ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Jobaufgabe wegen Pflege der Mutter: Sozialwidriges Verhalten?

Inwieweit einem Arbeitnehmer, nachdem er wegen der Pflege eines Angehörigen seinen Job beendet hatte, eine bereits gewährte Arbeitslosengeld-II(Hartz IV)-Leistung gekürzt werden kann, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Einem Arbeitnehmer, der seinen Job aufgibt, weil er sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmern will, darf je nach den Umständen des Einzelfalls nicht wegen angeblich sozialwidrigen Verhaltens vorübergehend das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) gekürzt werden. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: L 13 AS 162/17).

Eine 38-jährige Frau lebte zusammen mit ihrer schwerbehinderten und pflegebedürftigen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt. Die 38-Jährige war in Vollzeit als Hallenaufsicht am Bremer Flughaften beschäftigt und wollte Stewardess werden. Gleichzeitig kümmerte sie sich um die Pflege ihrer Mutter. Nachdem sich deren Gesundheitszustand nach einem Unfall deutlich verschlechtert hatte, lösten sich die beruflichen Pläne der jungen Frau in Luft auf.

Sie konnte ihre Arbeit, die einen Schichtdienst erforderte, und die Pflege ihrer Mutter nicht mehr miteinander vereinbaren und schloss daher mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag ab. Das wertete das Jobcenter, von welchem die Frau ab der Jobaufgabe eine Grundsicherungs-Leistung (Arbeitslosgengeld II) bezog, als sozialwidriges Verhalten. Das Jobcenter forderte daher einen Teil der bereits gezahlten Leistungen von ihr zurück. Dagegen wehrte sich die Betroffene und reichte eine Gerichtsklage gegen die Entscheidung des Jobcenters ein.

Eine Frage des Einzelfalls

Das Argument des Jobcenters, warum sie das Verhalten der 38-Jährigen als sozialwidrig einstufte: Die Arbeitnehmerin habe schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages gewusst, dass sie im Schichtdienst arbeiten werde. Ihre Mutter habe außerdem lediglich die Pflegestufe II. Die Tochter müsse die Pflege daher nicht selbst übernehmen. Das könne auch durch einen Pflegedienst geschehen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei folglich nicht erforderlich gewesen und grob fahrlässig erfolgt.

Dieser Argumentation wollten sich die Richter des Landessozialgerichts nicht anschließen. Sie gaben der Klage der Frau auf die Zahlung ungekürzter Grundsicherungs-Leistungen durch das Jobcenter statt. Das Gericht stellte zwar nicht in Abrede, dass grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist, wenn die Pflege von Angehörigen anderweitig sichergestellt werden kann. Der Tochter seien daher bei der Pflegestufe II ihrer Mutter Arbeitszeiten von bis zu sechs Stunden täglich zumutbar. Entscheidend seien jedoch die Umstände des Einzelfalls.

Die Klägerin habe nämlich im Schichtsystem auf Abruf mit variablen Zeiten gearbeitet. Die Einsatzzeiten seien ihr erst vier Tage vor Schichtbeginn mitgeteilt worden. Das aber sei mit einer dreimal täglich anfallenden Pflege ihrer Mutter nicht vereinbar.

Selbstbestimmungsrecht der Mutter

Zu berücksichtigen sei auch das Selbstbestimmungsrecht der Mutter der Klägerin. Denn diese hatte es abgelehnt, sich von einem Pflegedienst betreuen zu lassen. Sie bestand darauf, ausschließlich von ihrer Tochter gepflegt und betreut zu werden. Dass sich die Tochter diesem Wunsch gebeugt hatte, sahen die Richter nicht als sozialwidrig an. Es habe ihr vielmehr freigestanden, zunächst die Vereinbarkeit von Arbeit und Pflege zu testen, ohne sich im Fall eines Scheiterns einem Ersatzanspruch des Jobcenters aussetzen zu müssen.

Wie der Fall zeigt, kann es durchaus sinnvoll sein, sich gerichtlich gegen die Entscheidung eines Sozialversicherungs-Trägers – im geschilderten Fall war es das Jobcenter, der Träger der Arbeitslosen-Versicherung – zu wehren. Zwar sind Verfahren vor einem Sozialgericht hinsichtlich der Gerichtskosten inklusive der gerichtlich eingeholten Gutachten für die in der Sozialversicherung Versicherten, für die Leistungsempfänger und für behinderte Menschen kostenlos.

Jedoch muss man seine Rechtsanwaltskosten, sofern man den Gerichtsprozess verloren oder einem Vergleich zugestimmt hat, in der Regel selbst übernehmen – außer man hat eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung. Eine derartige Police übernimmt nämlich im Streitfall unter anderem die Anwaltskosten bei einem Sozialgerichtsstreit, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und vorab eine Leistungszusage durch den Rechtsschutzversicherer erteilt wurde. Sie trägt aber auch bei zahlreichen anderen Auseinandersetzungen anfallende Gerichts- und Anwaltskosten.



Zurück zu Versicherung + Vorsorge

© 2024 by ARNOLD & PARTNER

Diese Website verwendet Cookies zur Steigerung von Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Durch die weitere Nutzung unserer Website erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Schließen