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Wochenrückblick 16. März - 20. März 2015

Aufholjagd nach Ukraine-Beruhigung ...von Stephan Heibel
Die aktuelle Rallye im DAX wird insbesondere EZB-Chef Mario Draghi zugeschrieben: Durch seine lockere Geldpolitik habe er den Euro geschwächt und damit den Export Deutschlands gefördert. Daher die DAX-Rallye. Ich sehe jedoch noch einen zweiten Grund: Die Ukraine-Krise.

Sie werden sich erinnern, dass der DAX bereits 2012 und 2013 um jeweils über 20% zulegen konnte. 2014 wurde die Rallye im Frühjahr durch den Aufstand auf dem Maidan gestoppt. Die Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen führte zu beiderseitigen Sanktionen, bis heute sind 21 Mrd. Euro an Exporten nach Russland dadurch vereitelt worden.

Eine Verschärfung des Konfliktes beispielsweise durch offene Waffenlieferungen der USA hätte die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Westeuropa und Russland vollständig zum Erliegen gebracht. Europa hätte sich einen großen Absatzmarkt verschlossen. Russland hätte sich ebenfalls einen großen Abnehmer genommen.

Der Vorstoß Angela Merkel's, zumindest den Verhandlungsfaden nicht abreißen zu lassen, war in meinen Augen die Kehrwende in der Ukraine-Krise. Sie ist dafür extra für ein paar Stunden zu Präsident Obama nach Washington geflogen, um ihn zu einer abwartenden Haltung in Sachen Waffenlieferungen zu bewegen. Die vermeintlich nicht mehr aufzuhaltende Eskalationsspirale wurde dadurch von ihr durchbrochen.

Nein, der Ukraine-Konflikt ist nicht gelöst. Und das Minsk II Abkommen ist alles andere als eine Basis für Verhandlungen. Es ist nicht mehr als eine anhaltende Gesprächsbereitschaft. Doch allein diese Gesprächsbereitschaft zwischen Präsident Putin und Kanzlerin Merkel schürt die Hoffnung, Russland als wirtschaftlichen Partner noch nicht ganz verloren zu haben.

Ich habe diese Woche einige politische Einschätzungen aus den USA gelesen, die sich mit möglichen Änderungen auf unserem Planeten beschäftigen. Einige Punkte davon teile ich und möchte sie Ihnen hier weitergeben.

So geht man in den USA offensichtlich davon aus, dass Russland sich in den kommenden zehn Jahren weiter auflösen wird. Das System Russland baue allein auf die Ausbeutung der Rohstoffvorkommen, der Aufbau weiterer Wirtschaftszweige sei missglückt. Wirtschaftliche Interessen würden künftig Oberhand gewinnen und die Macht Putins oder seines Nachfolgers schwächen, sodass insbesondere weit von Moskau weg liegende Gebiete zunehmend eigene Entscheidungen treffen würden. Ohne Krieg, ohne Revolution, einfach dank wirtschaftlicher Interessen.

So ist es für Europa vorteilhaft, mit Russland im Kontakt zu bleiben, um solche Entwicklungen dahingehend zu begleiten, dass entstehende Lücken durch demokratische Strukturen gefüllt werden. Doch das lässt sich aus Europa nicht steuern, auch die USA können da nicht viel bewirken. Einzig wirtschaftliche Verbindungen können dafür sorgen, dass über einen engen Kontakt die Vorteile der Demokratie sichtbar sind.

Wirtschaftlich ist Russland eine gigantische Chance für Europa, denn nicht einmal China ist so eng mit Russland verbunden wie Europa. Und eine Kombination zwischen Russlands Rohstoffen und Europas Wirtschaft würde beiden Seiten ordentliches Wachstum bereiten.

Wachstum, das in China hingegen langsam nachlässt. Das stürmische Wachstum der vergangenen Jahre wird sich in den kommenden Jahren weiter abschwächen, wie es schon bei so vielen Ländern, zuletzt in Südkorea, der Fall war. Die neue Wirtschaftsmacht China muss nun Strukturen aufbauen, die soziale und juristische Versäumnisse aufholt. China wird weiter wachsen und irgendwann auch die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt überholen, doch nicht mehr in dem hohen Tempo der vergangenen Jahre.

Europa selbst läuft Gefahr, so die Meinung der US-Strategen, sich über die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme zwischen dem Norden und dem Süden zu zerstreiten. Der Süden werde, so die Erwartung, aller Vereinbarungen zum Trotz, Handelsbeschränkungen innerhalb der Eurozone einführen, um die wirtschaftliche Erholung sicherzustellen. Deutschlands Problem sei, und das ist bekannt, der hohe Exportanteil.

Ob der hohe Exportanteil Ursache oder Wirkung unseres wirtschaftlichen Erfolges ist, sei mal dahingestellt. Ich kann schon nachvollziehen, dass für einen innereuropäischen sozialen Frieden eine ausgeglichenere Bilanz vorteilhaft wäre. Doch muss sich Deutschland dafür auf die Exportschwäche der Südländer zubewegen, oder sollten die Südländer sich nach eigenen Exportmöglichkeiten umschauen? Diese Frage muss geklärt werden.

Daran hängt die Zukunft Europas. Es scheint unstrittig, dass Euroland mit seinen geschaffenen Institutionen und dem Euro bestehen bleibt. Doch es ist fraglich, ob die Zusammenarbeit intensiviert wird oder aber ob Kleinstaaterei wieder Überhand gewinnt.

Die USA werden sich künftig nicht mehr so häufig militärisch in Angelegenheiten anderer Länder mischen. Diese Einsicht ist im Volk gereift und dürfte auch beim nächsten US-Präsident nach dem Friedensnobelpreisträger Obama vorhanden sein. Doch der Umkehrschluss, den ich seit Monaten in der Finanzpresse lese, ist meines Erachtens falsch: Europa werde kräftig aufrüsten müssen, um mit den Problemen vor der eigenen Haustür ohne das US-Militär fertig zu werden. Das könnte sich hoffentlich als falsch herausstellen. Gerade in der Ukraine-Krise hat Angela Merkel gezeigt, dass allein mit guten (m.M.n. wirtschaftlichen) Argumenten ebenfalls ein gutes Ergebnis zu erzielen ist.

Heute wurde die Gründung einer neuen Spezialeinheit der Polizei verkündet, die bei Terroranschlägen eingesetzt werden soll und zwischen der normalen Polizei und der GSG9 angesiedelt sei. Das sind in meinen Augen tatsächlich die besseren Maßnahmen, mit denen wir die heutigen Probleme adressieren können.

Sprich: Das weltweite Hochrüsten, in dessen freudiger Erwartung viele Finanzbriefe derzeit sämtliche Rüstungsaktien empfehlen, kann ich nur bedingt nachvollziehen. Ja, in Europa muss das Militär modernisiert werden. Doch ein Aufrüsten in großem Maßstab wird nicht erfolgen. Wenn ein Aufrüsten erfolgt, dann in Ländern mit chronischen kriegerischen Auseinandersetzungen, also im Nahen Osten. Doch ob deutsche Unternehmen dorthin liefern dürfen, ist eine politische Frage. Entsprechende Aktien, in Deutschland wird natürlich Rheinmetall am häufigsten genannt, dürften nach einem Strohfeuer wieder zurückkommen.

Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme des Verhandlungsfadens zwischen Europa und Russland ein positives Zeichen, das sicher die DAX-Rallye genauso beflügelt hat wie die Liquiditätsflutung Draghis. Diese Woche hat nun US-Notenbankchefin Janet Yellen Befürchtungen einer baldigen Zinsanhebung beruhigt.

Wochenperformance der wichtigsten Indizes

Indizes 16.05.2013 Änderung Vorwoche
Dow Jones 17.959 0,4%
DAX 11.899 0,8%
Nikkei 19.560 1,6%
Euro/US-Dollar 1,07 0,8%
Euro/Yen 129,35 0,7%
10-Jahres-US-Anleihe 1,98% -0,13
Umlaufrendite Dtl. 0,14% 0,01
Feinunze Gold 1.173$ 1,4%
Fass Brent Öl 54,08$ -4,8%
Kupfer 5.912$ 1,2%
Baltic Dry Shipping 584 4,3%

Der Ölpreis ist wieder eingebrochen. Mit einem Wochenminus von -4,8% trägt der Ölpreis die rote Laterne. Das US-Öl WTI hat jedoch die Tiefstwerte von Ende Januar nicht unterschritten - noch nicht? Mit aktuell 47 USD/Fass notiert der Ölpreis nur 4 USD entfernt vom damaligen Tief bei 43 USD/Fass. Es bleibt spannend.

Gleichzeitig konnte der Euro aufgrund der bedacht friedlichen Rede von Janet Yellen eine Erholungsbewegung vollziehen und legte mit einem Wochenplus von +0,8% so viel zu wie seit 18 Monaten nicht mehr.

DAX und Dow Jones waren um die Veröffentlichung der US-Notenbank herum recht volatil. Die Befürchtung, dass die Fed den Begriff "geduldig" (patient) in ihrer Veröffentlichung weglassen werde, hat sich bestätigt. Die Fed wartet nun nicht mehr geduldig, bis der rechte Zeitpunkt für die erste Leitzinserhöhung seit neun Jahren gekommen ist. Doch direkt im Anschluss hat Janet Yellen zu verstehen gegeben, dass man eine Zinsanhebung dennoch nicht überstürzen werde. Man warte auf ein erreichen der strukturellen (langfristigen) Arbeitslosenquote von 5,1% (aktuell 5,6%) und eine erwartete Inflationsrate von 2%.

Komisch: Vor einiger Zeit sagte Yellens Vorgänger Ben Bernanke, dass er auf eine Arbeitslosenquote von 6,5% warte, bevor er mit Zinsanhebungen beginne. Die große Kritik der Falken (Hardliner) an der Fed lautet, dass sie aus ihrer Liquiditätsflutung niemals mehr heraus kämen, oder zumindest nicht rechtzeitig, um eine ausufernde Inflation zu verhindern. Die Fed steht also unter Druck zu beweisen, dass sie nicht zu lange mit der ersten Zinserhöhung wartet.

Gleichzeitig sind jedoch stärker als die USA selbst inzwischen diverse Schwellenländer (Brasilien, Mexiko) vom Zinsniveau in den USA abhängig. Eine zu frühe Zinsanhebung würde dort zu Verwerfungen führen, die auch auf den US-Markt zurückschlagen könnten.

Es ist also schwer für Yellen, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Sie sucht ihn mit Engelszungen und Transparenz in der Hoffnung, den Marktteilnehmern genügend Zeit zu geben, sich entsprechend vorzubereiten.

Letztlich ist es doch nur Psychologie, ob die Fed nun im Juni, im September oder vielleicht erst im Dezember die erste Zinsanhebung vornimmt. Doch die Psychologie ist wichtig, denn Unternehmen wie Petrobras (siehe Heibel-Ticker der vergangenen Woche) müssen verstehen, dass die Tage des Niedrigzinsumfeldes gezählt sind.

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

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