ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wochenrückblick 18. Dezember - 22. Dezember 2023

Die Gründe für die Kehrtwende der US-Zinspoilitik ...von Stephan Heibel
Für die überraschende Kehrtwende des US-Notenbankchefs Jay Powell am Mittwoch vor einer Woche gibt es inzwischen einige Erklärungsansätze. Die US-Wirtschaft zeigt sich noch immer stark, das US-BIP wächst mit 4,9%. Der Arbeitsmarkt ist robust, die US-Arbeitslosigkeit steht bei nur 3,7%. Trotzdem hat Powell überraschend angekündigt, sein Augenmerk auf eine mögliche Konjunkturschwäche der USA zu legen und gegebenenfalls entsprechende Zinsanpassungen vorzunehmen.

Am Mittwoch, den 13. Dezember, gab er diese Einschätzung im Rahmen der auf die Zinsentscheidung folgenden Pressekonferenz bekannt. Am Donnerstag früh sprang der DAX zum Börsenbeginn kurzzeitig über die 17.000 Punkte. Seither geht's bergab.

Das Minus hält sich in Grenzen, diese Woche gab der DAX nur 0,4% ab. Die Anfang November begonnene Rallye ist damit beendet. Das Ende der Zinsanhebungen ist seit Monaten absehbar gewesen, spätestens seit Oktober. Entsprechend stiegen die Aktienmärkte bereits kräftig an. Die nun erfolgte Aussage Powell wird als Bestätigung der Erwartung gewertet und Anleger nehmen Gewinne mit. Die Rallye endete mit Eintreten des Ereignisses, auf das spekuliert wurde.

Warum hat Powell aber nicht noch ein paar Monate abgewartet? Inflation ist so schwer einzudämmen und aus der Geschichte wissen wir, dass sich inflationäre Keimlinge überall in der Wirtschaft eingenistet haben, so dass bei einer verfrühten Aufgabe der strikten Geldpolitik mit einem späteren Wiederaufleben der Inflation zu rechnen ist. Powell weiß dies, er hat mehrfach darauf hingewiesen.

In den Tagen vor der Zinsentscheidung hörte ich mehrfach die Vermutung, dass die hohen Zinsen die Wirtschaft abwürgen könnten und wir daher im Jahr 2024 mit einer Deflation zu rechnen hätten. Die Fed habe in ihrer Geschichte Kehrtwendungen stets zu spät vollzogen, hieß es. So werde es auch dieses Mal sein und so werde auch dieses Mal die Wirtschaft in eine Rezession gestürzt. Deflation sei dann ebenfalls die Folge.

Nun, den Vorwurf einer zu späten Kehrwende wird sich Powell nicht anhören müssen.

Aber vielleicht war die Kehrtwende verführt? Der für mich plausibelste Grund für die Kehrwende ist der anstehende US-Präsidentschaftswahlkampf.

Traditionell ist die US-Notenbank in Wahljahren sehr vorsichtig mit ihren Entscheidungen. Es ist bekannt, dass eine gute Konjunkturlage dem amtierenden Präsidenten zugeschrieben und seine Wiederwahl unterstützen wird. Wenn Powell also im kommenden Jahr bei ersten Anzeichen einer Konjunkturschwäche überstürzt eine Kehrtwende in der Zinspolitik vornimmt, wird man ihm Wahlkampfhilfe vorwerfen.

Diesem Vorwurf ist er nun zuvor gekommen: Seinen Äußerungen können wir entnehmen, dass der US-Leitzins im kommenden Jahr dreimal gesenkt wird. Komischerweise erwarten Anleger nun bereits 6 Zinssenkungen bis Ende 2024. Die Erwartungen sind von der oben genannten Befürchtung der Deflation getrieben und kommen mir übertrieben vor.

Die Entscheidung Powells ist gut nachvollziehbar. Ich erinnere mich an seine Amtszeit unter Präsident Trump. Trump ließ kein gutes Haar an Powell und beschuldigte ihn fortwährend, gegen seine Politik zu arbeiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass Powell keine Lust auf Donald Trump als US-Präsident hat.

Neben der Deflationsgefahr und dem Präsidentschaftswahlkampf wird noch ein dritter Grund für die Kehrtwende diskutiert: Die US-Verschuldung.

Die US-Verschuldung ist in den vergangenen Jahren explodiert. Das war lange Zeit kein Problem, denn die Zinslast blieb aufgrund des niedrigen Zinsniveaus gering. Einige Marktbeobachter vermuten nun eine sprunghaft gestiegene Zinslast der US-Regierung als Grund für die überraschende Kehrtwende Jay Powells.

Die US-Regierung hat sich das Problem selbst eingebrockt. Vor anderthalb Jahren, als die Fed mit ihren Zinsanhebungen begann, wollte man ein Überspringen des Inflationsdrucks (hohe Zinsen) auf die langfristigen Anleihen verhindern. Je mehr langfristige Anleihen die US-Regierung ausgeben würde, desto größer wäre der Zinsdruck: Die Anleihen würden mit immer günstigeren Konditionen angeboten werden müssen, so dass der langfristige Zins stark gestiegen wäre.

Das war nicht der Fall. Der Grund liegt in einem Trick, den die US-Regierung angewendet hat: Sie hat ihren Finanzierungsbedarf von Bonds auf Bills umgestellt. Bonds sind lang laufende Anleihen. Bills sind Papiere mit kurzen Laufzeiten von rund einem Jahr.

Diese Papiere werden nun zur Refinanzierung fällig, und das just zu einem Zeitpunkt, wo das Zinsniveau seinen höchsten Wert erreicht hat. Die Zinslast der USA hat sich in den vergangenen zwei Jahren vervielfacht. Es gibt einige Berichte, in denen von einem unmittelbar drohenden Kollaps des US-Anleihemarktes gesprochen wird. Die Kehrtwende Powells, die umgehend zu einem Zinsrückgang führte, war diesen Berichten zufolge ein Manöver des letzten Augenblicks.

Wir haben also drei mögliche Gründe für die Kehrtwende: Deflationsgefahr, Wahlkampf und drohende Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung. Die Folgen sind jedoch gleich: Es droht eine Rückkehr der Inflation für 2025. Doch wer denkt schon heute an 2025? Erst einmal wird das niedrige Zinsniveau begrüßt. Ab jetzt können sich Anleger über schwache Konjunkturdaten freuen, denn sie bedeuten, dass die Zinssenkungen eher früher denn später erfolgen werden.

Und so ist das Ende der Rallye wohl eher als Pause zu betrachten. Die Pause kann durchaus länger andauern, wie wir insbesondere den Sentimentdaten entnehmen. Doch ein Crash ist derzeit wohl eher unwahrscheinlich.

Schauen wir uns mal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:
 

Wochenperformance der wichtigsten Indizes



 
INDIZES 22.10., 17:51 Uhr Woche Δ Σ '23 Δ
DAX 16.706  -0,3% 20,0%
S&P 500 4.764  0,9% 24,1%
Nikkei 33.169  0,6% 27,1%
Shanghai A  3.056  -0,9% -5,6%
Euro/US-Dollar 1,10 1,0% 3,0%
Euro/Yen 156,89 1,3% 11,8%
10-Jahres-US-Anleihe 3,90% -0,01 0,03
Umlaufrendite Dt 2,00% -0,08 -0,46
Feinunze Gold $2.059  1,3% 12,9%
Fass Brent Öl $78,70  2,4% -5,9%
Kupfer $8.593  0,3% 2,0%
Baltic Dry Shipping $2.219  -8,0% 46,5%
Bitcoin $43.645  3,7% 163,1%

 

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

Zurück zu Kapitalanlagen

© 2024 by ARNOLD & PARTNER

Diese Website verwendet Cookies zur Steigerung von Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Durch die weitere Nutzung unserer Website erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Schließen