Angst und Panik dominieren weiterhin die Börsenstimmung, sowohl bei der aktuellen Verfassung als auch beim Blick in die Zukunft herrscht selten gesehener Pessimismus. Trotz Kurserholung in den USA ist die Verunsicherung extrem – vergleichbar nur mit Herbst 2022 oder Sommer 2018. Doch ausgerechnet in dieser dunklen Marktphase zeigen sich erste Anzeichen von Kaufbereitschaft: Anleger wollen in den kommenden Wochen wieder einsteigen. Kein Grund zum Jubeln – aber vielleicht ein Silberstreif am Horizont. Meine Sentimentanalyse lesen Sie in Kapitel 3.
Das Drama spielt sich aktuell am Anleihemarkt ab: Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen steigen weiter, was Larry Fink von Blackrock als logische Folge der Trump-Zölle erklärt – genau wie von mir zuvor analysiert. Trump selbst gibt sich auf Truth Social euphorisch und preist seine Zollpolitik als Erfolg. Doch unter der Oberfläche rumort es gewaltig, wie ich in Kapitel 4 zeige: Apple leidet an allen Fronten, Tesla, Nike und Starbucks kämpfen mit wachsender Anti-USA-Stimmung in China, und Amazon droht, von Shein und Temu überrollt zu werden. Nur Dell könnte mit einem Trump-Deal glimpflich davonkommen. Ich bleibe am Ball – und halte bei Apple vorerst die Füße still.
Im Verlauf der Woche hielt ich unsere Puls-Express-Mitglieder mit diversen Updates auf dem Laufenden: Die Unsicherheit rund um den globalen Zollstreit eskaliert weiter, wodurch kurzfristige Hoffnungen auf Entspannung – wie etwa beim DAX-Call – enttäuscht wurden. Stattdessen dominieren nun defensive Maßnahmen: Einige Positionen haben wir aufgelöst, um Liquidität für attraktivere Gelegenheiten zu schaffen. Parallel sehe ich Boeing als spekulative Chance – ein potenzieller Profiteur von symbolträchtigen Deals im Handelskonflikt. Verpassen Sie nicht die weiterführenden Informationen der Updates in Kapitel 5.
Die heutigen Leserfragen in Kapitel 6 decken ein breites Themenfeld ab: Beim DAX verweise ich gerne auf den Charttechnik-Experten Jörg Scherer von HSBC, während ich eher die fundamentale Entwicklung beobachte. Geldmarktfonds bei Trade Republic gelten trotz fehlender Einlagensicherung als rechtlich abgesichert, da es sich um Sondervermögen handelt. Die Frage nach ”vollkommenen Märkten” durch KI würde ich verneinen: Märkte bleiben unvollkommen, weil die Zukunft ungewiss bleibt. Rüstungsaktien lehne ich nicht grundsätzlich ab, ich vermeide sie aber im Heibel-Ticker aus anderen Gründen. Trumps Umgang mit US-Schulden sehe ich kritisch, halte aber einen Zahlungsausfall für unwahrscheinlich – eher wird die Fed erneut intervenieren.
Natürlich gibt es wie immer eine tabellarische Übersicht über den Stand unseres Heibel-Ticker Portfolios in Kapitel 7.
Nun wünsche ich eine anregende Lektüre,

take share, Ihr Börsenschreibel
Stephan Heibel
Chefredakteur und Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefs
2. So tickt die Börse: Trumps Zollroulette: Zwischen Handelskrieg, Anleihepanik und Insiderflair
Ob nun von Anfang an so geplant, oder als Panik-Reaktion auf ein Ungleichgewicht am Anleihemarkt, Trump lässt sich nicht in die Karten schauen. US-Zölle auf chinesische Importe betragen inzwischen 145%, China erhebt 125% Zoll auf US-Waren. Stand Freitag Mittag. Es ist egal, wie hoch der Zoll nun noch geschraubt wird, der Handel zwischen den beiden Ländern dürfte zum Erliegen kommen.
An der Wallstreet möchte man gerne denken, dass die Finanzmärkte Trump zum Einlenken bewegt haben. Die Rendite der 10 Jahre laufenden US-Staatsanleihen war seit Jahresbeginn von 4,8% auf ein Tief bei 3,86% gesunken. Trump feierte dies als Zeichen der rückläufigen Inflationsrate. Er wünscht sich ein niedriges Zinsniveau, damit die Wirtschaft günstige Finanzierungskosten für Investitionen nutzen kann.
Die Ursache für den Renditeverfall liegt in der Verunsicherung der Märkte: Anleger suchen den "sicheren Hafen" der Anleihen, um sich vor den Aktienmarktturbulenzen zu schützen. Die Nachfrage nach Anleihen führt zu steigenden Anleihekursen, was um Umkehrschluss zu sinkenden Renditen führt. Ein Mechanismus, den Trump durchaus zu schätzen weiß, da dadurch eben die günstigen Finanzierungskosten für die Wirtschaft ermöglicht werden.
Doch Montag früh endete der Renditerückgang. Bis Mittwoch früh, also binnen zwei Tagen, schoss die Rendite über 4,51%. Gerade, als der Zollstreit auf seinen Höhepunkt zusteuerte, als die Verunsicherung maximal war und eigentlich ein Run auf Anleihen für weiter einbrechende Renditen sorgen sollte, fing die Rendite an zu steigen. Irgendwer verkaufte massiv Anleihen. Doch wer?

Abbildung 1: Renditeanstieg der 10 Jahre laufenden US-Staatsanleihe von Montag bis Mittwoch

Man könnte auch die US-Dollar in die heimische Währung umtauschen. Doch das würde den Wechselkurs der heimischen Währung nach oben drücken. Die heimischen Produkte würden damit weniger wettbewerbsfähig. Nein, man lässt das Geld lieber in den USA liegen.
Wenn nun China beschlossen hat, diese in US-Anleihen geparkten US-Dollar zu versilbern, also die Anleihen verkauft, dann fällt durch das graue Angebot der Kurs der Anleihen und im Umkehrschluss steigt die Rendite.
Die zweite Theorie ist etwas komplizierter: Finanzinstitute betreiben den "Basis-Trade". Es werden Futures auf diese Anleihen emittiert und verkauft. Es gibt genügend Marktteilnehmer, die heute schon eine feste Rendite für die Zukunft sichern wollen. Sie kaufen diese Futures und zahlen einen Aufpreis. Zum Stichtag liefert der Emittent dann die Anleihe, der Aufpreis ist sein Gewinn. Die Anleihe hat er natürlich bereits beim Emittieren des Futures gekauft, damit er kein Kursrisiko hat.
Wenn Chinesen davon ausgehen, dass der Handel mit den USA künftig zum Erliegen kommt, dann brauchen sie keine Futures mehr auf US-Anleihen, denn sie werden künftig ja keine Handelsüberschüsse mehr haben. Die Nachfrage nach den Futures brach also ein und entsprechend ging der Aufpreis für die Futures zurück. Für Emittenten lohnt sich das Geschäft plötzlich nicht mehr, sie benötigen die US-Staatsanleihen, die sie für die emittierten Futures liefern wollten, nicht mehr und verkaufen sie.
Ich denke also, dass Chinesen in der Zukunft weniger US-Staatsanleihen kaufen werden. Der Basis-Trade wird weniger lukrativ und die Nachfrage nach US-Staatsanleihen geht nochmals weiter zurück. So entstand ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der zu massiven Verkäufen am Anleihemarkt führte. Ob nun seitens China gesteuert und beabsichtigt oder nicht, sei dahingestellt.
Ein solcher Zinsanstieg in so kurzer Zeit kann zu ernsten Problemen am Finanzmarkt führen. Sie wissen ja, dass das Volumen am Anleihemarkt viel größer ist als am Aktienmarkt.

Nun ja, Sie haben sicherlich mitbekommen, dass wenige Stunden später die "reziproken" Zölle auf alle anderen Handelspartner außer China für 90 Tage auf 10% gesetzt wurden, um Zeit für Verhandlungen zu haben. Die Aktienmärkte (S&P 500, Nasdaq, DAX) sprangen um 9-12% an.
Erfüllt dieser Tweet den Tatbestand des Insiderhandels? Dieser Frage wird nun nachgegangen: Es muss dazu im direkten Umfeld von Trump jemand aufgrund dieser Meldung gehandelt haben. Nun werden also die Depot-Aktivitäten vieler Mitarbeiter durchleuchtet, ob sie vielleicht einen Call-Optionsschein im Zeitraum zwischen dem Tweet und der Verkündung des 90-tägigen Moratoriums gekauft haben. Und selbst wenn man solche Aktivitäten findet, wird es noch immer zu beweisen sein, dass es sich um eine "Insiderinformation" handelte. Ist diese Information wirklich nur Insidern bekannt, wenn Donald Trump dies auf seiner Plattform Truth Social der ganzen Welt mitteilt? Das ist wohl kaum so nachzuweisen.
Im Ergebnis haben wir nun eine Situation, in der - mit Ausnahme Chinas - alle Länder dankbar sind, dass die US-Zölle "nur noch" 10% betragen, obwohl sie vor kurzem noch bei nur 2% - 2,5% lagen. Außerdem ist das Ziel Trumps nun ziemlich offensichtlich: Der Feind ist China, das mit unlauteren Mitteln und unfairen Handelspraktiken den eigenen Vorteil zum Nachteil der Handelspartner sucht. Gegner befinden sich aber auch in Deutschland, Südkorea und Japan, wo nach Trumps Sichtweise Subventionen den internationalen Wettbewerb im Automobilmarkt verzerren. Mittelsmänner befinden sich in Vietnam, Mexiko und Kanada, wo Feind und Gegner die günstigen Handelsbedingungen dieser Länder für Exporte in die USA nutzen. VW lässt in Mexiko produzieren, China lässt inzwischen viel in Vietnam produzieren.
Opfer befinden sich nach Sichtweise von Donald Trump in den USA, wo heimische Unternehmen gegen den in seinen Augen unfairen Wettbewerb kaum bestehen können. Wer das genau ist, bleibt ungewiss. Donald Trump sagte gestern, er sei offen für Sonderregelung bei extrem negativ betroffenen Unternehmen. Wir können nur mutmaßen, um wen es sich handeln wird, denn Trump werde nach "Instinkt" entscheiden, wer Ausnahmeregelungen erhalten wird. Ausnahmeregelungen könnten so aussehen, dass die an den Grenzen vereinnahmten Zölle anschließend an US-Unternehmen mit Ausnahmeregelungen wieder erstattet werden.
Wenn also Nvidia seine KI-GPUs von Taiwan nach China verschiffen und dort zu Servern zusammenbauen lässt, dann werden die Server an der US-Grenze nunmehr mit 145% besteuert. Doch ohne Nvidia-GPUs wird die KI-Revolution ins Stocken geraten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Nvidia eine solche Ausnahmeregelung erhalten wird. Immerhin gab es vor wenigen Tagen bereits die Meldung, dass Nvidia die speziell für China produzierten H20-Chips, gedrosselte und alte KI-GPUs, weiterhin liefern darf. CEO Jensen Huang war deswegen extra bei Donald Trump in Florida zu einem gemeinsamen Abendessen, die Meldung wurde aber vor dem Hintergrund der Börsenturbulenzen kaum beachtet.
In Kapitel 4 schaue ich, welche weiteren Unternehmen vielleicht von Ausnahmeregelungen beim Zollstreit profitieren könnten. Schauen wir nun zunächst mal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes:
Wochenperformance der wichtigsten Indizes
INDIZES | 11.4., 18:22 Uhr | Woche Δ | Σ '25 Δ |
DAX | 20.374 | -1,3% | 2,3% |
S&P 500 | 5.299 | 3,2% | -10,3% |
Nikkei | 33.586 | -0,6% | -15,8% |
Shanghai A | 3.751 | -2,9% | -4,7% |
Euro/US-Dollar | 1,13 | 2,8% | 8,4% |
Euro/Yen | 162,47 | 0,9% | -0,1% |
10-Jahres-US-Anleihe | 4,51% | 0,56 | 0,00 |
Umlaufrendite Dt | 2,40% | 0,00 | 0,09 |
Feinunze Gold | $3.243 | 7,0% | 24,0% |
Fass Brent Öl | $63,90 | -2,4% | -14,2% |
Kupfer | $8.988 | -4,0% | 0,9% |
Baltic Dry Shipping | $1.269 | -17,6% | 27,3% |
Bitcoin | $82.150 | -1,7% | -12,4% |

Der Welthandel wird von den USA in Frage gestellt. Auch wenn die hohen reziproken Zölle erst einmal ausgesetzt wurden, so bleiben 10% Zoll für alle, einmal abgesehen von den 145% Zoll für China.
Berichten zufolge werden Lieferungen von China in die USA storniert, Container werden abbestellt, der Baltic Dry Verschiffungsindex fällt diese Woche um 18%.
Bei so viel Zurückhaltung droht ein wirtschaftlicher Abschwung, vielleicht sogar eine Rezession. Der Kupferpreis, der als verlässlicher Konjunkturindikator betrachtet wird, fällt diese Woche um 4%.
Nicht nur US-Anleihen werden verkauft, das Geld wird offensichtlich auch aus den USA abgezogen. Der US-Dollar verliert gegenüber dem Euro (-3,7%) uns dem japanischen Yen. Zwar ist ein schwächerer US-Dollar ein erklärtes Ziel der Trump-Administration, aber nicht in dieser Geschwindigkeit.
Das aus den USA abgezogene Kapital wandert neben dem Gold auch in den zweitsichersten Hafen der Finanzmärkte, in die deutsche Bundesanleihe. Während ein fallender US-Anleihepreis die US-Rendite um 0,51%punkte nach oben schraubte, konnte sich die deutsche Umlaufrendite stabil halten (+-0%).
Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.
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