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Wochenrückblick 7. Oktober - 11. Oktober 2013

Verhandlungspoker führt zu faulem Kompromiss ...von Stephan Heibel
Die Berichtssaison steht im Schatten der Poli­tik. Kaum jemand interessiert sich für die Quar­talszahlen der Unternehmen, wenn in Washington mit dem Feuer gespielt wird. Diese Woche brachte nun endlich den, wenn auch kleinen, Durchbruch, die Börse hat euphorisch darauf reagiert. Lassen Sie uns chronologisch vorgehen.

Janet Yellen wird Fed-Cheffin

Obama hatte auf Larry Summers als Nachfol­ger Ben Bernankes gesetzt. Summer war Finanzsektretär unter Bill Clinton und zuvor Chefvolkswirt der Weltbank. Zuletzt war er Prä­sident der Eliteuni Harvard und Regierungs­berater. Durchaus ein Lebenslauf, der ihn für das Amt des Notenbankchefs qualifizieren wür­de. Doch er gilt als sehr konservativ, den Repu­blikanern näher als den Demokraten, und Präsident Obama hatte ihn ins Gerede gebracht als Zugeständnis für die Republikaner im Rahmen von Verhandlungen um diverse andere Themen. Während nämlich Obama mit den Demokraten im Kongress die Mehrheit hat, lässt sich keine wesentliche Entscheidung ohne den Senat umsetzen, und dort haben die Republikaner die Mehrheit.

Die Demokraten laufen derzeit herum und zäh­len auf, bei welchen Themen Obama den Republikanern Zugeständnisse gemacht hat: Eine Verschärfung des Waffengesetztes ließ sich ohne die Republikaner nicht umsetzen. Eine beabsichtigte Lockerung des Einwande­rungsgesetzes hat Obama ebenfalls verwor­fen. Na, und aus Obama-Care (Reform des Gesundheitswesens) sind viele tragende Ele­mente von den Republikanern herausgestri­chen worden.

Nun haben die Republikaner eine Erhöhung der Defizitgrenze an weitere politische Zuge­ständnisse, insbesondere in Sachen Obama-Care geknüpft. Insbesondere der ultrakonser­vative Tea-Party Flügel der Republikaner war augenscheinlich bereit, die USA in die Insol­venz zu führen, wenn nicht Obama-Care weiter beschnitten wird. Obama zeigte sich nicht mehr offen für weitere politische Verhandlungen, wenn die Solvenz des Landes auf dem Spiel stehe. Und als ein Zeichen, dass er keine wei­teren Zugeständnisse mehr machen werde, ernannte er nun die den Demokraten naheste­hende Janet Yellen als Nachfolgerin Ben Ber­nankes.

Janet Yellen ist mit dem Nobelpreisgewinner Geoge Akerlof verheiratet und machte als Pro­fessorin an der Kalifornischen Universität Ber­keley Karriere. Seit Präsident Bill Clinton hat auch sie bereits mehrfach politische Ämter und Beraterposten eingenommen. Derzeit ist sie bereits Vizecheffin der Fed.

Sie vertritt die Ansicht, dass eine lockere Geld­politik nicht automatisch Inflation nach sich ziehe, sofern der Arbeitsmarkt nicht mitziehe. Wir dürfen von ihr erwarten, dass Sie die lockere Geldpolitik Bernankes noch lange fortsetzen wird, bis der Arbeitsmarkt gesundet. Dann allerdings, und daran lässt sie keinen Zweifel, müsse man die Liquiditätsflut vehe­ment zurückfahren.

Sie steht damit im krassen Gegensatz zum deutschen Ansatz, der den Arbeitsmarkt voll­ständig der Politik überlässt. Der Arbeitsmarkt kann nach deutschem Verständnis nur durch Strukturreformen verbessert werden. Eine exzessive Geldpolitik manifestiert Systempro­bleme und führt zu einer überflüssigen Gel­dentwertung. Daher wehren sich die Deut­schen immer wieder gegen EZB-Chef Mario Draghi, der die Aufgabe der EZB über die pure Geldwertstabilität hinaus immer wieder in, unserer Ansicht nach politische, Bereiche hin­ein ausweitet.

In den USA ist die Notenbank Fed von Anfang an auch für den Arbeitsmarkt zuständig gewe­sen. Mit Janet Yellen erhält der Arbeitsmarkt nun ein noch stärkeres Gewicht bei künftigen Entscheidungen, die Geldwertstabilität tritt wei­ter in den Hintergrund. Für eine Nation, deren Binnenwirtschaft stärker ist als irgendwo sonst auf der Welt und deren Schulden zum Großteil von Chinesen und anderen Ausländern gehal­ten werden, ist diese Strategie sicherlich lukra­tiv.

Janet Yellen hat zwei Trümpfe in der Hand: Zum einen hat sie in den vergangenen vier Jahren die besten Arbeitsmarktprognosen unter allen Notenbankmitgliedern erstellt. Der für Sie so wichtige Arbeitsmarkt wird von ihr also gut verstanden. Zum anderen war sie die treibende Kraft hinter der Transparenz-Offen­sive Bernankes: Anders als Alan Greenspan hat Ben Bernanke die Entscheidungen der Notenbank stets ausführlich begründet und die zugrunde liegenden Fakten veröffentlicht.

Konsequent weiterverfolgt führt die Transpa­renz dazu, dass die Entscheidungen der Notenbank besser verstanden und künftig sogar auch besser prognostiziert werden kön­nen. So vertritt sie die Politik der stärkeren Regulierung. Ordoliberalismus heißt es in der Volkswirtschaft: Es gibt einen möglichst genau abgesteckten Rahmen, in dem die Akteure handeln dürfen. Bewegt sich der Arbeitsmarkt in die eine oder andere Richtung, so gibt es genau definierte Maßnahmen der Fed, die ergriffen werden - möglichst automatisch, wenn Sie Yellen fragen.

Diesen Ansatz finden auch wir in Deutschland attraktiv. Er steht im Gegensatz zu dem Inter­ventionismus der freien Kapitalmärkte. Man lässt die Märkte alleine, in der Hoffnung, dass es sich schon richten lasse. Wenn etwas außer Kontrolle läuft, wird vehement interventioniert. Wir haben jedoch gesehen, dass man von Intervention zu Intervention immer größere Beträge in die Hand nehmen muss und dass deren Wirkung immer geringer wird. Ein klares Regelwerk könnte, solange sich alle dran hal­ten, schon frühzeitig zur Disziplinierung der Akteure führen.

Doch insbesondere die US-Republikaner mögen diesen Ansatz überhaupt nicht, denn auch der Finanzsektor und die Bankenland­schaft wird unter einer Fed-Cheffin Yellen här­tere Regeln verpasst bekommen. Und die här­tere Bankenregulierung wiederum wird dann auf die ganze Welt übertragen, scheitern heute doch die Regulierungsvorhaben an den unter­schiedlichen Vorstellungen der Angelsachsen (USA und England) und der Euroländer.

Fauler Kompromiss bei Haushaltsstreit

Die Nominierung Janet Yellens war also ein Schlag ins Gesicht der Republikaner. Obama hat gezeigt, dass es viele Entscheidungen gibt, die ihm obliegen und bei denen er bislang stets auf die Republikaner zugegangen war. Und prompt kommt im Anschluss an diese Ent­scheidung Bewegung in die Verhandlungen: Die Republikaner haben sich bereit gezeigt, unter Umständen die Defizitgrenze zumindest für einen kurzen Zeitraum anzuheben, um die Insolvenz zu vermeiden. Lassen Sie uns die beiden in den USA anstehenden Probleme separat betrachten.

Präsident Obama verfügt über ein Haushalts­budget, das stets von Oktober bis Oktober festgelegt wird. Obama und der Kongress haben ein neues Haushaltsbudget vorge­schlagen, der Senat hat diesen Vorschlag aber bislang noch nicht genehmigt. Daher dür­fen Obama und die Regierung seit dem 1. Oktober keine Ausgaben mehr tätigen, die nicht unbedingt erforderlich sind, um den Staatsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die ent­sprechenden Mitarbeiter dürfen nicht zur Arbeit kommen und werden auch kein Gehalt erhalten, auch nicht nachträglich. In den USA nennt man dies "government shutdown", die Regierungsbehörden sind geschlossen.

Die Republikaner wollen in dem Haushalts­budget insbesondere die für Obama-Care vor­gesehenen Ausgaben kürzen und dadurch einige von Obama gegen ihren Widerstand durchgesetzten strukturellen Änderungen rück­gängig machen.

Unabhängig davon gibt es eine Defizitgrenze, eine Verschuldung, die Präsident Obama nicht überschreiten darf. Man geht davon aus, dass etwa am 17. Oktober, also nächste Woche, diese Defizitgrenze übersprungen wird. Der US-Staat hat dann kein Geld mehr zur Verfü­gung, um ausstehende Zahlungsverpflich­tungen zu begleichen. Hier wird insbesondere der Schuldendienst in den Vordergrund gestellt: Billionen an ausstehenden Staatsan­leihen müssen ja regelmäßig bedient werden. Neue Schulden wird Obama nicht machen dür­fen, weil die Defizitgrenze erreicht ist, und somit könnte dies schlimmstenfalls dazu füh­ren, dass einer Verpflichtung nicht nachge­kommen wird - und das ist die Definition einer Insolvenz. Die USA wären dann insolvent.

Beim Streit um das Haushaltsbudget DARF die US-Regierung also nichts bezahlen, solange kein Kompromiss gefunden wurde. Beim Streit um die Defizitgrenze KANN die US-Regierung ohne Kompromiss nicht mehr zahlen. Während das Haushaltsbudget erst über die Zeit hinweg negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird - je länger die Regierungsbehörden geschlossen bleiben, desto höher der Einnah­meausfall bei Angestellten und Vertragspart­ner - würde eine Insolvenz von heute auf mor­gen heftige Schockwellen durch das interna­tionale Finanzsystem senden. US-Staatsan­leihen würden auf den Markt geworfen wer­den, die Zinsen für US-Staatsanleihen wür­den in die Höhe schnellen, und die Refinan­zierungsmöglichkeiten der USA wären nachhaltig gestört. Mit dem US-Dollar als Rück­grat des Weltfinanzsystems wäre das an Dra­matik kaum zu überbieten.

Obama sagt also, er werde nicht die Verhand­lungen über das Haushaltsbudget mit der Anhebung der Defizitgrenze vermischen. Die Republikaner wiederum bestehen auf Ände­rungen im Haushaltsbudget, BEVOR sie einer Anhebung der Defizitgrenze zustimmen.

Gestern nun haben sich die beiden Streithähne endlich zusammengesetzt. Dem Vernehmen nach suche man einen Kompromiss: Eine tem­poräre Anhebung der Defizitgrenze wird dis­kutiert, damit die Republikaner ihr Druckmittel nicht verlieren, aber dennoch die drohende Insolvenz abgewendet werden kann. Sechs Wochen oder drei Monate sind in der Diskus­sion, ausreichend Zeit, um die Verhandlungen über das Haushaltsbudget in aller Sorgfalt fort­zuführen.

Die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz hatte ich im Verlauf der Woche von 5% auf 10-20%erhöht. Nun würde ich die Wahrscheinlichkeit wieder auf unter 5% zurücknehmen, die Politi­ker in Washington sind sich ihrer Verantwor­tung, wenn auch in letzter Minute, bewusst.

Doch was kommt nun? Warten auf das Ver­streichen der sechs Wochen oder drei Monate, um die Börsen dann erneut ins Ungewisse zu stürzen? Was wird im Falle einer Einigung als nächstes in den Fokus rücken: Gute Quartals­ergebnisse? Schlechte Ausblicke? Die Angst vor dem angekündigten Tapering?

Schauen wir uns nun einmal die Wochenent­wicklung der wichtigsten Indizes an:

Wochenperformance der wichtigsten Indizes

Indizes 10.10.2013 Änderung Vorwoche
Dow Jones 15.126 0,9 %
DAX 8.686 1,0 %
Nikkei 14.405 2,7 %
Euro/US-Dollar 1,36 -0,5 %
Euro/Yen 133,29 0,7 %
10-Jahres-US-Anleihe 2,68 % 0,07 %
Umlaufrendite Dtl. 1,46 % 0,0 %
Feinunze Gold 1.300 $ -1,4 %
Fass Brent Öl 111,41 $ 2,2 %
Kupfer 7.182 $ -0,2 %
Baltic Dry Shipping 2.011 -1,8 %
 
Die Aussicht auf eine anhaltend lockere Geld­politik haben dem Ölpreis Beine gemacht (+2,2%), doch das Gold (-1,4%) konnte nicht davon profitieren: Die lockere Geldpolitik ist gut für die Wirtschaft, aber auch gut für das Vertrauen ins Finanzsystem und damit schlecht für's Gold.

Allen Zweifeln zum Trotz haben Dow Jones, DAX und Nikkei diese Woche mit einem kräfti­gen Plus abgeschlossen. Zuvor waren die Kurse insbesondere in den USA drei Wochen in Folge gefallen, da waren die Kurse bereits ausgebombt und entsprechend heftig fiel die Gegenbewegung gestern vor dem Hintergrund der neuen Hoffnung aus.

Auf zu neuen Rekorden oder handelt es sich nur um ein Strohfeuer?


Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

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