ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wochenrückblick 30. November - 4. Dezember 2020

Spreu wird vom Weizen getrennt ...von Stephan Heibel
Während die breiten Aktienmarktindizes diese Woche kaum Bewegung zeigten (DAX -0,8%, Dow Jones +0,2%), gab es unter der Haube um so größere Bewegungen in Einzeltiteln: Spotify +15%, Zoom Video -17%, TUI -13%. Schauen wir uns die Drei mal näher an.

ZOOM VIDEO SIGNALISIERT DAS ENDE DER CORONA-PANDEMIE

Am Montag abend hat Zoom Video Quartalszahlen vorgelegt. Der Umsatz ist um 366% auf 777 Mio. USD gesprungen und lag um 29% höher als erwartet. Der Gewinn sprang auf 66 Cents je Aktie und lag um 27% über den Erwartungen. Die Unternehmensprognose wurde angehoben. Das war ein lupenreines "Beat and raise", also ein Übertreffen der Erwartungen und Anheben der Unternehmensprognose. Aber die Aktie wurde ausverkauft: Gewinnmitnahmen würde man im ersten Augenblick sagen.

Auch auf den zweiten Blick bleibt die Diagnose "Gewinnmitnahme" gültig. Ich würde aber zufügen, dass wir hier das Ende der Zoom Diode Rallye sehen. Die Corona-Blase, die sich um viele Corona-Profiteure gebildet hat, wurde mit einem Nadelstich zum Platzen gebracht. Nicht einmal der Titel, der am meisten von Corona profitierte, konnte mit einem lupenreinen Quartalsergebnis die Euphorie am Leben erhalten. Anleger sehen das Licht am Ende des Corona-Tunnels (Impfstoffe) und nutzen jede Gelegenheit zum Umschichten von Corona-Profiteuren in zyklische Nach-Corona Aktien.

Natürlich wird Zoom in der Welt nach Corona ein fester Bestandteil des Berufs- und Privatlebens sein. Ein Zurück zum Leben ohne Video-Konferenzen, wie vor Corona, wird es nicht geben. Aber die Wachstumsraten bei Zoom werden nicht mehr über 300% liegen und die Alternativlosigkeit der Corona-Profiteur-Aktien für Anleger endet, es gibt nun auch andere Aktien, die man ins Depot holen kann.

Zwischenzeitlich hatte Zoom Video eine Marktkapitalisierung von dem 75-fachen des für 2021 erwarteten Jahresumsatzes. Die Gewinnmarge bei Zoom Video liegt bei 22%, wird auch auf absehbare Zeit nicht sonderlich steigen. Im Jahr 2021 könnte Zoom Video einen Gewinn von 500 Mio. USD einfahren. Bei einem KGV für ein Wachstumsunternehmen von bspw. 100, um dem explosionsartigen Wachstum Rechnung zu tragen (20 wäre schon hoch), kämen wir auf 50 Mrd. USD Marktkapitalisierung. Für die derzeit aufgerufenen 136 Mrd. USD fehlt mir die Phantasie.

Und genau diese Phantasie fehlt offensichtlich auch den anderen Anlegern. Zoom Video wird nun um die Corona-Phantasie bereinigt, die Aktie dürfte mMn erst dann aufprallen, wenn ein Kursniveau erreicht wird, das sich ansatzweise mit abenteuerlichen Bewertungsmethoden rechtfertigen lässt. Das ist derzeit nicht der Fall.

SPOTIFY GELINGT GUERILLA-MARKETINGERFOLG MIT JAHRESRÜCKBLICK 2020

Die Aktie von Spotify ist diese Woche um 15% angesprungen, doch in der Finanzwelt gab es keine nennenswerten Meldungen zu Spotify. Der Grund für den Kurssprung ist der Jahresrückblick auf das Jahr 2020, den Spotify diese Woche veröffentlichte: Individuell nach Land, Region und bis auf den Nutzer erstellt werden interessante und witzige Erkenntnisse präsentiert. Schauen Sie mal in den Nachrichten nach dem Spotify Jahresrückblick 2020, Sie werden unzählige Artikel finden, die darüber berichten.

Über die Teilen-Funktion und über WhatsApp und diverse andere soziale Kanäle hat Spotify hier einen Marketing-Erfolg gelandet, mit dem viele Nicht-Kunden erreicht werden. Kostenlose Werbung, die weltweit eingeschlagen ist! Das wird sich in den kommenden Quartalen durch steigende Kundenzahlen zeigen.

Spotify ist eine Aktie, die dank Corona einen Wachstumsschub erfahren hat, jedoch auch nach Corona weiter kräftig wachsen wird. Und besser noch, das Kurs/Umsatz-Verhältnis ist nicht bei 75, wie bei Zoom Video, sondern bei 5. Das ist zwar noch immer hoch, aber im Umfeld der High-Flyer durchaus angemessen. Zudem erfüllt Spotify weiterhin die Rule 40: 45% Umsatzwachstum bei 0% Gewinnmarge ergibt einen Wert von 45.

Anmerkung: Spotify befindet sich in unserer Heibel-Ticker Portfolio.

TUI WIRD ZUM STAATSKONZERN

TUI hat diese Woche weitere Corona-Hilfen bekommen. Insgesamt belaufen sich die Corona-Hilfen und Kredite auf 4,2 Mrd. Euro. Leider wird der Staat als 25%-Anteilseigner bei TUI einsteigen.

Ich verstehe nicht, was mit unserer sozialen Marktwirtschaft los ist: TUI war vor Corona eines der wenigen Unternehmen, das gesund war. Während des Lockdowns wurde der Umsatz auf Null gesetzt, das Geschäftsmodell war durch eine Pandemie vorübergehend obsolet. Wir als Bürger können uns nun überlegen, ob wir TUI über die Pandemie bringen wollen, oder pleite gehen lassen. Ich finde es richtig, dass man ein Unternehmen, das unverschuldet in eine finanzielle Notlage kam, rettet. Das ist gut für die Arbeitsplätze und für die Branche.

Für das eingegangene Risiko der finanziellen Unterstützung ist es auch legitim, wenn der Staat mehr zurück bekommen möchte, als er investiert. Ob über Zinsen oder Gewinnbeteiligung ist mir da inzwischen egal.

Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum der Staat zwei Sitze im Aufsichtsrat beansprucht. Strukturell hatte TUI doch kein Problem. Warum möchte der Staat nun in den Geschäftsbetrieb von TUI eingreifen? Genau wie bei der Lufthansa werden hier unter dem Vorwand der Pandemie zwei strukturell gut aufgestellte Konzerne unseres Landes teilverstaatlicht.

Und die Tinte unter dieser Vereinbarung ist noch nicht trocken, da kommt schon die Gewerkschaft mit der Forderung nach Beschäftigungsgarantien. "Wichtig ist, dass deutsches Steuergeld hilft, deutsche Firmen und deutsche Arbeitsplätze zu schützen" fordert die Gewerkschaft Cockpit. Ich hätte eine solche Wortwahl eher der rechten Ecke zugeordnet. Sowohl bei Lufthansa als auch bei TUI werden Szenarien durchgerechnet, wie das Geschäft in den kommenden Jahren auf das Vor-Coronaniveau zurückgeführt werden kann. Man spricht von drei Jahren und mehr, manche gehen sogar davon aus, dass wir vor Corona eine langfristige Spitze bei Flugreisen gesehen haben. Warum müssen dann alle Arbeitsplätze bewahrt werden? Warum hindert man die Wirtschaft, Fachkräfte in einer Branche mit Absatzproblemen freizusetzen, damit andere Branchen, die händeringend gute Leute suchen, darauf zugreifen können?

Aber so ist das halt im Kommunismus, wo der Staat besser zu wissen meint, was gut ist für das Volk.

SPLUNK VERSUS SNOWFLAKE

Splunk bereitet die Daten eines Unternehmens in Echtzeit auf und liefert mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (AI) Auswertungen zu Sicherheitsthemen, nimmt sich aber auch Fragen zur Geschäftsstruktur vor. Splunk ist gestern nach enttäuschenden Q-Zahlen um 23% eingebrochen.

Snowflake bereitet die Daten eines Unternehmens in Echtzeit auf und überlässt deren Auswertung Drittanbietern. Snowflake ist gestern nach überragenden Q-Zahlen um 16% angesprungen.

Ich hatte über die Rochade in der IT-Welt geschrieben, die SAP als Verlierer hinterließ: ex-CEO Bill McDermott ging vor einem Jahr von SAP (seither -11%) zu ServiceNow (seither +94%). ServiceNow CEO Frank Slootman ging zum Börsenaspiranten Snowflake und brachte das Unternehmen erst im September an die Börse. Seither ist die Aktie um 34% angesprungen und notiert derzeit auf einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 200. Hatte ich weiter oben gesagt, dass Zoom Video mit einem KUV von 75 das teuerste Unternehmen sei? Hmm, da muss ich mich korrigieren.

In den USA hat man längst den Wert der Daten begriffen. Es ist dort nicht mehr lukrativ, die eigenen Daten weitgehend auszuschlachten, sondern es ist notwendig, um im Wettbewerb zu überleben. Und da ist natürlich eine flexible Lösung besser als eine ziemlich spezialisierte: Splunk hat sich auf einen Bereich spezialisiert und erhöht die Sicherheit im Unternehmen. Das reicht vom Datensammeln bis zur Auswertung. Snowflake hingegen begnügt sich mit dem Datensammeln und bezieht dabei jedoch alle Datenquellen ein. Insbesondere die gute Anbindung von Snowflake an die Cloud-Anbieter Microsoft Azure, Amazon AWS und Google Cloud, bei denen Kunden auf Daten zugreifen können, die über diese Dienste verteilt sind, geben Snowflake eine besonders breite Kundenbasis.

Natürlich hilft bei Snowflake, dass CEO Slootman zuvor EMC zum Erfolg führte, 2011 bis 2019 dann ServiceNow groß machte und in der Branche hoch geschätzt ist. Zudem ist Snowflake bereits eng verzahnt mit Salesforce, Salesforce besitzt sogar Anteile an Snowflake. Übrigens genau wie Warren Buffet. Und spätestens bei diesem Großaktionär werden nun auch die Value-Anleger aufmerksam: Was macht Warren Buffet in einer Aktie, die mit dem 200-fachen KUV bewertet ist? Irgendwas muss dran sein an dem Unternehmen.

Es hat den Anschein, dass der offene Ansatz von Snowflake bei Wettbewerbern wie Splunk zu Problemen führt.

Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

 
INDIZES 3.12.20 Woche Δ Σ '20 Δ
Dow Jones 30.120  0,7% 5,1%
DAX 13.269  -0,6% 0,2%
Nikkei 26.751  0,4% 13,1%
Shanghai A  3.611  1,1% 13,3%
Euro/US-Dollar 1,22 1,7% 8,5%
Euro/Yen 126,47 1,8% 3,5%
10-Jahres-US-Anleihe 0,98% 0,13 -0,96
Umlaufrendite Dt -0,56% 0,03 -0,33
Feinunze Gold $1.836  2,9% 21,4%
Fass Brent Öl $49,12  2,3% -28,6%
Kupfer 7.661  3,5% 23,4%
Baltic Dry Shipping 1.189  -2,5% 9,1%
Bitcoin 19.384  13,3% 165,8%



Neue Allzeithochs im Bitcoin (+13%) sind meiner Einschätzung nach nicht zuletzt auf die Nachfrage seitens Paypal (befindet sich im Heibel-Ticker Portfolio) zurückzuführen: Paypal hat in den vergangenen Monaten Berichten zufolge 70% der neu geschürften Bitcoins aufgekauft. Das würde bei einem Bitcoin-Mengenwachstum von 3,7% p.a. einen Betrag von rund 1 Mrd. USD pro Monat ausmachen. Nicht schlecht, oder?

Zum Jahresanfang können dann Händler und Kunden per Bitcoin zahlen. Ich würde erwarten, dass sich dann eine Konsolidierung dieses Effekts einstellt. Aktuell auf dem Allzeithoch des Bitcoins würde ich also nicht mehr aufspringen. Vielmehr gehe ich davon aus, dass wir noch eine letzte Chance bekommen, den Bitcoin vielleicht 10-20% günstiger als heute zu bekommen.

Dafür spricht auch der Angst und Gier Indikator des Bitcoins, der aktuell bereits seit Anfang November auf absoluten Höchstständen seit seiner Einführung Anfang 2018 notiert. Lediglich im Juni 2019 war dieser Indikator schon einmal so hoch, wenn auch nur für zwei Wochen. Im Juni 2019 wurde ein Zwischenhoch im Bitcoin bei 13.800 USD geschrieben, es folgte eine Konsolidierung bis auf 6.450 USD im Dezember 2019 (-54%). Den Ausverkauf im Coronacrash auf 4.000 USD brauchen wir bei dieser Betrachtung gar nicht berücksichtigen, das würde ich als Anomalie verbuchen.

Ich gehe davon aus, dass der Bitcoin im Zeitalter des Fiat Geldes weiter ansteigen wird. Alternativen zum politisch beeinflussten Geldwert sind rar, neben Gold gibt es eigentlich nur Schmuck, Kunst, Immobilien und Aktien sowie jetzt den Bitcoin. Der Bitcoin ist die liquideste Alternative.
 

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

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