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Die häufigsten Behandlungsfehler

Auch letztes Jahr gab es wieder mehrere Tausend Verdachtsfälle von vermuteten ärztlichen Kunstfehlern. Eine aktuelle Statistik zeigt, wie oft sich der Verdacht bestätigte, welches die häufigsten Ursachen waren und in welchen Bereichen die meisten Pannen passierten.

(verpd) Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) haben jüngst eine Auswertung ihrer gutachterlich aufgedeckten Behandlungspannen in Deutschland für das Jahr 2018 veröffentlicht. Die Experten sind dazu den über 14.100 entsprechenden Beschwerden nachgegangen. Für etwa jeden vierten Fall wurde der Verdacht bestätigt. Allerdings sind die Ergebnisse laut dem MDK nicht repräsentativ, da diese Fehler hierzulande nicht systematisch statistisch erfasst werden – es gibt nämlich keine Meldepflicht für mögliche Behandlungsfehler.

Laut Medizinischem Dienst der Krankenversicherung (MDK), einer Gemeinschafts-Einrichtung der gesetzlichen Krankenkassen, die fast in jedem Bundesland als eigenständige Arbeitsgemeinschaft organisiert ist, gilt: „Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf eine Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard. Die Behandlung und Aufklärung müssen sorgfältig, richtig und zeitgerecht erfolgen. Ist dies nicht der Fall, liegt ein Behandlungsfehler vor.“

„Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, kann er sich“, so die MDK weiter, „an seine gesetzliche Krankenkasse wenden.“ Die Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind verpflichtet, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen aufgrund von Behandlungsfehlern kostenlos zu unterstützen. Insgesamt gingen in 2018 bei den Krankenkassen 14.133 Meldungen ein, bei denen jeweils Behandlungsfehler vermutet und die zur Begutachtung der MDK vorgelegt wurden.

Jeder vierte Verdacht bestätigt

Vor Kurzem haben der MDK und der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) nun die „Jahresstatistik 2018: Behandlungsfehler-Begutachtung der MDK-Gemeinschaft“ für diese Fälle vorgelegt. Von den 14.133 Sachverständigen-Gutachten vermuteten Behandlungsfehlern – das entspricht einem Zuwachs um fast fünf Prozent beziehungsweise absolut um gut 600 Gutachten im Vergleich zum Jahr zuvor – wurde annähernd jeder vierte Verdacht bestätigt.

In knapp jedem fünften Fall wurde festgestellt, dass die Schädigung des Patienten durch den Fehler verursacht wurde: Die MDK bestätigten 4.006 Pannen, bei denen Patienten zu Schaden gekommen sind. In 2.799 Fällen konnte festgestellt werden, dass ein Behandlungsfehler für die Folgen ursächlich war. Aus der Statistik geht weiter hervor, dass gut jeder dritte Vorwurf Behandlungen durch einen niedergelassenen Arzt betraf. Die verbleibenden knapp zwei Drittel bezogen sich auf Leistungen im Krankenhaus. Eine ähnliche Aufteilung war auch im Jahr zuvor zu beobachten.

Die Statistik zeigt zudem, dass etwa jeder 26. bestätigte Behandlungsfehler tödliche Folgen hatte und in circa jedem 70. Fall lebensrettende Maßnahmen ergriffen werden mussten. Knapp jeder dritte Behandlungsfehler führte zu Dauerschäden. Die verbleibenden knapp zwei Drittel der Pannen hatten vorübergehende Folgen. Konkret führte in 107 Fällen der jeweilige Behandlungsfehler zum Tod, in 39 Fällen waren lebensrettende Maßnahmen notwendig und auch erfolgreich, in 881 Fällen kam es zu einer dauerhaften und in 1.772 Fällen zu einer vorübergehenden Schädigung des betroffenen Patienten.

Bereiche mit den meisten Behandlungsfehlern …

Die meisten dokumentierten Behandlungsfehler je erstellte Einzeldiagnose betrafen Behandlungen von Zahnkaries (124 Fälle) sowie Krankheiten des Zahnmarks und der Zahnwurzel (120 Fälle). Dahinter folgen Behandlungen von Kniegelenksverschleiß (108 Fälle), Oberschenkelbrüche (105 Fälle) und Hüftgelenksverschleiß (104 Fälle). Die drei letztgenannten landeten auch in der Erhebung der Ärztekammern oben in der Rangliste.

Schlüsselt man die Reklamationen auf medizinische Fachgebiete auf, dann entfällt – wie letztes Jahr auch – fast ein Drittel auf den Bereich „Orthopädie und Unfallchirurgie“ – im Detail 4.349 der 14.133 untersuchten Fälle. Gut jeder achte Fall, nämlich 1.792 Behandlungsfehler, ist dem Segment „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ zuzuordnen.

Dahinter folgen die Bereiche „Allgemein- und Viszeralchirurgie“ mit 1.315 Fällen, „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ mit 1.231 Fällen, „Zahnmedizin“ mit 1.109 Fällen sowie der Bereich „Pflege“ mit 794 Fällen von Behandlungsfehler-Vorwürfen. Auf dem Gebiet der „Orthopädie und Unfallchirurgie“ wurden auch die mit großem Abstand meisten Fälle mit Behandlungsfehlern, nämlich 1.164 Fälle festgestellt. Dahinter folgen die Bereiche „Pflege“ mit 401, „Zahnmedizin“ mit 358 sowie „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ mit 336 Fälle mit festgestellten Behandlungsfehlern.

… oder auch hohen Fehlerquoten

Auffällig hoch ist der Beschwerdeanteil in den Bereichen „Radiologie“. Hier waren 86 der 150 gemeldeten Fälle tatsächliche Behandlungsfehler, was einer Quote von 57,3 Prozent entspricht. Auch auf dem Gebiet der „Pflege“ war die Quote mit 50,5 Prozent hoch – von 794 Verdachtsfällen wurden 401 bestätigt.

Überdurchschnittlich hoch waren die Quoten mit weit über 30 Prozent und zum Teil sogar über 40 Prozent in folgenden Segmenten: in der „Kinder und Jugendmedizin“ mit 79 bestätigten von 187 gemeldeten Fällen, in der „Zahnmedizin“ mit 358 bestätigten von 943 Fällen, in der „Inneren Medizin und Nephrologie“ mit 20 bestätigten von 58 gemeldeten Fällen sowie in der „Oralchirurgie“ mit 24 bestätigten von 73 gemeldeten Fällen.

Die hohen Anteile in „Pflege“ und „Zahnmedizin“ werden in der Jahresstatistik laut deren Autoren darauf zurückgeführt, „dass Pflegefehler und Fehler in der Zahnbehandlung leichter für den Patienten anhand der vorliegenden Beschwerden (Schäden) erkennbar sind. Auch die Höhe dieser Quote ist deshalb kein Hinweis auf eine besondere Gefährdung in einem Fachgebiet.“

Die häufigsten Fehlerarten

Die Jahresstatistik gibt auch Aufschluss über die Fehlerarten bei den festgestellten Behandlungsfehlern. Häufigste Ursache, nämlich in jeweils rund vier von zehn Fällen war, dass eine indizierte Maßnahme entweder falsch beziehungsweise trotz Möglichkeit, Zumutbarkeit und Verfügbarkeit erst gar nicht durchgeführt wurde. Jeder achte Fehler war, dass eine erforderliche Maßnahme zwar korrekt, aber zeitlich zu spät durchgeführt wurde. Bei jedem zwölften Behandlungsfehler wurde ein falsche medizinische Maßnahme oder Operation durchgeführt.

Bei Letzteren stellt sich die Frage, ob die Behandlung überhaupt erforderlich oder die primär angezeigte war. Das Fazit von Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS, zur mittlerweile siebten Auflage der Jahresstatistik fällt ernüchternd aus: „Jahr für Jahr berichten wir über die gleichen, zum Teil schwerwiegenden, vermeidbaren Schadenereignisse. Dazu gehören Seitenverwechslungen, Medikationsfehler oder zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen. Vor allem für die Patientinnen und Patienten ist das nicht akzeptabel.“

Die zuletzt angesprochenen Fälle – insgesamt 30 an der Zahl – werden ebenso in der Statistik aufgeführt wie elf Fälle von falschen Operationen (Verwechslungen der Person) und 13 Fälle von Operationen am falschen Körperteil des Patienten.

Nicht repräsentativ

Die Autoren der MDK-Jahresstatistik heben zwar hervor, dass die vorgelegten Zahlen den umfangreichsten Datensatz zu Kunstfehlern darstellten, „der in Deutschland aus einem aktuellen Einjahreszeitraum veröffentlicht wird“.

„Die Ergebnisse aus der Begutachtung der MDK-Gemeinschaft können dennoch weder für die in Deutschland insgesamt erhobenen Behandlungsfehler-Vorwürfe noch für alle tatsächlich auftretenden Missgriffe beziehungsweise ‚vermeidbaren unerwünschten Ereignisse‘ in der Medizin repräsentativ sein. Jegliche Interpretationen sind vor dieser Einschränkung zu sehen und mit entsprechender Vorsicht vorzunehmen“, wie in der Bilanz weiter betont wird. Denn es gibt noch weitere Behandlungsfehler-Vorwürfe, die von anderen Stellen bewertet werden.

Einige werden zum Beispiel über die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern bearbeitet, andere direkt zwischen Patientenseite und Leistungserbringern wie Krankenhäusern oder auch vor Gerichten verhandelt. In der privaten Krankenversicherung (PKV) kümmern sich außerdem die Krankenversicherer um Beschwerden über vermutete ärztliche Kunstfehler. Auch diese Fälle sind in der MDK-Statistik nicht aufgeführt.

Informationen zu den Patientenrechten

Informationen über die Rechte, die ein Patient im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers hat, enthält der zweiseitige Flyer „Was Sie als Patient wissen sollten“, der kostenfrei beim MDK heruntergeladen werden kann.

Details, wie bei der Begutachtung von Behandlungsfehlern vorgegangen wird und wann Versicherte Anspruch auf Schadenersatz haben, hat die MDK in einem weiteren kostenlos herunterladbaren vierseitigen PDF-Dokument zusammengestellt.

Privat Krankenversicherte können sich im Falle einer Fehlbehandlung an ihre private Krankenversicherung wenden, um mögliche Unterstützungsmaßnahmen durch den Versicherer zu klären. Eine weitere Anlaufstelle für gesetzlich oder privat Krankenversicherte ist die Unabhängige Patientenberatung Deutschland gGmbH (UPD), die in ihrem Webportal über Patientenrechte und andere Gesundheitsthemen informiert.



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