ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wochenrückblick 20. April - 26. April 2020

Es wird länger dauern ...von Stephan Heibel
COVID-19: WAS WIR WISSEN

Gemäß Robert-Koch-Institut sind in Deutschland bislang 5.321 Menschen an Covid-19 verstorben. Der Tod tritt durchschnittlich 10 Tage nach Krankenhauseinlieferung ein, was wiederum rund 2-7, durchschnittlich 4 Tage nach Infektion geschieht. Vor 14 Tagen waren in Deutschland 118.260 Menschen positiv auf Corona getestet. Die entsprechende Sterberate beträgt also 0,045 = 4,5%. Nun wissen wir jedoch nicht, wie viele Menschen in Deutschland bereits infiziert sind und einen so milden Krankheitsverlauf hatten, dass sie nicht einmal getestet wurden. Die Schätzungen gehen hier von dem 4-10fachen der positiv Getesteten aus. Um diesen Faktor müssten wir die Sterblichkeit bereinigen. Die Sterberate könnte also irgendwo zwischen 0,4% und 1,1% liegen. Soweit meine unwissenschaftliche Bierdeckel-Rechnung.

Wenn wir nun die Bevölkerung durchseuchen wollen (60% der 80 Mio. Einwohner = 48 Mio.), könnten wir 192.000 bis 528.000 Tote zu beklagen haben. Sollte die Durchsuchung zu schnell vonstatten gehen, könnten es auch mehr werden. Unsere Kliniken wären schnell überfordert.

Viele Mediziner gehen dennoch von einer Sterberate von 0,2% oder kleiner aus. Andere wiederum ziehen die Sterberate von Regionen mit überlasteten Krankenhäusern heran, die deutlich über 1% liegt. Reagiert unsere Regierung also zu heftig, oder zu lax? Ich habe nach meinen Ausführungen am Freitag vor einer Woche viele Mediziner kontaktiert und Meinungen sowie Erfahrungen zusammengetragen. Eigentlich wollte ich zeigen, dass unsere Regierung aus politischen Gründen (Wiederwahl) tendenziell zu heftig reagiert, doch das ist mir nicht gelungen.

Der wichtigste Vorwurf, der gemacht werden kann, ist, das man bis heute nicht für eine brauchbare Datenbasis gesorgt hat. Ist es gerechtfertigt, unsere Grundrechte auszuhebeln, ohne Fakten präsentieren zu können? Reicht es, einfach nur aus Vorsicht heraus die heftigsten Einschnitte umzusetzen, die wir hier in den vergangenen 100 Jahren gehabt haben?

Für die erste Phase der Maßnahmen hatte ich volles Verständnis. Die Verlängerung haben bei mir Skepsis hervorgerufen, wie Sie in meiner Ausgabe vom vergangenen Freitag lesen konnten. Ein differenzierteres Vorgehen hätte ich mir gewünscht: Großveranstaltungen bleiben verboten, Risikogruppen sollten geschützt werden und in den anderen Bereichen sollte vorsichtig gelockert werden. Doch es fehlt an entsprechender Schutzausrüstung, ein weiterer Vorwurf an die Politik, sowie abermals eine gesicherte Datenlage. Wer genau gehört zur Risikogruppe? Raucher? Macht Heuschnupfen einen Menschen schon zum Risikopatient? Wenn dem so ist, bleibt ohnehin nur ein kleiner Teil der Bevölkerung übrig, der nicht zur Risikogruppe gehört.

Es bleibt also dabei: Deutschland entwickelt sich zum Musterknaben in dieser Pandemie, immer mehr Länder schauen auf unsere Erfolge bzw. Misserfolge. Wir können vieles kritisieren, doch im Vergleich zu anderen Ländern läuft es hier doch recht gut. Schweden ist ebenfalls im Fokus der Weltgemeinschaft: schafft es das Land, seine Bevölkerung ohne Kontaktsperren zu durchseuchen? Eine vorläufige Antwort erwarte ich in den kommenden ein bis zwei Wochen. Bis dahin verlängere ich nun meine abwartende Haltung gegenüber den Kontaktsperren in Deutschland. Zwar gibt die Datenlage keinen Grund für eine Einschränkung unserer Grundrechte, genauso wenig zeigt die Datenlage, dass eine Lockerung geboten ist. Warten wir's also ab und tragen wir Gesichtsmasken.

CHINA MAG GILAD REMDESIVIR NICHT

Gestern Abend wurde zum dritten Mal aus China eine negative Studie zum Hoffnungsträger Remdesivir von Gilead veröffentlicht. Das ehemalige Ebola-Medikament wirke nicht, so der Tenor. Gilead hat dem umgehend widersprochen und die Rahmenbedingung der chinesischen Studie beklagt. Bis Ende des Monats werde man Studienergebnisse aus den USA vorlegen, die nach gängigen Standards erstellt wurden, so das Unternehmen. Wenn man berücksichtigt, dass China diese Tests bereits vorzeitig eingestellt hatte, mangels Beteiligung, dann sind die nunmehr veröffentlichten Ergebnisse tatsächlich mehr als fragwürdig.

Die Hoffnung auf ein Medikament, das den Krankheitsverlauf deutlich mildern könnte, war gestern zunächst eingetrübt worden. Sollte Remdesivir, oder auch eines der anderen Medikamente, an denen derzeit geforscht wird, in den kommenden Tagen dennoch positive Daten veröffentlichen, wäre eine positive Reaktion in der Aktie zu erwarten.

FINGER WEG VON ETFS

Am Dienstag habe ich Ihnen im Rahmen eines Plus-Updates die Hintergründe zum Ölpreisverfall erklärt. Ein Fazit war, nicht in ETFs zu investieren, die Futures verwenden. Diese Warnung möchte ich heute noch ein wenig ausweiten: Alle ETFs und Indexzertifikate werden in dieser Marktphase suboptimal laufen.

Solche Produkte sind so etwas wie Körbe, in die alle Papiere gelegt werden, die ein bestimmte Kriterium erfüllen. Das Kriterium ist jedoch nicht "Corona-immun", sondern meistens ein Index wie bspw. der DAX. Damit kauft man sich also Anteile an Titeln wie Wirecard, dem Zahlungsanbieter der Zukunft, oder auch FMC, dem Anbieter von Medizintechnik. Beide Unternehmen haben gefragte Produkte, die Aktien laufen besser als der Markt.

Gleichzeitig haben Sie aber auch Unternehmen wie die Dt. Lufthansa oder MTU Aero dabei. Deren Geschäftsmodell ist durch die Coronakrise in Frage gestellt, Staatshilfen scheinen unvermeidbar. Und wie es einem Unternehmen geht, in dem der Staat mitmischt, haben wir an der Commerzbank gesehen: die ist bis heute nicht auf die Beine gekommen.

Warum also sollte man sich einen Aktienkorb ins Depot legen, der ausgewiesene Verlierer der Krise enthält? Das ist für mich nicht ersichtlich.

Wohin geht also die Reise an den Aktienmärkten? Da gibt es Aktien aus der Gesundheitsbranche, Technologieaktien und Goldaktien, die in Richtung Allzeithochs unterwegs sind. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl an Unternehmen, die mit harten Maßnahmen die Liquidität für die Krise sicherstellen und daher zu den Überlebenden gehören werden. Deren Aktien schwanken stark je nach Tagesmeldung. Und dann gibt es die Verlierer, die in dieser Krise ihr Geschäftsmodell verloren haben: TUI, Lufthansa, viele Banken, Amadeus Fire (Peronalvermittlung) und viele Immobiliengesellschaften. Deren Aktien stürzen an schwachen Tagen überproportional ab und erholen sich anschließend kaum.

Es bleibt die Hoffnung auf einen Impfstoff, doch diese Hoffnung wird immer weiter in die Zukunft verschoben. So übernimmt nun die Hoffnung auf ein Medikament die Aufgabe, Optimisten bei Laune zu halten. Doch wie schon die widersprüchlichen Ergebnisse aus den USA und China bzgl. Remdesivir zeigen, wird selbst ein erfolgreiches Medikament nicht so einfach anzuwenden sein wie eine Kopfschmerztablette. In meinen Augen ist es daher weiterhin zu früh, um auf eine Erholung der dritten Gruppe zu setzen.

Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

 
INDIZES 23.4.20 Woche Δ Σ '20 Δ
Dow Jones 23.479  -1,9% -18,0%
DAX 10.336  -2,7% -22,0%
Nikkei 19.262  -3,2% -18,6%
Shanghai A  2.944  -1,1% -7,6%
Euro/US-Dollar 1,08 -0,6% -3,5%
Euro/Yen 116,02 -0,8% -5,1%
10-Jahres-US-Anleihe 0,60% -0,01 -1,33
Umlaufrendite Dt -0,46% 0,01 -0,23
Feinunze Gold $1.713  1,5% 13,3%
Fass Brent Öl $21,45  -24,8% -68,8%
Kupfer 5.034  -1,3% -18,9%
Baltic Dry Shipping 672  -7,4% -38,3%
Bitcoin 7.532  6,7% 3,3%



Der Ölpreis war kurzzeitig bei -37 USD/Fass WTI, ist aber, wie am Dienstag im Update in Aussicht gestellt, wieder auf 17 USD/Fass zurück gesprungen - das europäische Brent blieb verhältnismäßig stabil bei 21 USD/Fass. Profitieren konnten wir von dieser Eskapade nicht, es ist nur ein weiteres Indiz, wie kaputt die Finanzmärkte sind: Öl, Wheaton Precious, Zinsen, ... ich werde mal eine Liste anfangen.

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

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