaftskraft heben.
Kritiker hingegen warnen, dass eine zu großzügige Verschuldungsmöglichkeit den Reformdruck mindert. In dieser Logik wirkt die Schuldenbremse als Disziplinierungsinstrument: Wenn der Staat sich nicht beliebig verschulden kann, muss er ineffiziente Ausgaben reduzieren, Verwaltung modernisieren und Prioritäten setzen. Clemens Fuest vertritt genau diesen Punkt, indem er fordert, trotz zusätzlicher Schulden alte Zöpfe abzuschneiden – sprich: unwirtschaftliche Posten zu streichen und echte Strukturreformen durchzuführen. Seine Mahnung impliziert: Gibt man der Politik zu viel fiskalische Leine, besteht die Gefahr, dass notwendige Reformen verschleppt werden und stattdessen neue Wohltaten verteilt werden. Die Schuldenbremse zwang in der Vergangenheit Bund und Länder, Überschüsse zum Schuldenabbau zu verwenden; ohne diesen Zwang hätte manche Regierung womöglich kostspielige Versprechen umgesetzt, anstatt unpopuläre Reformschritte anzugehen.
Letztlich hängt die Wirkung de Sondervermögens auf Strukturreformen von der konkreten Ausgestaltung ab. Werden z.B. nur investive Ausgaben von der Schuldenbegrenzung ausgenommen, ließe sich sicherstellen, dass neues Defizit tatsächlich in die Zukunftsfähigkeit fließt und nicht in Konsum. Hüther und Kollegen schlagen genau dies vor – die Schuldenbremse 2.0 soll produktive Verschuldung ermöglichen, aber konsumtive Schulden weiterhin unterbinden. In einem solchen Rahmen könnte mehr Kredit sogar Reformen unterstützen: Etwa indem finanzielle Spielräume geschaffen werden, um eine Steuerreform einzuleiten oder eine Bildungsreform zu finanzieren, deren Erträge erst später kommen.
Die vier Ökonomen spiegeln ein breites Spektrum von Denkschulen wider – vom ordoliberalen Stabilitätswächter (Fuest) bis zum keynesianischen Modernisierer (Schularick, Südekum) – und entsprechend unterschiedlich fallen ihre Ratschläge zur Schuldenbremse aus. Während Fuest vor allem vor einer Aufweichung warnt, sehen Hüther, Schularick und Südekum darin die Voraussetzung, um dringend nötige Investitionen und Wandel zu ermöglichen. Eine kontrollierte Lockerung der Schuldenbremse könnte – so die Befürworter – eine Welle an Zukunftsinvestitionen und vielleicht sogar erleichterte Reformen auslösen. Genauso besteht aber die Gefahr, dass ohne den Druck der knappen Kasse der Reformelan erlahmt.
Blicken wir nochmals anders auf die Zusammensetzung: Wir haben einen CDU/CSU-Ökonomen (Fuest), einen SPD-Ökonomen (Schularick), einen Grünen (Südekum) und einen, der sich von der CDU/CSU auf den Weg zur SPD gemacht hat (Hüther). Damit werden die "demokratischen" Parteien abgebildet. In meinen Augen wäre es eine Chance gewesen, für diesen Prozess auch die politischen Ränder einzubeziehen. Denn gerade das wissenschaftliche Herangehen an dieses Thema ermöglicht doch eine gemeinsame Diskussionsgrundlage, ungeachtet der mitunter extrem rechten oder linken Schlussfolgerungen.
Doch sei's drum: Wir müssen nun beurteilen, ob der Billionen-Stimulus wie Munition an der Front destruktiv verfeuert wird, oder aber konstruktiv zur Förderung des Wirtschaftswachstums eingesetzt wird. Die Investition von 400 Mrd. EUR in die Verteidigung ist aus dieser Sicht nur eine vorübergehende Produktivitätssteigerung, die für unsere freiheitliche Gesellschaft erforderlich ist. Also im Bilde der VWL: Ein meritorisches Gut, für das der Einzelne nicht ausreichend auszugeben bereit ist. Hier ist die CDU/CSU angesiedelt.
Die 500 Mrd. EUR für die Infrastruktur können als nachhaltig produktivitätssteigernd betrachtet werden. Je besser die Infrastruktur eines Landes, desto produktiver können die Menschen und Unternehmen darin arbeiten.
Der Klimaschutz hingegen ist in meinen Augen als meritorisches Gut zu betrachten: Der Einzelne misst dem Klima nicht den wahren Wert bei, daher muss der Staat hier eingreifen.
Die alles entscheidende Frage ist nun die Umsetzung: Werden die Mittel tatsächlich so eingesetzt wie versprochen? Meine persönliche Erfahrung mit Politikern macht da nicht gerade viel Hoffnung. Wenn Politiker keine Argumente mehr haben, machen sie Versprechungen, wohl wissend, dass bis zu deren Überprüfung andere Fakten geschaffen werden. Ich fürchte also, dass ein Teil des Sondervermögens letztlich doch für die Erfüllung von konsumtiven Wahlversprechen eingesetzt wird, ohne dass wir als Volk dann noch die Möglichkeit haben, dies zu verhindern.
Und gerade bei den Grünen habe ich die Befürchtung, dass das Ziel der Rettung des Weltklimas selbst mit den größten Investitionen nicht von Deutschland allein gelöst werden kann, denn das Klima ist nun einmal global. Natürlich müssen wir vorangehen und zeigen, was möglich ist. Doch eine Volkswirtschaft, die ihre Wirtschaftskraft verspielt, kann am Ende nicht mehr vorangehen.
Der Billionen-Stimulus wird übrigens nicht in einem Schlag ausgegeben. Für das Infrastruktur-Paket ist ein Zeitrahmen von 12 Jahren vorgesehen, das wären dann 41 Mrd. EUR pro Jahr an zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur. Für die Verteidigung und den Klimaschutz gibt es noch keinen festen Zeitraum, aber er dürfte ebenfalls im Rahmen von 10-12 Jahren liegen.
Der gesamte Staatshaushalt in Deutschland belief sich 2023 auf 1,92 Bio. EUR. Investiert wurde vom Bund 71,5 Mrd., von den Ländern 42,8 Mrd. EUR und von den Kommunen 50,7 Mrd. EUR, also insgesamt 165 Mrd. EUR. Durch den Billionen-Stimulus kommen nun jährlich rund 100 Mrd. EUR hinzu. Die Investitionen wachsen also schlagartig um 60% an. Na, das nenne ich mal einen Dreifach-Wumms ;-). Die Verschuldungsquote, die gemäß dem Maastricht-Vertrag nicht über 60% steigen sollte, liegt aktuell bei 61% und dürfte durch den Billionen-Stimulus auf 85-90% steigen. Damit sind wir noch immer weniger verschuldet als viele Südländer Europas.
Fazit
Grundsätzlich erkenne ich die Notwendigkeit der Investitionen an. Die Dimensionierung des Billionen-Stimulus erscheint mir jedoch zu groß. Nicht, weil wir damit unsere Finanzstärke gefährden, denn sofern das Geld investiert wird, dürften das folgende Wirtschaftswachstum die Schulden relativieren. Sondern eher, weil wir damit zu einer Militärmacht werden, die wir eigentlich nach dem Krieg nicht mehr sein wollten. Die Landesverteidigung geht Hand in Hand mit der Lösung internationaler Konflikte. Je schlagkräftiger unser Militär, desto stärker werden wir uns international einmischen. Aber diesen Aspekt wollte ich nur der Vollständigkeit halber anfügen, das hat mit der wirtschaftlichen Betrachtung wenig zu tun.
Wachstum ist die Lösung für viele Probleme. Mit dem Billionen-Stimulus ist es durchaus möglich, Wachstum für Deutschland zu erzeugen. Möglich, aber nicht garantiert. Über Erfolg und Misserfolg wird entscheiden, ob die Gelder letztlich tatsächlich in Investitionen fließen, oder aber lediglich andere Haushaltslöcher damit gestopft werden. Als Beispiel wird bereits die Mütterrente genannt, die auf keinen Fall aus diesem Topf finanziert werden darf, denn sie ist eine Sozialleistung und keine Investition.
Am Dienstag wird der Bundestag, am Freitag der Bundesrat über den Billionen-Stimulus abstimmen. Ich will mir keine Meinung erlauben, wie die Abstimmungen ausgehen könnten. Ich gehe jedoch davon aus, dass eine Verabschiedung dem DAX gut tun wird, ein Scheitern hingegen könnte zu einem heftigen Ausverkauf führen.
Schauen wir uns mal die Entwicklung der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an:
Wochenperformance der wichtigsten Indizes
INDIZES | 17.3., 9:45 Uhr | Woche Δ | Σ '25 Δ |
DAX | 23.035 | 0,1% | 15,7% |
S&P 500 | 5.639 | -1,6% | -4,5% |
Nikkei | 37.397 | 1,4% | -6,3% |
Shanghai A | 3.997 | 1,3% | 1,6% |
Euro/US-Dollar | 1,09 | 0,5% | 4,5% |
Euro/Yen | 162,01 | 1,2% | -0,4% |
10-Jahres-US-Anleihe | 4,29% | 0,01 | -0,22 |
Umlaufrendite Dt | 2,73% | 0,04 | 0,42 |
Feinunze Gold | $2.988 | 2,7% | 14,2% |
Fass Brent Öl | $71,01 | 1,0% | -4,7% |
Kupfer | $9.781 | 0,5% | 9,8% |
Baltic Dry Shipping | $1.669 | 29,8% | 67,4% |
Bitcoin | $83.476 | -5,4% | -11,0% |
In den Schlagzeilen der deutschen Medien sehe ich täglich die Meldung über den Absatzrückgang bei Tesla. Ich kann nicht wirklich nachvollziehen, warum man das Auto, das die E-Mobilität salonfähig macht, nun verteufelt, nur weil sein Gründer politische Ziele verfolgt, die mit den eigenen gegebenenfalls nicht übereinstimmen.
Über den Misserfolg der deutschen Autobauer wird ebenfalls geschrieben: Die Gewinne bei VW (-31%), Porsche (-30%) Mercedes (-28%), Daimler Truck (-23%) und BMW (-37%) sind eingebrochen. Tesla verzeichnete trotz Absatzeinbruch im Q4'24 einen Gewinnanstieg von 15%.
Die Aktie von Tesla ist seit ihrem Allzeithoch im Dezember von 488 USD auf zwischenzeitlich 217 USD um 55% eingebrochen. Für das laufende Jahr wird ein Gewinnwachstum von 29% erwartet, für 2026 von 37%. das EV/EBITDA von 44 ist bei diesem Wachstum in meinen Augen in Ordnung.
Für die künftige Entwicklung von Tesla ist weniger der Absatz von Fahrzeugen wichtig, als vielmehr ein funktionierendes autonom fahrendes Fahrzeug aus dem Hause Tesla, sowie der humanoide Roboter Optimus.
Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.
Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.
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