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Das polizeiliche Zeitgefühl und der Rotlichtverstoß

Inwieweit es als Beweis rechtlich relevant ist, wenn ein Polizist als Augenzeuge nicht nur aussagt, dass ein Kfz-Fahrer einen Rotlichtverstoß begangen hat, sondern auch angibt, wie lange die Ampel bis zum Verstoß bereits rot war, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Für die Feststellung, dass ein Pkw-Fahrer eine Ampel, die bereits länger als eine Sekunde rot zeigte, missachtet hat, reicht die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines den Rotlichtverstoß zufällig beobachtenden Polizisten alleine nicht aus, um zuverlässig entscheiden zu können. Das geht aus einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm hervor (Az.: 4 RBs 404/17).

Einem Autofahrer wurde vorgeworfen, einen sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoß begangen zu haben, also das Rotlichtzeichen einer Ampel, missachtet zu haben, obwohl die Ampel bereits länger als eine Sekunde rot zeigte. Beobachtet und angezeigt hatte den Vorfall ein Polizist, der zufällig Augenzeuge des Vergehens wurde. Der Pkw-Fahrer wurde daher vom Amtsgericht Paderborn zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 320 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Der Vorfall wurde außerdem in der Flensburger Verkehrssünderdatei eingetragen.

In seiner gegen das Urteil beim Hammer Oberlandesgericht eingereichten Rechtsbeschwerde trug der Autofahrer jedoch vor, dass nicht nachgewiesen sei, dass er tatsächlich einen qualifizierten Rotlichtverstoß begangen habe. Es könne nämlich nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass die Ampel zum Zeitpunkt, als er diese missacht hatte, bereits länger als eine Sekunde rot war.

Durchgreifende Rechtsfehler

Die Feststellung dieses Verstoßes, sei nämlich durch zwei Polizeibeamte erfolgt, die mit ihrem Streifenwagen im Querverkehr ebenfalls in die Kreuzung eingefahren waren. Diese hätten jedoch die Dauer der Rotlichtphase allenfalls schätzen können. Das würde jedoch zum Nachweis eines qualifizierten Verstoßes nicht ausreichen.

Die Polizeibeamten hatten ausgesagt, dass die Rotphase für den Beschwerdeführer bereits drei bis fünf Sekunden angedauert hatte, als sie selbst bei Grün in die Kreuzung einfuhren. Sie hätten einen Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge nur durch ein „umsichtiges Ausweichmanöver“ verhindern können.

Dass das Amtsgericht diese Aussage zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hatte, reichte dem Hammer Oberlandesgericht nicht aus. Es wies den Fall zur abschließenden Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Das Urteil weise durchgreifende Rechtsfehler zulasten des Beschwerdeführers auf.

Gefühlsmäßige Schätzung

Nach Überzeugung der Richter ist der Beschwerdeführer zwar nachweislich bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Dass die Rotphase zu diesem Zeitpunkt bereits, wie von den Polizeibeamten behauptet, drei bis fünf Sekunden andauerte, sei jedoch nicht hinreichend belegt. Denn für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes reiche die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines den Rotlichtverstoß zufällig beobachtenden Polizeibeamten alleine nicht aus, um zuverlässig entscheiden zu können, ob nur ein einfacher oder ein qualifizierter Verstoß vorliege.

Laut aktuellem Bußgeldkatalog würde sich zwar an der Anzahl der Punkte und der Höhe des Fahrverbotes nichts ändern, da der Rotlichtverstoß nachweislich mit einer Gefährdung anderer einherging – die Polizisten hatten ausweichen müssen. Im Falle eines einfachen Verstoßes wäre nur das Bußgeld niedriger.

Entscheidend sei, wie die von der Vorinstanz als Zeugen vernommenen Polizeibeamten zu ihrer Schätzung gekommen seien. Es sei nämlich kaum anzunehmen, dass sie vor der späteren Schrecksituation überhaupt ein Augenmerk darauf gelegt hätten, wie lange es vom Beginn der Grünphase bis zum Anfahren ihres Fahrzeugs dauerte. „[D]enn dies hatte für sie – jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen – zu diesem Zeitpunkt keinerlei Relevanz“, heißt es dazu in dem Beschluss der Hammer Richter.

Fehlende Feststellungen

Im Übrigen würden auch Feststellungen dazu fehlen, wie weit der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug noch von der Ampel entfernt gewesen war, als diese von Gelb- auf Rotlicht umschaltete. Auch die Frage, ob es zu einer kritischen Annäherung zwischen den beiden Fahrzeugen gekommen sei, habe das Amtsgericht Paderborn nicht geklärt. Das hat nun die fehlenden Feststellungen nachzuholen. Sollte dem Beschwerdeführer dabei kein qualifizierter Rotlichtverstoß nachgewiesen werden können, wäre er nur wegen eines einfachen Verstoßes mit der Folge einer milderen Strafe zu verurteilen.

Auch das Amtsgericht Lüdinghausen hatte schon in einem anderen Urteil im Jahre 2014 entschieden, dass eine gefühlsmäßige Schätzung eines Polizeibeamten nicht ausreicht, um einem Verkehrsteilnehmer einen qualifizierten Rotlichtverstoß nachweisen zu können. Wäre durch den Rotlichtverstoß ein Unfall passiert, wäre es für den Schadenverursacher noch teurer geworden.

Denn eine bestehende Vollkaskoversicherung hätte in diesem Fall ihre Leistungen für den eigenen Schaden am Pkw des Schadenverursachers je nach Umstand eventuell wegen grober Fahrlässigkeit anteilig zur Schwere des Verschuldens kürzen können. Dieses Kostenrisiko lässt sich jedoch vermeiden, wenn im Rahmen der Vollkaskoversicherung eine Klausel vereinbart ist, die besagt, dass auch grob fahrlässig verursachte Schäden – mit Ausnahme von Schäden, die auf Alkohol- oder Drogenmissbrauch zurückzuführen sind – mitversichert gelten.



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