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Fahrradunfall durch ein fast nicht ersichtliches Hindernis

Auch Radfahrer können an einem Unfall schuld sein, wenn sie zu schnell fahren und deswegen zum Beispiel mit einem vor ihnen bremsenden Auto kollidieren. Welche Schuld sie jedoch trifft, wenn sie nicht mit einem Hindernis rechnen und es auch nicht sofort erkennen können, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Fahrradfahrer dürfen ebenso wie andere Verkehrsteilnehmer nur so schnell fahren, dass sie ihr Zweirad innerhalb der übersehbaren Strecke zum Stehen bringen können. Das gilt allerdings nicht für Hindernisse, auf die nichts hindeutet. So entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil (Az.: III ZR 250/17).

Ein Mann war in seiner Freizeit im Hamburger Umland mit seinem Mountainbike unterwegs. Dabei bog er in einen unbefestigten Feldweg ab. Nach ungefähr 50 Meter befand sich auf dem Weg eine Absperrung. Diese bestand aus zwei Holzpfosten. An einem der Pfosten war ein Sperrschild für Kraftfahrzeuge befestigt. Der Radfahrer ging daher davon aus, dass er den Weg als Fahrradfahrer nutzen könne. Was der Mann jedoch nicht bemerkt hatte, waren zwei verzinkte Stacheldrähte, die in einer Höhe von 60 beziehungsweise 90 Zentimetern quer über den Weg gespannt waren.

Als er diese wahrnahm, leitete er eine Vollbremsung ein. Es gelang ihm aber nicht, sein Fahrrad rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Der Radler stürzte daher kopfüber in das Hindernis und konnte sich anschließend nicht mehr bewegen. Er wurde erst knapp zweieinhalb Stunden später zufällig von einem Jagdpächter entdeckt. Nach Einlieferung ins Krankenhaus stellte sich heraus, dass er sich einen Halswirbel gebrochen hatte und vom Hals abwärts gelähmt war. Der Mann ist seitdem pflegebedürftig und bedarf einer lebenslangen aufwendigen Weiterbehandlung.

Verletzung der Verkehrssicherungs-Pflicht?

Der betroffene Radfahrer verklagte die für den Weg verantwortliche Gemeinde und zwei ebenfalls für den Feldweg zuständigen Jagdpächter auf Zahlung von Schadenersatz sowie eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 500.000 Euro. Er begründete dies damit, dass sie ihre Verkehrssicherungs-Pflicht verletzt hätten, weil er nicht mit den quer über den Weg gespannten ungekennzeichneten Drähten habe rechnen müssen.

Damit hatte er zunächst keinen Erfolg. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Lübecker Landgericht hielt die Klage in Gänze für unbegründet, denn der Kläger habe sich in seiner Fahrweise auf das Hindernis einstellen müssen.

Auch mit der daraufhin beim Oberlandesgericht Schleswig eingelegten Berufung hatte der Kläger nur geringen Erfolg. Die Richter folgten zwar der Argumentation, dass die Beklagten ihre Verkehrssicherungs-Pflicht verletzt hatten. Sie gaben der Berufung allerdings nur unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des Verletzten in Höhe von 75 Prozent statt.

Bundesgerichtshof: verkehrswidriges Hindernis

Dem wollten sich jedoch die in Revision mit dem Fall befassten Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht anschließen. Sie gingen von einem ganz überwiegenden Verschulden der Gemeinde beziehungsweise der Jagdpächter aus.

Nach Ansicht des BGH stellt ein Stacheldraht, der quer über einen für die Nutzung durch Fahrradfahrer zugelassenen Weg gespannt und nicht auffällig gekennzeichnet ist, ein verkehrswidriges Hindernis dar.

Denn mit derartigen Hindernissen müsse ein Fahrradfahrer nicht rechnen. Den Beklagten sei daher zu Recht eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungs-Pflicht vorgeworfen worden.

Kein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne man dem Verletzten auch kein Mitverschulden wegen eines Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot anlasten. Denn dieses gebiete nicht, dass ein Fahrer seine Geschwindigkeit auf Objekte einrichten muss, die sich zwar im Sichtbereich befinden, aber bei einer unübersichtlichen Lage aus großer Entfernung nicht zu erkennen sind.

„Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet. Denn anderenfalls dürfte sich ein Fahrer stets nur mit minimalem Tempo bewegen, um noch rechtzeitig anhalten zu können“, so der Bundesgerichtshof.

Von einem derartigen Hindernis sei im Fall des Klägers auszugehen. Daran ändere auch das an einer der Holzlatten angebrachte Sperrschild für Kraftfahrzeuge nicht, denn das erwecke im Gegenteil den Eindruck, dass der Weg für Fahrradfahrer frei passierbar sei.

Mitverschulden wegen der Nutzung von Klickpedalen?

Dem Verletzten könne auch nicht vorgeworfen werden, fehlerhaft auf das Hindernis reagiert zu haben. Denn er habe in der für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage offenbar keine Zeit zu einer ruhigen Überlegung gehabt. Deshalb habe er auch „möglicherweise nicht das Richtige und Sachgerechte unternommen, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlichem Erschrecken objektiv falsch reagiert“.

Ein Mitverschulden des Klägers könne sich höchstens daraus ergeben, dass er auf dem unbefestigten Weg mit Klickpedalen und nicht mit herkömmlichen Pedalen unterwegs war. Einzelheiten dazu müssten jedoch von der Vorinstanz geklärt werden, an die der Fall zurückverwiesen wurde. Der Mitverschuldensanteil sei gegebenenfalls jedoch allenfalls mit 25 Prozent zu bewerten.

Tipp: Wer als Radfahrer unfallbedingte Schadenersatzansprüche gegenüber einem Unfallgegner geltend machen möchte, dem hilft eine Privatrechtsschutz-Police weiter. Denn diese übernimmt nach einer Leistungszusage des Rechtsschutz-Versicherers die entsprechenden Anwalts- und Prozesskosten.



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