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Wochenrückblick 9. November - 13. November 2015

Draghi fürchtet negative Kerninflation ...von Stephan Heibel
Supermario machts spannend. Entweder er weiß mehr als wir oder er ist der Liquiditätssucht erlegen. Gestern hat er vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel seine Hinweise auf eine mögliche Ausweitung der Liquiditätsflutung gegeben. Seinen Worten zufolge gebe die Kerninflationsrate, also die Preisentwicklung bei den Gütern ohne die stark schwankenden Öl- und Lebensmittel, nach wie kein Signal der Entwarnung. die Kerninflation ist also noch immer sehr niedrig, vielleicht sogar zu niedrig.

So niedrig, dass trotz des Basiseffekts durch die gepurzelten Rohstoffpreise keine Entwarnung gegeben werden kann. Zum Verständnis: Die Rohstoffpreise waren von Mitte 2014 bis Mitte 2015 stark eingebrochen, teilweise um über 50%. Dieser Preissturz hat die Inflationsraten in dieser Zeit auf ein niedriges Niveau gedrückt.

Wenn wir nun aber den Zeitraum der heftigen Preisverluste ein Jahr hinter uns lassen, dann wird der Preisvergleich zum Vorjahr nun wieder im Verhältnis zum bereits niedrigeren Preis errechnet. Die Inflation im März 2016 wird gegenüber dem Preisniveau vom März 2015 errechnet, im März 2015 lag der Großteil des Preissturzes jedoch schon hinter uns. Die inflationsdämpfende Wirkung wird also ausbleiben.

Dieser als Basiseffekt bekannte Umstand dürfte dafür sorgen, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten automatisch ansteigt, selbst bei stabilen Preisen. Entsprechend entspannt war ich bislang hinsichtlich der vermeintlichen deflationären Gefahr.

Doch nun hat EZB-Chef Mario Draghi signalisiert, dass dieser Basiseffekt nur vorübergehend sein könnte und die Kerninflation nach wie vor gefährlich nahe an der Nulllinie schrammt. Das umstrittene Anleihekaufprogramm, mit dem bis September 2016 rund 1,1 Mrd. Euro in die Märkte gepumpt werden, könnte also verlängert werden. Das zumindest erwarten nun viele Anleger.

Auf der einen Seite ist das schön für die Aktienbörse, denn mehr Geld führt zu höheren Aktienkursen. Auf der anderen Seite ist das ein gefährliches Signal: Was weiß Mario Draghi, was die Märkte noch nicht wissen? Am Montag werden wieder Konjunkturdaten für den Euroraum veröffentlicht. Ist seine Ankündigung bereits als Beschwichtigung zu verstehen, da er schwache Konjunkturdaten erwartet?

Die heute veröffentlichten BIP-Daten fielen eher schwach aus: +0,3% in Deutschland nach +0,4% im Q2. Insgesamt rechnet bspw. die IKB-Bank mit einem BIP-Wachstum in Deutschland von 1,4% für das Jahr 2015 und 1,8% im Jahr 2016. Nicht genug, um die rückläufige Wachstumsdynamik Chinas auszugleichen. Von den vier großen Exportbranchen in Deutschland, Chemie, Auto, Elektro und Maschinenbau, hängen drei (Auto, Elektro, Maschinenbau) überwiegend an China während Chemie weniger an einzelnen Regionen hängt, dafür aber stärker an den Rohstoffpreisen sowie der Konjunkturentwicklung insgesamt.

Seit einigen Monaten ist die Produktion in diesen vier Exportbranchen rückläufig. Das deutsche BIP wächst aufgrund einer gesunden Inlandsnachfrage. Doch für das Q4 könnte auch das im Vergleich zum Vorjahr ein wenig schwächer ausfallen, so dass Deutschland seine Rolle als Konjunkturlokomotive Europas nicht mehr aufrecht erhalten kann.

Wachstum ist in Europa zwar vorhanden, aber von einem kräftigen Aufschwung, wie man es nach erfolgreichem Durchschreiten der Krisen der vergangenen Jahre erwarten würde, ist nichts zu sehen. Handelspartner China verlangsamt sein Wachstum von 6,9% auf geschätzte 6,4%. Brasilien und Russland, die im Jahr 2015 kontrahierten, werden sich ggfs. an die Null-Linie retten können. Und die USA ist das einzige Land der Welt, bei der sich das Wachstum nennenswert beschleunigen, nämlich von 2,4% im laufenden auf 2,8% im kommenden Jahr. Können die USA mit diesem Wachstumsimpuls ausreichend Antrieb für die deutsche Konjunktur liefern? Größter Nutznießer einer gesunden US-Konjunktur ist unser Automobilsektor, doch da fällt mir sofort der VW-Skandal ein.

Zudem haben die Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag den Weg frei gemacht für eine erste Zinsanhebung durch die Fed im Dezember. Bislang war zwar die Arbeitslosenquote gesunken, doch das Lohnniveau partizipierte nicht am Aufschwung. Das hat sich nun geändert, der durchschnittliche Stundenlohn ist angezogen und damit ist auch das letzte Argument der Fed für ihre Warteposition vom Tisch. Die Wahrscheinlichkeit der Zinserhöhung im Dezember, der ersten seit 10 Jahren, ist von 54% auf 78% gesprungen.

Damit haben wir eine neue Börsenwelt. Künftig wird vor jeder Notenbanksitzung am Markt darüber spekuliert, ob der Leitzins weiter angehoben wird oder nicht. Dann wird darüber spekuliert, ab welchem Niveau welche Branchen negativ beeinflusst werden oder wie lange es dauert, bis sich das höhere Zinsniveau dämpfend auf die Konjunktur auswirkt. Und natürlich wird die Börse wieder die erwartete Entwicklung frühzeitig vorwegnehmen, es wird verstärkt Gruppenrotationen geben, rein in die Branchen, denen hohe Zinsen nichts ausmachen und raus aus den Aktien, die unter hohen Zinsen leiden. Mit dieser Gruppenrotation wird nicht gewartet, bis der Zins bei 2 oder 3% angekommen ist, die Rotation hat in der abgelaufenen Woche bereits begonnen.

Der US-Dollar hat die Zinserhöhung im Dezember bereits eingepreist und ist gegenüber dem Euro um 1,1% angesprungen. Doch schauen wir uns die wöchentlicher Entwicklung der wichtigsten Indizes zunächst einmal in der Übersicht an.

Wochenperformance der wichtigsten Indizes

Indizes 12.11.2015 Änderung Vorwoche
Dow Jones 17.448 -2,3%
DAX 10.783 -1,0%
Nikkei 19.597 1,7%
Euro/US-Dollar 1,08 -1,1%
Euro/Yen 132,00 -0,4%
10-Jahres-US-Anleihe 2,32% 0,07
Umlaufrendite Dtl. 0,44% 0,03
Feinunze Gold 1.084$ -2,3%
Fass Brent Öl 45,70$ 0,4%
Kupfer 4.828$ -4,1%
Baltic Dry Shipping 579 -9,5%

1,08 USD kostet ein Euro nur noch. Die Parität ist vorerst nicht in Sicht, dazu müsste Supermario noch die Ausweitung der Anleihekäufe verkünden und gleichzeitig die Fed den US-Leitzins anheben.

Der Dow Jones ist deutlich stärker unter die Räder gekommen als DAX und Nikkei. Kein Wunder, denn die in Aussicht gestellte Zinsanhebung macht den US-Dollar teurer und lastet somit auf dem Export der USA. Europa profitiert vom schwachen Euro, entsprechend fiel der Ausverkauf hier kleiner aus.

Der Goldpreis ist um 2,3% abgesackt und wird meiner Einschätzung nach weiter absacken, solange Zinsanhebungen in den USA wahrscheinlich bleiben. Der Preisrutsch beim Kupfer (-4,1%) und beim Baltic Dry Verschiffungsindex (-9,5%) zeichnen eine schwarze Zukunft für die globalen Konjunkturaussichten. Dass China nicht mehr so viel im- und exportiert haben wir inzwischen verstanden und wir hoffen auf eine Kompensation durch deren Binnenkonsum. doch zum Stillstand dürften die Importe und Exporte nicht kommen. Warum also dieser Einbruch? Auch Dr. Konjunktur, wie der Kupferpreis aufgrund seiner guten prognostischen Aussagekraft für die weltweite Konjunktur gerne genannt wird, ist weiter eingebrochen und verheißt nichts Gutes. Sind das die Vorzeichen, die Mario Draghi sieht?

Bleibt der Blick auf den Ölpreis, der sich zwar im Wochenvergleich nicht sonderlich verändert, unterwöchig jedoch schon wieder seine Unterstützung getestet hat.

Disclaimer: Der Wochenrückblick wurde von Stephan Heibel verfasst, Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes, den Sie unter www.heibel-ticker.de kostenfrei und unverbindlich beziehen können.

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