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Wochenrückblick 17. Juni - 21. Juni 2019

Notenbanken kündigen Lockerung der Geldpolitik an ...von Stephan Heibel
Es ist zu viel passiert in der abgelaufenen Woche. Ich versuche, die wichtigsten Dinge kurz ins Finanzlicht zu setzen:

DAS BISLANG UNDENKBARE: EU-LEITZINS WIRD NEGATIV

EZB-Chef Mario Draghi äußerte im Rahmen des jährlichen Notenbankforums in Sintra, Portugal, dass weiterhin Zinssenkungen zum Instrumentarium der Geldpolitik gehören. Wenn sich der Wachstums- und Inflationsausblick der EZB nicht verbessere, würden stimulierende Schritte der Geldpolitik erforderlich.

Die Inflation steht bei 1,6% und ist trotz Nullzinspolitik und Anleihekäufen sowie anziehender Konjunktur noch immer weit entfernt vom 2%-Ziel. Die Tür für eine Leitzinssenkung ins Negative steht nun weit offen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Draghi nicht durch diese Tür gehen wird.

Als Draghi vor acht Jahren das Amt des EZB-Chefs antrat, nannte ich ihn provokativ "Supermario", weil ich von ihm nicht nur aufgrund seiner italienischen Herkunft nicht erwartete, die Phase der Nullzinspolitik erfolgreich zu beenden. Im Oktober endet seine Amtszeit und er wird der erste Notenbankchef der Geschichte sein, der in seiner Amtszeit keine einzige Zinsanhebung vorgenommen hat.

WETTLAUF DER GELDFLUTUNG

US-Notenbankchef Jay Powell hat diese Woche ebenfalls Anleger auf eine Zinssenkung vorbereitet. Im Gegensatz zur EU, wo Supermario keine Zinsanhebung umsetzte, heißt das nun in den USA: Zinswende. In den USA hat man vom aktuellen Niveau von 2,25% - 2,5% reichlich Luft, um die Konjunktur mit traditionellen, geldpolitischen Maßnahmen anzukurbeln.

In China werden mit einem Konjunkturprogramm in Höhe von 700 Mrd. USD die Folgen aus dem Handelskrieg mit den USA abgefedert. Russland hat diese Woche den Leitzins gesenkt, so auch Indien vor zwei Wochen. Es kommt mir vor, als würden die Länder einen Wettlauf veranstalten um mit einer möglichst billigen Währung Handelsvorteile für die eigenen Unternehmen zu erzielen.

TRUMP WÜTET

US-Präsident Trump verschärft seine Rhetorik gegenüber Europa, insbesondere Deutschland. Den Anstieg des DAX führt Trump korrekt auf die Bemerkungen Draghis zurück. Die dadurch erzielte Schwächung des Euros gegenüber dem US-Dollar sei sehr unfair. Damit stellt er die EU, die er schon mal als "Feind" bezeichnete, auf eine Stufe mit Ländern, die er schon der Währungsmanipulation bezichtigt hat (bspw. China!).

Doch auch US-Notenbankchef Jay Powell ist nicht sicher vor Trump: Die Zinsanhebung vom Ende letzten Jahres sei ein Fehler gewesen, das Zinsniveau in den USA müsse viel tiefer sein, so Trump.

Trump hat mit einer historischen Unternehmenssteuerreform die US-Wirtschaft für den Handelsstreit präpariert. Der einmalige Steuereffekt läuft nun aus und er benötigt weitere Hilfen, um die kurzfristig negativen Auswirkungen seiner Strafzölle zu vertuschen. Eine lockere Geldpolitik wäre die für ihn einfachste Lösung, daher hackt er bei jeder Gelegenheit auf Powell herum. Powell ist ein leichtes Opfer, meiner Ansicht nach war die Zinsanhebung Ende letzten Jahres falsch und verursachte den Chaos-Dezember.

Ende nächster Woche wird Trump den chinesischen Präsidenten Xi im Rahmen des G20-Gipfels in Osaka treffen. Trump hat per Twitter bekannt gegeben, Xi habe ihn angerufen und um ein Gespräch gebeten. Das hört sich genauso an wie vor dem Gipfel in Argentinien, damals blieben die Gespräche erfolglos und Trump setzte erste Strafzölle ein.

EU PARALYSIERT

Bei der EU-Wahl hat die konservative Parteienfamilie EVP kräftig Federn gelassen, dennoch ging sie als stärkste Partei aus der Wahl hervor. Deren Spitzenkandidat Manfred Weber bekommt nun jedoch nicht die für die Wahl zum Kommissionspräsidenten erforderliche Mehrheit im EU-Parlament. Europaweit fragen sich nun diejenigen, die der EVP ihre Stimme gegeben haben, wen sie eigentlich gewählt haben. Ohne die EVP oder Weber bewerten zu wollen, möchte ich jedoch betonen, dass die EU noch weit entfernt ist von einer Demokratie.

Unterschiedliche Interessen führen zu Machtspielchen auf allen Ebenen, unterm Strich ist die EU meiner Einschätzung nach derzeit vollständig handlungsunfähig: die Abschaffung der Sommerzeit konnte nicht umgesetzt werden, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 kann durch einige wenige Mitglieder blockiert werden.

In Deutschland sieht es nicht viel besser aus: 25 Jahre nach der vorübergehenden Einführung des Solis schafft es die Regierungsmehrheit nicht, den Soli wieder abzuschaffen. Das Prestigeprojekt der CSU, die Maut, wurde diese Woche vom Europäischen Gerichtshof beerdigt.

Grundsätzlich gilt, dass die Konjunktur am besten läuft, wenn sie Planungssicherheit hat. Wenn wir also feststellen, dass weder auf EU-, noch auf Bundesebene auch nur die kleinsten Vorhaben umgesetzt werden können, dann müssten wir doch alle jubeln, oder?

Nun, das Problem ist, dass sich die Welt um uns herum derzeit dramatisch ändert und wir eigentlich entsprechende Anpassungen vornehmen müssen. Doch daran ist derzeit nicht zu denken.

FACEBOOK SCHENKT DER WELT EINE NEUE KRYPTO-WÄHRUNG: LIBRA

Diese Woche hat Facebook eine neue Krypto-Währung vorgestellt: den Libra.

Der Libra nutzt die Blockchain-Technologie für den sicheren Zahlungstransfer sowie für die Speicherung des Guthabens. Der Wert des Libra wird jedoch, anders als alle bisher verfügbaren Krypta-Währungen, an einen Basiskorb von Währungen gekoppelt. Es ist noch offen, wie dieser Basiskorb aussehen wird, doch der IWF betreibt einen solchen Währungskorb, auch der US-Dollar wird traditionell gegen einen Korb der größten Weltwährungen gemessen, so dass Facebook schon deren Vorarbeit nutzen kann.

Der Libra werde von einer von Facebook unabhängigen Firma aus der Schweiz heraus betrieben. Chef des gemeinnützigen Unternehmens (Non-Profit) soll David Marcus sein, ehemaliger Präsident von Paypal. David Marcus ist Franzose mit iranischen und rumänischen Wurzeln, wuchs in der Schweiz auf und entstammt dem Bankgeschäft. Ich schreibe es Marcus David zu, dass Paypal so kundenfreundlich konzipiert werden konnte, wie bislang keine andere digitale Zahlungsabwicklung.

Facebook hat bereits unzählige Partner mit ins Boot geholt: Visa und Mastercard, Ebay und Paypal, Spotify, Uber, Lyft, Vodafone, uvm. Zahlungen können so einfach wie eine WhatsApp Nachricht verschickt werden. Guthaben kann jederzeit in die lokale Landeswährung getauscht werden. So zumindest das Versprechen von Facebook.

Nun wird heftig diskutiert, ob Facebook dieses Projekt ins Leben gerufen hat, um das durch den Datenskandal angekratzte Image aufzupolieren, oder aber ob sich Facebook dort an irgendeiner Ecke die Möglichkeit eingerichtet hat, Geld zu verdienen. Noch sind zu wenige Details über den Libra bekannt, um dies zu beurteilen. Dennoch halte ich das Konzept für vielversprechend und der Umstand, dass ein Mann wie David Marcus gewonnen werden konnte, spricht dafür, dass der Libra tatsächlich ein Geschenk aus Imagegründen sein kann...

...und sei's drum, wenn Facebook am Ende eine kleine Ecke hat, an der das Unternehmen verdienen kann, dann ist das in meinen Augen auch nicht schlimm. Hauptsache, die Privatsphäre wird beachtet, und das ist dem Konzept der Kryptowährung folgend gegeben.

ABENTEUERLICHE BEWERTUNGEN: SLACK, BEYOND MEAT, MONGODB

Geistern ist Slack an die Börse gegangen. Auf der Plattform dieses Cloud-Unternehmens können Teams ihre Teamarbeit koordinieren und gemeinsame Quellen verwalten, den Projektfortschritt dokumentieren und Telcos abhalten. Ich habe mit Yammer (Microsoft) gearbeitet und muss sagen, solche Tools sind megageil! Ich gehe davon aus, dass sich Slack zu einem lukrativen Unternehmen entwickeln wird.

Bislang wurden jedoch im Jahr 450 Mio. USD umgesetzt und das Unternehmen mit 19 Mrd. USD bewertet. Ein Kurs/Umsatz-Verhältnis (KUV) von 42 ist mir dann doch zu hoch. Ich bevorzuge KUVs von 1, bei Wachstumsunternehmen können es auch mal 2 sein. Bei den jungen Cloud-Unternehmen bin ich sogar bis 7 gegangen (Zuora), doch 42 ist mir zu hoch.

Da fällt mir der Börsengang von Beyond Meat ein, die Anbieter des veganen Burgers, den Sie in Deutschland auch schon bereits bei Lidl im Regal sehen. Das Unternehmen ging Anfang Mai zu 25 USD an die Börse, der erste gehandelte Kurs war bei 65 USD und wurde als IPO-Hype abgetan. Seither ist die Aktie jedoch, statt zu crashen, weiter in den Orbit geschossen und erreichte bereits Kurse über 180 USD (aktuell 169 USD). 115 USD Jahresumsatz werden dort mit 10 Mrd. USD Marktkapitalisierung bewertet, ein KUV von 87. Und hier handelt es sich nicht um ein digitales, in der Cloud beliebig skalierbares Produkt, sondern um ein Nahrungsmittel.

Bleibt MongoDB, die Datenbank für die Cloud. Das Unternehmen erobert die Herzen der Entwickler im Sturm, nach 40 Jahren Oracle-DBs ist die Begeisterung für eine moderne Datenbank gigantisch. Wie gigantisch? Nun, KUV 31. Muss ich da noch mehr zu sagen?

Ach so, fast vergessen hätte ich die Cannabis-Welle: Canopy aus Kanada beispielsweise ist schon 14 Mrd. USD wert, setzte in 12 Monaten 132 Mio. USD um. Das KUV beträgt also 106.

Die Slack-Plattform für Teamarbeit, der Veggie-Burger, Cannabis sowie auch die Mongo Datenbank werden in 10 Jahren meiner Einschätzung nach große Verbreitung finden. Doch ob dieser Erfolgszug heute schon vollständig eingepreist werden kann, wage ich zu bezweifeln. Für unsere Aktienanlage suchen wir uns andere Kandidaten.

Schauen wir mal, was die Finanzmärkte aus dieser Informationslage gemacht haben:

 
INDIZES 20.6.19 Woche Δ Σ '19 Δ
Dow Jones 26.761  2,5% 16,0%
DAX 12.331  1,9% 16,8%
Nikkei 21.259  0,7% 6,2%
Shanghai A  3.144  4,2% 20,4%
Euro/US-Dollar 1,13 0,7% -1,1%
Euro/Yen 121,84 0,0% -3,4%
10-Jahres-US-Anleihe 2,06% -0,04 -0,68
Umlaufrendite Dt -0,34% -0,04 -0,44
Feinunze Gold $1.392  3,2% 8,7%
Fass Brent Öl $65,18  5,7% 24,8%
Kupfer 5.894  1,1% -2,0%
Baltic Dry Shipping 1.194  12,4% -6,1%
Bitcoin 9.589  16,4% 144,5%



Trump wütet, die EU ist paralysiert, die Notenbanken reagieren entsprechend umsichtig und bereiten die Finanzmärkte auf Zinssenkungen vor. Natürlich jubeln die Finanzmärkte sämtliche Anlageklassen nach oben: Dow Jones +2,5%, DAX +1,9%, Shanghai A-Aktienindex +4,2%. Im Wettlauf der Geldflutung hat Powell die Nase leicht vorn, er hat mehr Feuerkraft und so ist sein US-Dollar ein wenig schwächer als der Euro (Euro legt 0,7% zu). Auf der Baltic Dry Verschiffungsindex springt an (+12,4%).

Aber auch Anleihen (Rendite -0,04%punkte) und das Gold (+3,2%) bekommen die Flucht in den Sicheren Hafen zu spüren. Was das zu bedeuten hat, werde ich in Kapitel 04 näher untersuchen.

Der Ölpreis ist um 5,7% angesprungen, weil sich die Situation im Iran zuspitzt. In meinen Augen läuft das dort auf einen Krieg hinaus, der die gesamte Region destabilisieren wird. Ich bin mir noch nicht sicher, ob Trump das noch vor seiner Wiederwahl anzetteln möchte. Am liebsten würde er das dortige Pulverfass bis November 2020 am Köcheln halten.

Der Bitcoin profitiert vom Medientrubel um den Libra.

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

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