ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wochenrückblick 23. Januar - 27. Januar 2023

SAP besinnt sich aufs Kerngeschäft: FiBu & Logistik ...von Stephan Heibel

SAP vollführt Rolle rückwärts



Gestern hat Deutschlands größer Softwarekonzern SAP Q-Zahlen vorgelegt, die im Rahmen der Erwartungen liegen: 12% Umsatzwachstum auf 8,44 Mrd. Euro und 17% Gewinnwachstum auf 1,71 Mrd. Euro. Der Cloud-Umsatz ist um 30% auf 1,71 Mrd. Euro gewachsen. Für das Jahr 2023 prognostiziert SAP einen Gewinn von 8,8 - 9,1 Mrd. Euro, etwas mehr als von Analysten erwartet. Die Aktie war in den vergangenen drei Monaten um 30% angesprungen und gab gestern nach den Zahlen etwas ab.

3.000 Stellen möchte SAP weltweit streichen, das sind etwa 2,7% des Personals. CFO Luka Mucic erwartet davon Einsparungen in Höhe von 300 - 350 Mio. Euro. Ich werde weiter unten auf die Stellenstreichungen der IT-Branche gesondert eingehen.

Die eigentlich interessanten Themen befanden sich jedoch im Kleingedruckten. CEO Christian Klein möchte SAP auf das Kerngeschäft fokussieren. Qualtrics wurde 2018 vom damaligen CEO Bill McDermott gekauft, um die Online-Datenanalyse in die SAP-Produkte einzubinden. Es war der Versuch, dem erfolgreichen Wettbewerber Salesforce etwas entgegen zu setzen.

Während SAP ursprünglich in der Finanzbuchhaltung zu Hause war und seine Expertise auf die Beschaffungslogistik ausweiten konnte, punktete Salesforce beim Vertrieb und dem Kundenmanagement. SAP-Software wird daher als ERP (Enterprise Resource Planning) bezeichnet, während Salesforce CRM (Customer Relationship Management) anbietet.

Wer von Ihnen in einem großen Konzern arbeitet, weiß, dass der Vertrieb stets eine besondere Machtposition innehat, weil der Kontakt zum Kunden stets zu den wichtigsten Werten eines Unternehmens gehört. So müht sich SAP seit Jahrzehnten ab, insbesondere den CRM-Teil seines Softwarepakets zu verbessern.

Doch CEO Klein hat mit diesem Ziel nun gebrochen. Qualtrics als Köder für Vertriebsmannschaften wird abgestoßen. Online-Marktforschungsdaten sind laut CEO Klein auch in die SAP-Software integrierbar, wenn Qualtrics nur noch Partner und nicht mehr Tochter ist. Das heißt aber auch, dass Qualtrics seine Daten künftig auch Wettbewerbern, vielleicht sogar Salesforce, zur Verfügung stellen kann.

Außerdem würden die Stellenstreichungen insbesondere im Bereich der CRM-Software vorgenommen, da man dort nicht Marktführer sei. Das Unternehmen konzentriere sich auf seine Kernprodukte, mit denen man Marktführer sei und weltweit weiter Marktanteile hinzugewinne, so CEO Klein.

SAP hält noch 70% an Qualtrics. Beim aktuellen Kurs würde SAP die für 8 Mrd. USD übernommene Qualtrics zu etwas mehr als 8 Mrd. USD an den Markt bringen. Obwohl Qualtrics seinen Kundenstamm unter dem Dach von SAP in den vergangenen vier Jahren verdreifachen konnte, wird das Unternehmen nun Plusminus Null verkauft. Die Aktie von Qualtrics sprang gestern um 30% an. Daran ist ablesbar, dass SAP wohl eher eine Last für das Unternehmen darstellte.

Die 3.000 Stellen, die SAP abbauen möchte, befinden sich überwiegend im Bereich des CRM. So ist es ein Doppelschlag gegen die CRM-Ambitionen des Konzerns. Die Aktie von Salesforce, Tickersymbol CRM, ist gestern um 5% angesprungen. Allerdings hat Salesforce seine eigenen Meldungen, so dass der Kurssprung nicht 1:1 auf die Meldung von SAP zurückzuführen ist.

Gestern Abend war CEO Christian Klein im Interview auf CNBC zu sehen. Seine Botschaft sendete er gleich zweimal in dem 8 Minuten kurzen Interview: SAP hilft Unternehmen in drei Bereichen.

1. Im Bereich der Transformation, wenn also bspw. ein Energieversorger auf Wasserstoff umstellen wolle, könne er den Transformationsprozess mit Hilfe der SAP ERP-Software leichter umsetzen. Ich nehme an, er meint damit, dass SAP im Bereich der Finanzbuchhaltung Kunden aus jeglichen Branchen hat und somit entsprechende Umstellungen problemlos im Rahmen vorgefertigter Lösungen abbilden kann.

2. Im Bereich der globalen Beschaffungsketten müssen Unternehmen resistenter werden, also gleiche Vorprodukte von verschiedenen Lieferanten beziehen, um gegen geopolitische Probleme besser abgesichert zu sein und das Wachstum nicht aufgrund von Lieferengpässen zu gefährden. CEO Klein bezieht sich hier auf die Beschaffungslogistik im SAP ERP-System, das weltweit die meisten Lieferanten angebunden hat und somit reibungslose Prozesse bis hin zur Produktion der Fertigprodukte ermöglicht.

3. Nachhaltigkeit: SAP habe die Daten, die es Unternehmen ermöglichen, ESG-Kriterien zu erfüllen.

Damit hat er drei Bereiche in den Fokus gerückt, die derzeit das Tagesgeschäft in Deutschland dominieren: Energiewende, Lieferkettenengpässe und ESG-Kriterien. In den USA geht man jedoch andere Wege: Eine Energiewende braucht man dort nicht, die USA produzieren mehr Energie als sie benötigen. Die Lieferkettenprobleme werden nicht durch eine globale Streuung gefestigt, sondern durch einen Fokus auf die heimische Produktion. Und ESG ist in den USA nice to have. Die ESG-Kriterien gelten als willkürlich oder leicht manipulierbar und eine neutrale, objektive ESG-Bewertung sieht man in den USA noch in weiter Ferne.

Auf den beabsichtigten Verkauf von Qualtrics angesprochen führt Klein an, es sei aus geschäftlicher Sicht kein Unterschied, ob die Partnerschaft mit der Tochter oder dem Partner Qualtrics fortgeführt werde. Für die Anleger jedoch sei der Verkauf vorteilhaft, da man gebundenes Kapital in den Konzern zurück hole.

Spätestens nach dieser Aussage hat sich für mich mein Blick auf SAP, das einstige Vorzeigeunternehmen Deutschlands, gefestigt: Der Konzern konzentriert sich auf ERP-Software im Bereich der Finanzbuchhaltung und der Beschaffungslogistik. Ein Wachstum von 5-8% p.a. lässt sich in diesem Bereich ohne mutige Investitionen bewerkstelligen. Höhere Wachstumszahlen sind jedoch nicht zu erwarten, da die Ziele im Bereich des CRM nun aufgesteckt wurden.

Bislang lag die Dividendenrendite meist unter 2% und ist somit zu niedrig für eine Dividendenaktie in unserem Portfolio (mind. 2,5%). Alle anderen Kriterien werden jedoch erfüllt, so gab es bspw. in den vergangenen Jahren jedes Jahr eine Dividendenerhöhung. Nur ein Drittel des Konzerngewinns wird als Dividende ausgeschüttet. Und das Gewinnwachstum ist aufgrund der Umstellung auf die Cloud kontinuierlich überproportional zum Umsatzwachstum.

Ein großer Wermutstropfen stellt das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm dar: 10% des Umsatzes gingen im Jahr 2021 in Form von SBCs (Aktienausschüttungen) an Mitarbeiter. Ich kenne SAP als sehr mitarbeiterfreundliches Unternehmen. Doch 10% vom Umsatz ist eine Ziffer, die aus dem Rahmen fällt. An die Aktionäre wird eine Dividende in Höhe von 2,28 Mrd. Euro ausgeschüttet, das sind 8% des Umsatzes.

Meine Einschätzung: Immerhin hat CEO Christian Klein die Nachricht verstanden, dass ausufernde Kosten in konjunkturell anspruchsvollen Zeiten nicht toleriert werden. Doch seine Kosteneinsparungen beziehen sich auf Projekte, in denen Phantasie für künftiges Wachstum steckte. Gleichzeitig kündigt er an, die eingesparten Mittel verstärkt in die Überarbeitung des Kerngeschäfts zu stecken. Das verunsichert Kunden, denn die waren davon ausgegangen, dass die Kernprodukte bereits State of the art sind. Gleichzeitig verunsichert das auch Aktionäre, die sich nun fragen, wo denn künftiges Wachstum herkommen soll.

Grundsätzlich ist es natürlich nicht verkehrt, das eigene Produkt sauber aufzustellen und die eigene Kernkompetenz auszubauen. Doch das höre ich von SAP seit 30 Jahren und ich warte vergeblich darauf, dass die tolle Software mal dafür eingesetzt wird, einen neuen Geschäftsbereich als Erstes zu besetzen. SAP wird damit immer mehr zum "Versorger" der Softwareindustrie, ein Basisinvestment ohne große Marge. Solche Unternehmen sind gute Dividendenbringer, doch eine attraktivere Dividende wird durch eine zu hohe Mitarbeiterbeteiligung vereitelt.

 

Stellenstreichungen



Sie wissen, dass die rückläufigen Inflationszahlen bei mir noch nicht unbedingt für Entspannung sorgen. Mittelfristig, also auf Sicht von 12-18 Monaten, kann sich die Inflation durchaus abmildern. Das liegt zum einen am Basiseffekt (die Vorjahreszahl ist irgendwann bereits auf dem höheren Niveau, so dass der weitere Anstieg prozentual kleiner ausfällt) und zum anderen an den nachlassenden Lieferkettenproblemen. Die Rohstoffpreise sind überwiegend bereits wieder auf das Niveau von Mitte 2021 zurückgefallen.

Doch die Entscheidung, ob wir ein Jahrzehnt hoher Inflation wie in den 1970ern bekommen oder nicht, findet auf dem Arbeitsmarkt statt. Es gibt derzeit weder in Deutschland, noch in den USA eine nennenswerte Arbeitslosigkeit. Wir Volkswirte bezeichnen eine Arbeitslosenquote von 4% als "Vollbeschäftigung", da wir schätzen, dass zu jedem Zeitpunkt etwa 4% aller Angestellten sich neu orientieren. Eine niedrigere Arbeitslosenquote ist daher eigentlich nicht möglich.

Obwohl wir auf einen Konjunkturabschwung zulaufen, haben wir in Deutschland eine Arbeitslosenquote von nur 5,4%. In den USA beträgt die Arbeitslosenquote aktuell sogar nur 3,5%. Für das Jahr 2023 wird ein stabiler Arbeitsmarkt prognostiziert. Um die Bedeutung dieser Prognose besser einzuordnen, habe ich mal die letzten Meldungen für Sie zusammen gestellt:

Alphabet CEO Sundar Pichai verkündete die Streichung von 12.000 Stellen, 6% der globalen Beschäftigten.

Microsoft setzt 10.000 Mitarbeiter frei, 5% der Mitarbeiter.

Amazon CEO Andy Jassy verkündete die Streichung von 18.000 Stellen, rund 1,1% der 1,6 Mio. Mitarbeiter. Während der Corona-Pandemie hatte Amazon 300.000 neue Mitarbeiter eingestellt.

Salesforce kürzt die Belegschaft um 10% bzw. 7.000 Mitarbeiter.

Meta Platforms war schon schneller, denn bereits im November wurde die Streichung von 11.000 Mitarbeitern bzw. 13% der Belegschaft angekündigt. CEO Mark Zuckerberg machte diese Ankündigung und erzeugte damit einen Kursrutsch von 25%.

Spotify kürzt die Belegschaft um 6% bzw. 600 Stellen.

Heute geht's nun los mit wirklich nennenswerten Stellenstreichungen: Spielzeughersteller Hasbro (Monopoly, Cluedo) warnt vor einem schwachen Weihnachtsgeschäft, feuert den COO (Chief Operative Officer) und streicht 1.000 Stellen, was 15% der Belegschaft entspricht.

Trotz dieser wachsenden Liste von Entlassungswellen bleibt der Arbeitsmarkt im Jahr 2023 angespannt: Fachkräftemangel und hohe Lohnforderungen bestimmen die Schlagzeilen. Die frei werdenden Arbeitskräfte werden offensichtlich ohne Probleme von anderen Arbeitgebern aufgesogen. Druck auf das Lohnniveau ist nicht zu erkennen. Und damit bleibt der Treiber einer möglichen zweiten Welle der Inflation intakt: Lohnsteigerungen führen zu mehr Geld im Portemonnaie der Bevölkerung und damit zu einer höheren Kaufkraft beim Konsumenten.

Gleichzeitig drehen die Frühindikatoren für die Konjunktur schon wieder ins Grüne: ifo-Geschäftserwartung kam besser rein als erwartet, US-Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe waren niedriger als erwartet, der Einkaufsmanagerindex in Deutschland lag über den Erwartungen und zeigt schon wieder ein anziehendes Geschäft.

Nächste Woche wird der US-Notenbankchef Jay Powell seine Zinsentscheidung bekannt geben. Es wird ein Zinsschritt von "nur" 0,25% erwartet. Wichtiger werden seine Worte sein. Einige Volkswirte erwarten bereits, dass keine weiteren Zinsanhebungen mehr folgen werden. Die Mehrzahl geht von noch einem kleinen Zinsschritt am 22. März aus.

Ich gehe davon aus, dass Jay Powell die konjunkturelle Entwicklung und deren Auswirkung auf die Inflation ähnlich kritisch verfolgt wie ich. Daher werden seine Worte meiner Einschätzung nach einmal mehr hart ausfallen und keine Signale der Entspannung senden. Im Gegenteil, er dürfte erneut betonen, dass weitere Zinsschritte erforderlich sein werden, um die Inflation im Zaum zu halten. Wie viele wird er offen lassen. Doch die Formulierung könnte für diejenigen eine Überraschung sein, die nur noch eine erwarten.

Bei Christine Lagarde bin ich mir nicht sicher, da bei ihr keine volkswirtschaftlichen Kenntnisse vorhanden zu sein scheinen. Immerhin hat sie zuletzt in Davos betont, dass Sie weiterhin den Leitzins in Europa anheben werde. Oberstes Ziel sei, die Inflation einzudämmen.

Lagarde ist einen Tag nach Powell dran. Nachdem sie viel zu spät mit den Zinsschritten begonnen hat, scheint sie sich nun mit Powell abgesprochen zu haben. Ich könnte mir vorstellen, dass sie dieses Mal ähnlich strikt weitere Zinsanhebungen in Aussicht stellen wird wie Powell.

Schauen wir nun einmal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes.
 

Wochenperformance der wichtigsten Indizes



 
INDIZES 26.1.23 Woche Δ Σ '23 Δ
DAX 15.150  0,8% 8,8%
S&P 500 4.071  3,6% 6,0%
Nikkei 27.383  3,1% 4,9%
Shanghai A  3.422  0,0% 5,7%
Euro/US-Dollar 1,09 0,2% 1,4%
Euro/Yen 141,00 0,2% 0,5%
10-Jahres-US-Anleihe 3,53% 0,03 -0,35
Umlaufrendite Dt 2,25% 0,12 -0,21
Feinunze Gold $1.929  0,2% 5,8%
Fass Brent Öl $86,34  -0,8% 3,2%
Kupfer $9.360  0,8% 11,1%
Baltic Dry Shipping $677  -15,5% -55,3%
Bitcoin $23.162  8,4% 39,6%


Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

Wer un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte un- oder überpersönliche Schreib- oder Redeweisen in Umlauf setzt, wird mit Lust-, manchmal auch mit Erkenntnisgewinn belohnt; und wenn alles gut geht, fällt davon sogar etwas für Sie ab. (frei nach Robert Gernhardt) Wir recherchieren sorgfältig und richten uns selber nach unseren Anlageideen. Für unsere eigenen Transaktionen befolgen wir Compliance Regeln, die auf unsere eigene Initiative von der BaFin abgesegnet wurden. Dennoch müssen wir jegliche Regressansprüche ausschließen, die aus der Verwendung der Inhalte des Heibel-Tickers entstehen könnten. Die Inhalte des Heibel-Tickers spiegeln unsere Meinung wider. Sie stellen keine Beratung, schon gar keine Anlageempfehlungen dar. Die Börse ist ein komplexes Gebilde mit eigenen Regeln. Anlageentscheidungen sollten nur von Anlegern mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen vorgenommen werden. Anleger, die kein tiefgreifendes Know-how über die Börse besitzen, sollten unbedingt vor einer Anlageentscheidung die eigene Hausbank oder einen Vermögensverwalter konsultieren. Die Verwendung der Inhalte dieses Wochenrückblicks erfolgt auf eigene Gefahr. Die Geldanlage an der Börse beinhaltet das Risiko enormer Verluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

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