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Teilschuld wegen Überschreiten der Richtgeschwindigkeit?

Wann die Überschreitung der auf Autobahnen geltenden Richtgeschwindigkeit bei einem Unfall zu einem Mitverschulden führen kann und wann nicht, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Fährt der Fahrer eines Pkws auf einer Autobahn auf einen unvermittelt die Fahrspur wechselnden Lastkraftwagen auf, so trifft ihn kein Mithaftungsanteil. Das gilt auch dann, wenn er zum Zeitpunkt des Unfalls nachweislich die Richtgeschwindigkeit um 20 Prozent überschritten hat. Das hat das Landgericht Rottweil mit einem Urteil entschieden (Az.: 1 S 57/16).

Weil sie ein anderes Fahrzeug überholen wollte, war die Fahrerin eines Lkws auf einer Autobahn plötzlich auf die linke Fahrspur ausgeschert. Der Fahrer eines sich von hinten nähernden Pkws konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren und fuhr auf den Lkw auf.

Mitverschulden?

Die Lkw-Fahrerin räumte zwar ein, überwiegend für den Unfall verantwortlich zu sein. Sie warf dem aufgefahrenen Pkw-Fahrer jedoch ein Mitverschulden vor. Denn dieser habe zum Zeitpunkt des Unfalls nachweislich die auf Autobahnen geltende Richtgeschwindigkeit um 20 Prozent überschritten. Der Fall landete schließlich vor Gericht.

Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Amtsgericht ging gleichwohl von einer ausschließlichen Haftung der Lkw-Fahrerin aus. Denn zu dem Unfall sei es nur deswegen gekommen, weil diese weder ihre gesteigerten Sorgfaltspflichten beim Ausscheren im Sinne von Paragraf 5 Absatz 4 Satz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) noch jene beim Fahrstreifenwechsel (Paragraf 7 Absatz 5 StVO) beachtet habe.

Sie habe auch gegen das Erfordernis einer wesentlich höheren Geschwindigkeit beim Überholen gemäß Paragraf 5 Absatz 2 Satz 2 StVO verstoßen. Ein Mitverschulden des Pkw-Fahrers komme daher nicht in Betracht. Dem schloss sich das von dem Halter des Lkws in Berufung angerufene Rottweiler Landgericht an und wies dessen Berufung gegen das Amtsgerichtsurteil als unbegründet zurück.

Keine Mithaftung

Die Begründung des Landgerichts: In der Rechtsprechung werde zwar bei bestimmten Konstellationen in der Regel eine Mithaftung des Auffahrenden in Höhe der normalen Betriebsgefahr angenommen. Dies gelte etwa für Situationen, in denen ein Fahrzeug auf der Autobahn auf die Überholspur wechselt, auf der von hinten ein anderes Fahrzeug mit einer höheren Geschwindigkeit als der Richtgeschwindigkeit folgt und es dann zu einem Auffahrunfall kommt.

Das Gericht zeigte sich in dem entschiedenen Fall jedoch davon überzeugt, dass der Unfall für den beklagten Pkw-Fahrer wegen des grob verkehrswidrigen Verhaltens der Lkw-Fahrerin letztlich unvermeidbar, wenn auch nicht unabwendbar im Sinne des Gesetzes war. Eine Mithaftung schließe sich daher aus, zumal die Betriebsgefahr des schwerfälligen Lkws des Klägers erheblich über der des Pkws des Beklagten gelegen habe. Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Revision gegen seine Entscheidung zuzulassen.

Wäre die Unfallverursacherin mit einem Pkw gefahren und hätte sie zudem noch nachweisen können, dass es bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit nicht zu einem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre, hätte der Auffahrende mit einer Mithaftung rechnen müssen. Dies zeigen die Urteile des Landgerichts Wiesbaden (Az.: 8 O 94/14) und des Oberlandesgerichts Koblenz in (Az.: 12 U 313/13) in ähnlich gelagerten Fällen.



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