ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wochenrückblick 20. März - 24. März 2023

Vertrauen ist der Anfang von allem ...von Stephan Heibel
"Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt aus in bar" singt Marius Müller-Westernhagen in seinem Hit "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz". 

Heute früh waren die Credit-Default-Swaps (CDSs) für Anleihen der Deutschen Bank in die Höhe geschossen. Binnen einer Woche ist der Preis für eine Versicherung gegen Ausfälle auf Seiten der Deutschen Bank um 100% nach oben geschossen. 

Kein Wunder: Bei der Rettung der Credit Suisse wurden nachrangige Anleihen (AT1) der Bank für wertlos erklärt. Die absehbare Folge ist, dass in Europa alle Eigner von nachrangigen Bankanleihen ihr Kapital abziehen. So hat die Deutsche Bank heute früh bekannt gegeben, eine eigene AT1-Anleihe mit einem Volumen von 1,5 Mrd. USD, fällig im Jahr 2028, im Mai vorzeitig zu 100% zurückzukaufen. Es sollte ein Signal sein, dass man ausreichend Liquidität hat, um selbst vorzeitige Rückkäufe zu erwägen. Insgesamt hat die Deutsche Bank AT1-Anleihen in einem kleinen, zweistelligen Millionenvolumen ausstehen. 

Doch das war sehr kurzsichtig von CEO Christian Sewing. Ich habe in den vergangenen Wochen vielfach darauf hingewiesen, dass wir hier eine Vertrauenskrise haben. Es geht um das Vertrauen in die Banken, in unser Finanzsystem. "Vertrauen ist der Anfang von allem" lautete der Werbeslogan der Deutschen Bank im Jahr 1995. Das Vertrauen ist leider verloren gegangen. 

Nun stellen Sie sich die Nervosität der institutionellen Anleger an. Voller Angst sucht man das Finanzsystem nach dem nächsten schwachen Kandidaten ab, um frühzeitig reagieren zu können. Und in diese Situation hinein fühlt sich die Deutsche Bank genötigt, eine vertrauensbildende Maßnahme zu tätigen. 

Das Signal, das am Finanzmarkt aus dieser Aktion ankommt, ist: Aha, das ist der nächste schwache Kandidat. Rette sich wer kann! 

So initiiert oder befeuert man einen Bank-Run. 

Heute Mittag hat nun EZB-Chefin Christine Lagarde gesagt, dass man Instrumente aktiviert habe und einsetzen werde, sollte es zur Rettung einer großen Bank erforderlich sein. Mit dieser Aussage kann sie zur Stunde (14:15 Uhr) ein wenig zur Beruhigung beitragen. Doch die Deutsche Bank hat sich auf die Abschussliste gesetzt und wird dort nicht mehr so schnell verschwinden. Denn nach dem heutigen Tag wird jeder institutionelle Anleihen-Verantwortliche seine Position bei der Deutschen Bank überarbeiten und im Zweifel das Geld abziehen und an eine größere Bank, die UBS?, übertragen. 

Lassen wir uns überraschen, was sich die Politik (Scholz & Lagarde) am Wochenende ausdenken, um einen Bank-Run am Montag zu verhindern. 

Verunsicherung 
Die Verunsicherung am Markt ist groß. Vor einigen Tagen wurde mir mitgeteilt, dass es nichts bringe, sein Barvermögen über mehrere Banken zu streuen. Die Einlagensicherung über 100.000 Euro gelte nur per Staatsbürger, nicht je Bank. Wenn Sie also ein Barvermögen von 300.000 Euro auf drei Banken verteilt haben, würden Sie dieser Behauptung zufolge nur einmal 100.000 Euro bekommen, sollten alle drei Banken kaputt gehen. Doch diese Darstellung ist falsch: Die 100.000 Euro Einlagensicherung gilt je Bankkunde, also dreimal, wenn Sie bei drei unterschiedlichen Banken jeweils 100.000 Euro haben. 

In den USA hat die Notenbank bereits jeder Bank das Sonderrecht eingeräumt, Staatsanleihen, die aktuell unter par notieren (unter 100%), zu 100% zu beleihen. Damit steht den Banken die erforderliche Liquidität zur Verfügung, um einen eventuellen Bank-Run zu meistern. 

Dabei ist nicht wirklich klar, wie diese Anleihen bilanziert werden müssen. Nach deutschem HBG müssen Anleihen, deren Marktwert unter 100% notiert, entsprechend wertberichtigt werden. Anleihen, die vor einem Jahr mit einer Laufzeit von 10 Jahren ausgegeben wurden und mit 0% verzinst werden, notieren inzwischen unter 80% ihres damaligen Wertes. 

In diese vermeintlich sichere Anleihe wurden gigantische Summen angelegt, denn sie gelten ja als sicherer Hafen. 20% Wertverlust würde bei vielen Banken zu extremen Gewinneinbrüchen führen. Doch es gibt einen Ausweg: Man kann die Anleihen aufgrund der Fristenkongruenz (gleiche Laufzeit der Anleihen wie Kundeneinlagen) vom Umlaufvermögen in das Anlagevermögen umdefinierten und sie dann mit ihrem Anschaffungspreis oder Buchwert bilanzieren. Der Buchverlust bleibt also ein Buchverlust, der bis zur Fälligkeit der Anleihe wieder verschwinden wird, sofern das Geld nicht zuvor abgezogen wird. 

Da die Silicon Valley Bank diese Fristenkongruenz nicht befolgt hat, konnte sie diesen Trick nicht anwenden. Auch stand bei ihrem Zusammenbruch die US-Notenbank noch nicht parat, um die Anleihen zu 100% zu beleihen. Inzwischen dürfte es dieses Problem nicht mehr geben. 

Doch da diese Zusammenhänge nicht so leicht zu verstehen sind, bleibt eine gewisse Verunsicherung im System. Außerdem stand ja diese Woche die Zinsentscheidung der US-Notenbank an. Fed-Chef Jay Powell hat das in meinen Augen Richtige getan und den US-Leitzins um 0,25% angehoben. Vor zwei Wochen noch war man von einem Zinsschritt von 0,5% ausgegangen, nach den Turbulenzen im Bankensektor wurde auch ein Aussetzen der Zinsanhebungen diskutiert. Doch ein Aussetzen hätte gegebenenfalls als Nervosität auf Seiten der Fed interpretiert werden können, daher war der kleine Zinsschritt in meinen Augen richtig. 

Gleichzeitig betonte Powell, dass die Turbulenzen im Finanzmarkt überschaubar seien und es keinen Anlass gebe, dafür eine zu hohe Inflation zu riskieren. Dennoch werde man die Entscheidung über weitere Zinsanhebung je nach Datenlage zu gegebener Zeit treffen. Zudem, so Powell, betonte er, dass man wohl noch die eine oder andere Zinsanhebung vornehmen werde und das Zinsniveau lange auf hohem Niveau belassen werde, um die Inflation zu bekämpfen. 

Powell hat sich damit das Vertrauen der Märkte verdient, die Aktienmärkte stiegen nach seiner Pressekonferenz an. 

Nur kurze Zeit später sprach Finanzministerin Janet Yellen vor dem US-Kongress und sagte, es gebe seitens ihres Ministeriums keine Pläne, eine mögliche Bankrettung durch den Kongress absichern zu lassen. Schlimmer noch, sie sagte, es gebe derzeit keine entsprechenden Pläne, die man verfolge. 

Huch? Tagelang war von der impliziten Garantie gesprochen worden, mit der Kundeneinlagen bei jeglichen US-Banken gerettet würden, sollte eine weitere Bank pleite gehen. Diese implizite Garantie verhinderte weitere Bank-Runs. Unklar war nur, ob das Finanzministerium einen solchen Schritt ohne Zustimmung des Kongress unternehmen werde, oder aber sich die Zustimmung einholen werde. In ihrer Rede sagte sie nun, dass es gar keine Überlegungen zu einer solchen Garantie gebe. Es war eine politische Rede, denn Yellen weiß genau, dass Präsident Joe Biden nichts mehr hasst, als skrupellose Banken zu retten. 

Nach diesen Worten endete die Aktienmarktrallye abrupt. 

Nur einen Tag später revidierte sie ihre Aussage und betonte, dass man alle erforderlichen Instrumente aktiviert habe, um Finanzmarktturbulenzen zu begegnen. Klingt ähnlich wie Lagarde. 

Ein wenig Verunsicherung bleibt auch in den USA bestehen. Warum hat sie nicht darauf hingewiesen, dass sich alle Banken zu 100% mit ihren abgewerteten Anleihen refinanzieren können? 

Diese Zusicherung fehlt in Europa noch. Hier gibt es bislang lediglich die Blaupause der Credit Suisse Zwangsübernahme durch die UBS, bei der AT1-Anleihen für wertlos erklärt wurden. 

In den Medien spricht man nun davon, dass die Deutsche Bank ihre AT1-Anleihe zurückzahle, um sich "Liquidität" zu beschaffen. Das verstehe ich nicht, denn durch den Rückkauf fließt doch Liquidität ab ...? Leider kann ich nicht in Erfahrung bringen, wer die AT1 Anleihe (ISIN US251525AM33) hält. Vielleicht ist der Eigner dieser AT1-Anleihe von der Deutschen Bank in Liquiditätsnot und die Deutsche Bank hilft ihm durch die vorzeitige Rückzahlung? In diesem Fall ist anzunehmen, dass die beiden Institute miteinander verstrickt sind, so dass die Deutsche Bank ein Interesse daran hat, dem Geschäftspartner zu helfen. Die Auswirkungen hat sie dabei sicherlich unterschätzt. 

"Leistung aus Leiden schafft" Vertrauen, haben sich die Deutschbanker wohl in Anlehnung an ihren Slogan aus dem Jahr 2017 erhofft. 

Wir kennen das aus den Jahren 2007 bis 2009: Wenn "der Finanzmarkt" eine Bank in die Insolvenz treiben möchte, dann werden die CDSs hochgekauft. Mit überschaubarem Geldeinsatz kann dadurch der Eindruck im Markt platziert werden, das entsprechende Geldhaus habe Liquiditätsprobleme. Der daraus resultierende Bank-Run führt dann ungeachtet seiner Rechtfertigung tatsächlich zu Liquiditätsproblemen. 

Na, genug davon. Seit 1992 war ich lange Zeit der Überzeugung, dass unser Finanzsystem so marode ist, dass es höchstens noch ein Jahr funktionieren kann. Nachdem ich damit seit 30 Jahren Unrecht habe, würde es mich wundern, wenn ich heute damit Recht habe. Im Gegenteil: Der Instrumentenkasten der Politik ist unerschöpflich, solange die Bevölkerung der Politik vertraut. Die Politik reagiert lediglich manchmal etwas langsam. 

Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: 
 

Wochenperformance der wichtigsten Indizes



 
INDIZES 23.3.23 Woche Δ Σ '23 Δ
DAX 14.957  -0,5% 7,4%
S&P 500 3.941  -0,5% 2,6%
Nikkei 27.385  0,2% 4,9%
Shanghai A  3.423  0,5% 5,7%
Euro/US-Dollar 1,08 1,2% 0,4%
Euro/Yen 140,56 -0,7% 0,2%
10-Jahres-US-Anleihe 3,37% -0,21 -0,51
Umlaufrendite Dt 2,28% -0,01 -0,18
Feinunze Gold $1.985  2,8% 8,9%
Fass Brent Öl $74,92  -0,8% -10,4%
Kupfer $9.078  4,8% 7,7%
Baltic Dry Shipping $1.484  -4,9% -2,0%
Bitcoin $27.934  4,8% 68,4%


 

TikTok unter Beschuss im US-Kongress



"Ist ByteDance [die chinesische Muttergesellschaft von TikTok] in der Lage, Kundendaten auszuspionieren? Und kann sich die chinesische Regierung zu diesen Daten Zugang verschaffen?" wurde ByteDance CEO Shou Zi Chew gestern in einer Anhörung vor dem US-Kongress gefragt. Seine Antwort: "Ich würde nicht sagen, dass 'ausspionieren' der richtige Begriff ist." 

Unter Juristen ist eine solche Antwort gleichbedeutend mit "Ja". 

Es wird nicht kritisiert, dass TikTok zur Verblödung der Jugend beiträgt, denn dass machen die US-Unternehmen Facebook mit Reels und Alphabet mit YouTube Shorts genauso. Vielmehr wollen die USA chinesische Unternehmen aus dem Land treiben. TikTok soll in US-Hände gegeben werden, so der Vorschlag aus der Politik. 

Der Vorgang zeigt mir zweierlei: Zum einen wird erneut gezeigt, dass die USA konsequent gegen China vorgehen. Zum anderen würden Facebook und Alphabet profitieren, wenn TikTok Knüppel zwischen die Beine von TikTok geworfen werden. 

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

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