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Dauerschmerz: Kein Grund für vollständige Erwerbsminderung

Inwieweit ständige körperliche Beschwerden die Erwerbsfähigkeit vollständig mindern können, hatte ein Sozialgericht zu entscheiden.

(verpd) Erwerbstätige, deren Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund einer Erkrankung lediglich qualitativ, nicht aber quantitativ auf weniger als sechs Stunden täglich eingeschränkt ist, haben keinen Anspruch auf Zahlung einer gesetzlichen Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Sozialgerichts Stuttgart hervor (Az.: S 22 R 6202/17).

Eine 1978 geborene Frau bezog seit Oktober 2015 eine befristete gesetzliche Rente wegen einer teilweisen Erwerbsminderung. Weil sie täglich an ihrem gesamten Körper Schmerzen verspürte, beantragte sie die Anerkennung einer vollständigen Erwerbsminderung.

Dies lehnte der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die Begründung der Ablehnung: Trotz Schmerzen könne die Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen durchaus noch am Erwerbsleben teilnehmen. Jene schränkten ihr Leistungsvermögen qualitativ, nicht quantitativ ein.

Keine vollständige Erwerbsminderung

Mit ihrer daraufhin eingereichten Klage hatte die Frau keinen Erfolg. Sie wurde vom Stuttgarter Sozialgericht als unbegründet zurückgewiesen. Nach den Feststellungen des Gerichts seien der Klägerin zwar nur noch körperliche Tätigkeiten ohne längeres Stehen und Gehen und ohne Heben von Lasten über zehn Kilogramm zumutbar. Eine Tätigkeit, die diesen qualitativen Einschränkungen gerecht werde, könne sie jedoch noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Sowohl die Untersuchungsbefunde als auch die festgestellten Aktivitäten ihres täglichen Lebens würden gegen eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Versicherten sprechen. Ihr strukturierter Tagesablauf und ihre Freizeitgestaltung ließen darauf schließen, dass sie zu einem fortlaufenden Zeitmanagement befähigt sei wie auch erfolgreich Führungs- und Kontrollfunktionen ausüben könne.

Das Verhalten der Klägerin weiche deutlich von den Einschränkungen ab, die angesichts der von ihr beschriebenen körperlichen Beschwerden zu erwarten wären.

Noch nicht austherapiert

Auch spreche die geringe schmerztherapeutische Behandlungsfrequenz gegen die Beteuerung der Frau, dass sie die behaupteten Schmerzzustände dauerhaft nicht bewältigen könne. Medikamentös sei sie wenigstens noch nicht austherapiert.

Ihre Schmerzen hätten daher ein solches Ausmaß, dass sie auch ohne entsprechende ärztliche, therapeutische und medikamentöse Eingriffe im Alltag ausgehalten und bewältigt werden können. Von einer vollständigen Erwerbsminderung könne folglich keine Rede sein.

Im Übrigen komme es nicht darauf an, ob die Klägerin am Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz, der ihren Einschränkungen entspricht, erhalten könne. Denn dieses Risiko sei nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosen-Versicherung zu tragen.

Auch gesetzliche Rente hinterlässt Einkommenslücken

Grundsätzlich gilt, nur wer aufgrund eines psychischen oder physischen Leidens auf Dauer nicht oder weniger als sechs Stunden am Tag erwerbstätig sein kann, hat, sofern er die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente.

Bei der Feststellung einer Erwerbsminderung spielt es weder bei der vollen noch bei der teilweisen Erwerbsminderung eine Rolle, ob man den bisher ausgeübten oder auch erlernten Beruf noch ausüben kann, sondern nur, inwieweit man irgendeiner Erwerbstätigkeit noch nachgehen kann. Um die versicherungs-rechtlichen Anforderungen für eine Erwerbsminderungsrente zu erfüllen, muss ein Betroffener vor Eintritt der Erwerbsminderung bis auf wenige Ausnahmen mindestens die allgemeine fünfjährige Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung vorweisen können.

Außerdem muss er, in den letzten fünf Jahren vor der Erwerbsminderung wenigstens für drei Jahre Pflichtversicherungs-Beiträge für eine im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Tätigkeit entrichtet haben. Doch auch wer eine solche Rente erhält, muss mit erheblichen Einkommenseinbußen rechnen, da die Rentenhöhe selbst bei einer vollständigen Erwerbsminderung deutlich unter der Hälfte des bisherigen Einkommens liegt. Umso wichtiger ist bereits in jungen Jahren eine entsprechende private Vorsorge, zum Beispiel mit einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeits-Police.



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