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Ausgerutscht: Streudienst mit mehrstündiger Verspätung

Inwieweit eine Kommune für Glatteisunfälle haften muss, wenn sie ihrer winterlichen Streupflicht erst mit mehreren Stunden Verzögerung nachkommt, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Verzögert sich das Streuen einer vereisten Fläche um Stunden, obwohl ein defektes Streufahrzeug kurzfristig hätte repariert werden können, so ist im Fall eines Unfalls die zuständige Gemeinde ganz überwiegend für die Folgen eines deswegen verursachten Unfalls verantwortlich. Das hat das Landgericht Bremen mit einem Urteil entschieden (Az.: 1 O 2112/16).

Eine Frau war gegen 8.30 Uhr bei winterlichen Verhältnissen auf einem nicht gestreuten Platz ihres Wohnortes unterwegs, als sie auf dem eisglatten Untergrund ausrutschte und stürzte. Sie verletzte sich dabei so schwer, dass sie ärztlich behandelt werden musste. Zwar übernahm ihr Krankenversicherer die Behandlungs- und sonstigen Krankheitskosten.

Allerdings verklagte der Krankenversicherer die Gemeinde auf Ersatz der von ihm aufgewendeten Behandlungskosten, da sie gegen ihre Streupflicht verstoßen habe. Denn die Kommune habe eingeräumt, dass der Platz unter normalen Umständen gegen 7.00 Uhr, also vor dem Unfall, gestreut worden wäre. Eine Streuung fand am Tag des Unfalles tatsächlich aber erst kurz vor 15.00 Uhr statt. Die Gemeinde wies jedoch jegliche Schuld von sich.

Verstoß gegen Streupflicht?

Das begründete die Kommune damit, dass am Unfalltag gegen 6.30 Uhr unerwartet ein Frontbesen des Fahrzeugs, das auf dem Platz hätte eingesetzt werden sollen, gebrochen war. An dem Tag seien alle anderen Streufahrzeuge im Einsatz gewesen. Den Streudienst so zu organisieren, dass jederzeit unverzüglich ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stehe, könne ihr nicht abverlangt werden. Im Übrigen handele es sich bei dem Platz um einen eher unbedeutenden Weg.

Dieser Argumentation wollte sich das Bremer Landgericht nicht anschließen. Es gab der Klage des Krankenversicherers ganz überwiegend statt. Zwar bestehe nicht ausnahmslos auf allen Gehwegen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine Verpflichtung, winterliche Glätte zu beseitigen. Eine Streupflicht bestehe aber im Rahmen des Notwendigen und des Zumutbaren. Das gelte auf jeden Fall auf Wegen, die für den Fußgängerverkehr wichtig sind.

Entscheidend sei, ob ein Fußgänger bei vernünftigen Sicherheitserwartungen mit der Räumung des Gehweges rechnen dürfe. Das sei bezüglich des Platzes, auf dem die Versicherte der Klägerin gestürzt war, der Fall. Denn in dessen Umfeld würden sich mehrere Geschäfte befinden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Platz in den Winterdienstplan der Gemeinde integriert. Er sei am Vortag des Unfalls dreimal geräumt und zweimal gestreut worden. Es handele sich daher mitnichten um einen lediglich unbedeutenden und für den Fußgängerverkehr entbehrlichen Platz.

Defekt nicht unüblich

Von einer Gemeinde könne zwar nicht für jeden Fall verlangt werden, Ersatzfahrzeuge vorzuhalten. Das wäre nach Überzeugung des Gerichts in dem entschiedenen Fall jedoch auch nicht nötig gewesen. Denn der Fahrer des defekten Streufahrzeugs hatte ausgesagt, dass ein Bruch des Frontbesens nicht unüblich sei. Dieser hätte leicht ausgetauscht werden können.

Den Beweis dafür, warum das nicht so rechtzeitig hätte geschehen können, dass der Platz noch vor dem Unfall hätte gestreut werden können, blieb die Gemeinde schuldig. Nach Meinung der Richter ist sie daher ganz überwiegend für den Sturz der Frau verantwortlich. Die Verletzte treffe allerdings ein Mitverschulden in Höhe von 30 Prozent. Denn die Verunfallte habe die Glätte nachweislich erkannt und somit sehenden Auges das Risiko einer Selbstgefährdung in Kauf genommen.

Sei nämlich zu erkennen, dass eine Gehwegfläche nicht geräumt oder gestreut ist, habe deren Benutzer Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht. Komme er zu Fall, so spreche dies in der Regel dafür, dass er die gebotene Vorsicht außer Acht gelassen habe und ihm ein Mitverschulden anzurechnen sei.

Individuelle Absicherung

Ein Mitverschulden eines Verunfallten wie im genannten Fall hat für diesen zumindest bezüglich der Behandlungskosten keine finanziellen Auswirkungen. Denn ein Krankenversicherer, also die gesetzliche Krankenkasse oder private Krankenversicherung, übernimmt die Behandlungskosten eines Verunfallten auch, wenn der Verunfallte den Unfall komplett oder teilweise selbst verschuldet hat. Nur wenn ein anderer für den Unfall verantwortlich ist, nimmt der Krankenversicherer für den Teil des Verschuldens diesen Unfallverursacher in Regress.

Allerdings gibt es auch mögliche finanzielle Belastungen für einen Verunfallten, die nicht oder nur zum Teil von den Sozialversicherungen wie der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- oder Unfallversicherung abgedeckt werden. Dazu gehören beispielsweise die Einkommensausfälle nach einer unfallbedingten dauerhaften Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Denn eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente ist, sofern man überhaupt einen Anspruch darauf hat, bei Weitem nicht so hoch wie der bisherige Verdienst.

Auch die gesetzliche Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der tatsächlich anfallenden Pflegekosten ab, wenn jemand nach einem Unfall oder auch infolge einer Krankheit pflegebedürftig ist. Die private Versicherungswirtschaft bietet entsprechende Lösungen an, beispielsweise mit einer privaten Berufsunfähigkeits- und/oder Pflegezusatz-Versicherung, um solche und andere Versorgungslücken zu schließen.



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