ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wochenrückblick 29. Juni - 3. Juli 2015

Gemeinsamer Feind ist kraftvoller als hehres Ziel ...von Stephan Heibel
Ich denke nicht, dass ich hier noch groß auf die einzelnen Entwicklungen des Griechenland-Dramas im Detail eingehen muss. Für mich ist die Situation ziemlich klar: Griechenland entscheidet sich am Wochenende für den Euro und damit gegen die derzeitige Regierung, oder aber Griechenland entscheidet sich für die Empfehlung der eigenen Regierung und damit gegen die EU.

Es geht schon lange nicht mehr ums Geld, wenn Sie sich den veröffentlichten letzten Vorschlag der EU anschauen. Darin wird sogar eine Umschuldung in Aussicht gestellt, wenn nur endlich einmal Reformen umgesetzt würden. Und es gibt ein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Mrd. Euro, mit dem die griechische Wirtschaft angekurbelt werden soll. Dieses Angebot auszuschlagen war ein Fehler von Tsipras und nun ist es am Volk, den Schaden auf Tsipras zu übertragen und ihn aus dem Amt zu jagen, oder aber für seinen Fehler gerade zu stehen und auf diese Hilfen zu verzichten. Wir werden das Ergebnis am Montag erfahren.

Auf die eine oder andere Seite zu spekulieren halte ich für ein Lotteriespiel. Zwar kann ich mir gut vorstellen, dass ein klares Ergebnis endlich Gewissheit über die Position der Griechen schafft und somit von den Finanzmärkten, wie auch immer das Votum ausfallen wird, begrüßt wird. Doch darauf wetten möchte ich nicht, zumal Tsipras und Varoufakis derzeit mit einer Stimme sprechen und Euroland 18 Stimmen unter einen Hut bringen muss. Da sind weitere Turbulenzen nicht auszuschließen.

Wir haben diese Woche ein wenig Cash generiert, für alle Fälle. Die Börsenkurse werden durch die Politik bewegt und da wäre es unverantwortlich, voll investiert zu sein.

Doch es gibt eine ganze Menge Unternehmensmeldungen, die Mut machen. So dreht sich beispielsweise das Übernahme-Karussell wieder schneller. Potash hat am Montag ein Übernahmeangebot für unsere K+S (Kali & Salz) auf den Tisch gelegt, das um 30% über dem aktuellen Börsenwert liegt. Paypal wird erst in zwei Wochen von Ebay abgespalten, geht aber schon mal auf Einkaufstour und kauft für 890 Mio. USD den Zahlungsabwickler Xoom. Auch bei diesem Deal springen beide Aktien, also sowohl die des gekauften Unternehmens Xoom, was normal ist, als auch die des Käufers Paypal, bzw. noch Ebay, kräftig an. Das US-Biotechunternehmen Celgene kauft den kleinen Biotech-Forscher Juno Therapeutics (mehr dazu unter Updates). Und das schweiz-amerikanische Versicherungsunternehmen ACE kauft für 28 Mrd. USD den Edelversicherer Chubb. Chubb hat den Ruf, sehr teure Dinge teuer zu versichern aber dann auch ohne weitere Fragen zu zahlen, wenn ein Versicherungsfall eintritt. Chubb sprang um 33% an, ACE um 6%.

Und heute gibt der US-Gesundheitsdienstleister Aetna bekannt, den Rivalen Humana für 37 Mrd. USD zu schlucken. In die Branche der Gesundheitsdienstleister ist Bewegung gekommen, seit Obamacare neue Möglichkeiten zum Kostensparen in der Gesundheitsbranche eröffnet hat. Gesundheitsdienstleister schließen Rahmenverträge mit Pharmakonzernen und Apothekenverbänden ab und bieten die vereinbarten Preise dann ihren Kunden, den Unternehmen, die ihre Mitarbeiter über sie krankenversichern, an. Humana notiert aktuell mit 15% im Plus, Aetna mit 1%.

Es ist nichts besonderes, dass die Aktien der übernommenen Unternehmen einen Sprung machen, in der Regel ziemlich genau auf das Preisniveau, das zum Kauf des Unternehmens geboten wurde. Die Aufschläge zur aktuellen Marktkapitalisierung sind jedoch mit 15-35% in meinen Augen ziemlich hoch. Und dennoch können auch sämtliche Aktien der kaufenden Unternehmen zulegen, was signalisiert, dass auch der hohe Übernahmepreis aus Sicht der Anleger noch immer gerechtfertigt ist.

Mit anderen Worten: Es gibt viele günstige Aktien an der Börse. Wir befinden uns nicht in einer Blase oder Übertreibung, eher im Gegenteil. Vor dem Hintergrund der politischen Börse brauchen Sie jedoch gegebenenfalls einen langen Atem und gute Nerven, um die politische Entwicklung durchzustehen.

Schauen wir einmal auf die wöchentliche Entwicklung der wichtigsten Indizes:

Wochenperformance der wichtigsten Indizes

Indizes 02.07.2015 Änderung Vorwoche
Dow Jones 17.730 -1,2%
DAX 11.099 -3,4%
Nikkei 20.540 2,0%
Euro/US-Dollar 1,11 0,6%
Euro/Yen 136,57 1,1%
10-Jahres-US-Anleihe 2,39% -0,08
Umlaufrendite Dtl. 0,71% 0,02
Feinunze Gold 1.168$ -1,3%
Fass Brent Öl 61,93$ -0,5%
Kupfer 5.797$ -0,1%
Baltic Dry Shipping 794 -3,5%

Die Griechen haben den Verhandlungstisch vor einer Woche verlassen, wohl wissend, dass dadurch die Voraussetzungen für eine Verlängerung des EFSF verfallen würden. Insbesondere der DAX, der in den internationalen Medien als größter Profiteur des Griechenland-Dramas gesehen wird, verlor dadurch heftig, das Wochenminus von 3,4% ist deutlich größer als die Verluste im Dow Jones (-1,2%).

Doch an katastrophale Auswirkungen des Griechenland-Dramas auf die Finanzmärkte, einmal abgesehen vom exportstarken Deutschland, sehen Anleger nichts. Anders kann ich mir den Rückgang im Goldpreis (-1,3%) sowie die Erholung im Euro (+0,6%) trotz der dramatischen Zuspitzung der Ereignisse nicht erklären. Auch der Sichere Hafen der deutschen Staatsanleihen bleibt unbeeindruckt von dem Chaos (keine Veränderung).

In meinen Augen handelt es sich um angelsächsische Stimmungsmache gegen Deutschland. Da ich überwiegend im englischsprachigen Internet unterwegs bin kenne ich die Argumente gut. Da wird die Argumentationslinie von Tsipras übernommen und Fakten wie das angebotene 35 Mrd. Euro Hilfsprogramm oder der Umstand, dass die Euro-Finanzminister schließlich einstimmig das Angebot auslaufen ließen, werden unterschlagen. Sämtliche Auseinandersetzungen werden als Kampf Tsipras gegen Merkel und Varoufakis gegen Schäuble dargestellt.

Ich gehe daher davon aus, dass die Realität im angelsächsischen Raum für Überraschung sorgen wird. Man wird überrascht sein von der Einigkeit innerhalb der Eurogruppe ohne Griechenland. Und diese Einigkeit ist ein Resultat der spieltheoretischen Vorgehensweise von Varoufakis: er hat sämtliche Euroländer damit gegen sich aufgebracht. Und manchmal ist ein gemeinsames Feindbild kraftvoller als ein hehres Ziel.

So verdanken wir den Griechen also zumindest eines: Einigkeit im Euroland. Ich hoffe, dass dennoch ein Weg gefunden wird, um dem griechischen Volk nach dem Referendum schnell zu helfen. Hoffen wir, dass mit einer neuen Regierung ein Austritt aus der EU (Euroland ist mir egal) vermieden werden kann.

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

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