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Nicht jede Straße einer Gemeinde muss eisfrei sein

Ein Gericht hatte zu klären, ob und wie schnell eine Gemeinde reagieren muss, um eine öffentliche Straße, die in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, von Schnee und Eis zu befreien und inwieweit sie dementsprechend für einen Glätteunfall mit verantwortlich gemacht werden kann.

(verpd) Allein eine Meldung, dass sich auf einer Straße Glatteis gebildet hat, verpflichtet eine Gemeinde nicht dazu, den Winterdienst loszuschicken. Das gilt zumindest dann, wenn es sich um eine Straße mit geringer Verkehrsbedeutung handelt, so das Oberlandesgericht Hamm in einem veröffentlichten Urteil (Az.: 11 U 17/16).

Eine Frau war mit dem Wagen ihres Mannes auf einer außerhalb einer geschlossenen Ortschaft befindlichen Straße unterwegs, als sie wegen Glatteisbildung die Kontrolle über das Auto verlor und von der Fahrbahn abkam. Die abschüssige, kurvenreiche Straße diente als Zufahrt für nur wenige Häuser, in denen rund 40 Personen lebten. Wie sich herausstellte, hatte eine Anwohnerin ein bis zwei Stunden vor dem Unfall das Straßenreinigungsamt angerufen und darum gebeten, den Winterdienst zu schicken, um die Straßenglätte zu beseitigen. Das war jedoch nicht geschehen.

Der Halter des verunfallten Pkws nahm den Vorfall zum Anlass, die Gemeinde wegen der Verletzung ihrer Verkehrssicherungs-Pflicht auf Schadenersatz in Höhe von rund 11.300 Euro zu verklagen. Denn spätestens nachdem ihr die Straßenglätte gemeldet worden war, hätte sie unverzüglich für Abhilfe sorgen müssen. Doch dem wollte sich das Hammer Oberlandesgericht nicht anschließen. Es gab der Berufung der Gemeinde gegen ein Urteil der ersten Instanz, welche dem Kläger recht gegeben hatte, statt.

Von den Umständen des Einzelfalls

Nach Überzeugung der Richter kann der Gemeinde keine Verletzung ihrer Amtspflichten vorgeworfen werden. Denn der Umfang der einer Kommune obliegenden winterlichen Räum- und Streupflicht richte sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen seien die Art und die Wichtigkeit des jeweiligen Verkehrsweges sowie dessen Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs.

Doch selbst, wenn sich daraus eine Räum- und Streupflicht ergeben sollte, so stehe sie sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren. Es komme folglich auch auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde an.

Zunächst seien nämlich die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu streuen. Erst danach müssten gegebenenfalls weniger bedeutende Straßen- und Wegstrecken gesichert werden.

Keine Pflichtverletzung

Es komme hinzu, dass außerhalb geschlossener Ortslagen lediglich die für den Kraftfahrzeugverkehr besonders gefährlichen Stellen gestreut werden müssten. Auf wenig befahrenen Straßen bestehe hingegen grundsätzlich keine Räum- und Streupflicht. Es sei denn, dass bestimmte Abschnitte als besonders gefährlich bekannt seien und sich die Nutzer nicht auf die Gefahren einstellen können.

Gerade im Winter habe sich jedoch grundsätzlich jeder Verkehrsteilnehmer den ihm erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergeben sich nach Ansicht der Richter in dem entschiedenen Fall keine Räum- und Streupflicht und damit keine Pflichtverletzung der beklagten Gemeinde. Denn die Straße, auf welcher sich der Unfall ereignet hat, liegt außerhalb geschlossener Ortschaften. Als wenig befahrene Straße, die nur wenige Häuser mit dem Straßennetz verbinde, fehle ihr außerdem die Verkehrswichtigkeit.

Unzumutbarer Aufwand

„Die Beklagte habe folglich davon ausgehen dürfen, dass sich die Anwohner den winterlichen Verhältnissen anpassen und notfalls Schneeketten anlegen oder vom Befahren der Straße Abstand nehmen und zu Fuß gehen würden“, so das Gericht.

Sehe man das anders, wäre die Beklagte in dem durch zahlreiche Höhenunterschiede geprägten Gemeindegebiet gehalten, eine Vielzahl von Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung abzustreuen. Dieser Aufwand sei ihr nicht zumutbar.

Die Annahme, dass die Entscheidung der Gemeinde, die Straße am Unfalltag nicht abstreuen zu lassen, vertretbar war, wird nach Auffassung des Gerichts durch einen weiteren Aspekt gestützt. Einer anderen Anwohnerin sei es nämlich vor und nach dem Unfall gelungen, die nicht abgestreute Straße unfallfrei zu befahren. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.



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