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Einhalten des Tempolimits kann zu schnell sein

Nicht nur Nebel, Eis und Schnee können es erforderlich machen, dass man mit seinem Kraftfahrzeug einer Straße weit unter der dort eigentlich geltenden Geschwindigkeits-Begrenzung unterwegs ist, wie ein Gerichtsurteil verdeutlicht.

(verpd) Autofahrer sind dazu verpflichtet, bei Dunkelheit und erkennbarem Gegenverkehr auf schmalen Straßen auf halbe Sicht zu fahren, auch wenn das bedeutet, dass die Geschwindigkeit dafür weit unter dem erlaubten Tempolimit liegt. Das belegt ein aktuell getroffenes Urteil des Oberlandesgerichts Celle (Az.: 14 U 182/19).

Ein Mann war bei Dunkelheit auf einer Landstraße mit seinem überbreiten landwirtschaftlichen Gespann unterwegs. Dort kollidierte er mit einem ihm entgegenkommenden Pkw. Dabei entstand erheblicher Sach- und Personenschaden.

Für den Unfall hielt der Fahrer des landwirtschaftlichen Fahrzeugs allein die Fahrerin des Pkws, mit dem er zusammenstieß, für verantwortlich und forderte von der Frau einen Schadenersatz für den Unfallschaden an dem landwirtschaftlichen Gespann. Die Autofahrerin sei nach seiner Ansicht nach angesichts der Straßen- und Sichtverhältnisse deutlich zu schnell gefahren.

Unangemessene Geschwindigkeit

Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Pkws ging hingegen davon aus, dass der Fahrer des landwirtschaftlichen Fahrzeugs den Unfall zur Hälfte mitverschuldet hatte. Er wollte sich daher nur mit einer Quote von 50 Prozent an den Reparaturkosten für den Schlepper und den Anhänger beteiligen.

Der Halter des Gespanns zog dagegen vor Gericht. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Verden hielt die Klage auf Zahlung der restlichen Hälfte für unbegründet. Es wies die Klage daher ab.

Mit seiner hiergegen beim Celler Oberlandesgericht eingelegten Berufung errang der Kläger einen Teilerfolg.

Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung

Nach Überzeugung des Berufungsgerichts ist die Fahrerin des Pkws überwiegend für den Unfall verantwortlich. Sie habe zwar die am Unfallort erlaubte Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometern – wenn überhaupt – nur geringfügig überschritten. Das bedeute aber nicht, dass sie mit einer den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasste Geschwindigkeit gefahren sei. Es war dunkel, die Straße nur 4,95 Meter breit, ohne Fahrbahnmarkierungen, sowie mit nicht befestigtem Seitenstreifen, und es war in einer leichten Rechtskurve Gegenverkehr erkennbar.

Daher genüge das von der Fahrerin gefahrene Tempo nicht den Anforderungen des Paragraf 3 Absatz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung). Dort heißt es auszugsweise: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen ...“.

Weiter steht hier: „Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.“

Mithaftung aus Betriebsgefahr

Die Frau habe folglich einkalkulieren müssen, dass das für sie im Gegenverkehr erkennbare Gespann überbreit war und ihr weniger Platz zur Verfügung stand, als es bei einem entgegenkommenden Pkw der Fall gewesen wäre. Sie habe deshalb so langsam fahren müssen, dass sie ihr Fahrzeug mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke hätte anhalten können.

Trotz dieses Verkehrsverstoßes habe der Eigentümer des landwirtschaftlichen Gespanns jedoch keinen Anspruch auf vollständigen Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Angesichts seines überbreiten landwirtschaftlichen Gespanns mit einem Gewicht von 18 Tonnen müsse er sich nämlich eine erhöhte Betriebsgefahr anrechnen lassen.

Der Versicherer des Pkws müsse ihm daher nur 70 Prozent seiner unfallbedingten Aufwendungen ersetzen.

Schadenregulierung bei einer Teilschuld

Grundsätzlich gilt: Je nachdem wie hoch der Anteil der (Teil-)Schuld ist, den ein Unfallbeteiligter am Unfall hat, übernimmt die Kfz-Haftpflichtversicherung des Pkws, mit dem der Unfallbeteiligte den Unfall mitverursacht hat, die Schadenhöhe des Unfallgegners anteilig.

Wer also, wie im genannten Fall, zu 70 Prozent an einem Unfall schuld ist, muss auch 70 Prozent des beim Unfallgegner entstandenen Schadens bezahlen beziehungsweise die Kfz-Haftpflichtversicherung übernimmt diese 70-prozentige Schadenzahlung. Die restlichen 30 Prozent werden dem geschädigten Unfallgegner nicht ersetzt.

Doch auch der Unfallfahrer, der eine Teilschuld am Unfall hat, im genannten Fall also die Pkw-Fahrerin, erhält den Schaden des eigenen Autos nur teilweise (anteilig) bezahlt und muss die Restkosten aus der eigenen Tasche begleichen. Kostenschutz bietet hier jedoch eine Vollkasko-Versicherung, sofern eine solche besteht. Die Vollkasko-Versicherung leistet nämlich unter anderem für Unfallschäden am eigenen Fahrzeug, für die ein anderer nicht oder nur anteilig haftet.

Schlechterstellung des Schadenfreiheitsrabatts

Muss die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung zahlen, weil man mit dem versicherten Kfz einen Unfall komplett oder auch nur anteilig verschuldet hat, kommt es im darauffolgenden Kalenderjahr zu einer Schlechterstellung des Schadenfreiheitsrabatts (SFR) und damit oft zu einer Beitragserhöhung.

Das Gleiche gilt für die Vollkaskoversicherung: Wer sie in Anspruch nimmt und sich seinen eigenen Schaden, der bei einem selbst verursachten Unfall oder bei einem Unfall, für den er eine Mitschuld trägt, entstanden ist, erstatten lässt, muss mit einer Höherstufung der SF-Klasse und damit im nächsten Jahr mit einer höheren Kfz-Prämie rechnen.

Inwieweit die Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung im Hinblick auf die dadurch steigenden Versicherungsbeiträge sinnvoll ist, hängt von der Schadenhöhe und der Prämienhöhe, die nach der SFR-Höherstufung erfolgt, ab. Ob es günstiger ist, einen (Rest-)Schaden am eigenen Pkw aus der eigenen Tasche zu zahlen, kann im Fall des Falles beim Kaskoversicherer oder beim Vermittler erfragt werden.



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