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Eine Vorfahrt gilt nicht um jeden Preis

Zu zeigen, dass man der Stärkere ist, ist auch im Straßenverkehr keine gute Idee. Das belegt ein Urteil eines Landgerichts zu einem Auffahrunfall auf einer Schnellstraße.

(verpd) Ein Autofahrer, der ohne Not ein besonders riskantes unfallträchtiges Fahrmanöver durchführt, ist unter Umständen selbst dann ganz überwiegend für die Folgen eines Unfalls verantwortlich, wenn ihm zuvor vermeintlich die Vorfahrt genommen wurde. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Osnabrück hervor (Az.: 7 S 404/17).

Ein Mann befuhr mit seinem Pkw außerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine dreispurige Vorfahrtsstraße, als eine von rechts kommende Fahrerin mit ihrem Wagen auf die Straße einbog.

Als Reaktion lenkte er sein Fahrzeug zunächst auf die mittlere Fahrspur, bremste es aber kurz darauf bis zum Stillstand auf der Spur, auf welcher sich mittlerweile die Frau mit ihrem Auto befand, ab. Diese schaffte es nicht mehr, rechtzeitig zu bremsen, und fuhr auf den Pkw des Mannes auf. Der Mann verklagte die Frau daraufhin auf Schadenersatz für sein bei dem Unfall beschädigtes Fahrzeug.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Der Kläger erklärte den Bremsvorgang vor Gericht damit, dass sein Fahrzeug durch den seiner Meinung nach erzwungenen Spurwechsel ins Schleudern geraten sei. Bei seinem Bemühen, es wieder einzufangen, sei der erneute Spurwechsel und die Bremsung bis zum Stillstand erforderlich gewesen. Dem hielt die beklagte Frau entgegen, dass der Kläger anstatt mit der an der Unfallstelle erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern mit geschätzten 120 Stundenkilometern unterwegs gewesen sei.

Sie habe ihn bei ihrem Einbiegevorgang daher erst im allerletzten Augenblick wahrnehmen können. Im Übrigen sei die Vollbremsung des Klägers nur so zu erklären, dass er sie wegen der von ihm behaupteten Vorfahrtsverletzung habe disziplinieren wollen. Ins Schleudern sei er nicht gekommen. Die Beklagte hielt daher ausschließlich den Kläger für den Unfall verantwortlich. Vor Gericht errang der Kläger in erster Instanz einen überwiegenden Erfolg.

Weil sich der Unfall in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einbiegevorgang der Beklagten ereignet hatte, sprach der Anscheinsbeweis nach Meinung des Amtsgerichts überwiegend für deren Verschulden. Das Gericht gab der Klage daher mit einer Haftungsverteilung von zwei Dritteln zu einem Drittel zulasten der Beklagten statt.

Unnötiges und riskantes Fahrmanöver

Doch dem wollten sich die in Berufung mit dem Fall befassten Richter des Osnabrücker Landgerichts nicht anschließen. Sie drehten den Spieß um und sprachen dem Kläger lediglich den Ersatz von einem Drittel seines Schadens zu. Nach Ansicht des Gerichts konnte keiner der Unfallbeteiligten seine Schadenschilderung beweisen. Ein Sachverständiger kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger sein Fahrzeug ohne Not und ohne dass es zu einem Schleudervorgang gekommen wäre, angesichts der Verhältnisse am Unfallort vor der einbiegenden Beklagten hätte zum Stillstand bringen können.

Dies gelte selbst dann, wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, mit 120 Stundenkilometern unterwegs gewesen sein sollte. Das Gericht zeigte sich daher davon überzeugt, dass der Kläger durch sein unnötiges und riskantes Vorbeiziehen am Kfz der Klägerin sowie das anschließende Bremsmanöver die Betriebsgefahr seines Pkws derart erhöht hatte, dass ganz überwiegend er für den Unfall verantwortlich gewesen war.

Im Übrigen hegte das Gericht erheblich Zweifel an der Behauptung des Klägers, dass sein Fahrzeug wegen des angeblich erzwungenen Fahrspurwechsels ins Schleudern geraten war. „Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger ohne Not ein besonders riskantes und unfallträchtiges Fahrmanöver durchführte, welches die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs deutlich erhöhte und sich konkret in der anschließenden Kollision auswirkte, sodass eine Haftungsverteilung von zwei Dritteln (Kläger) zu einem Drittel (Beklagte) angemessen erscheint“ – heißt es abschließend in der Urteilsbegründung.



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