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Unfall nach überschrittener Richtgeschwindigkeit

Ob bei einem Unfall auf der Autobahn ein an sich unschuldiger Unfallgeschädigter auf einem Teil seines Schadens sitzen bleibt, nur weil er zum Unfallzeitpunkt die Richtgeschwindigkeit leicht überschritten hat, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Hat der Fahrer eines Kraftfahrzeugs die auf Autobahnen geltende Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern nur maßvoll überschritten, so ist das kein Grund, ihm deswegen im Fall eines nicht von ihm verschuldeten Unfalls die Entschädigung zu kürzen. Mit diesem jüngst veröffentlichten Beschluss (Az.: 7 U 39/17) hat das Oberlandesgericht Hamm eine gleichlautende Entscheidung des Essener Landgerichts aus dem Jahr 2017 bestätigt.

Ein Mann war mit dem Pkw seines Vaters auf der linken Fahrspur einer Autobahn unterwegs, als ein auf der rechten Spur befindlicher Pkw-Fahrer ohne zu blinken mit seinem Fahrzeug unvermittelt und ohne ersichtlichen Grund auf die linke Fahrspur wechselte. Der Fahrer im Pkw des Vaters hatte keine Chance, den Auffahrunfall zu verhindern.

Mithaftung aus erhöhter Betriebsgefahr?

Der Vater als Halter des Wagens forderte von dem Unfallverursacher beziehungsweise dessen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer den vollständigen Ersatz des ihm entstandenen Schadens vor Gericht ein.

Der Kfz-Versicherer wollte sich jedoch nur mit einer Quote von 75 Prozent an den klägerischen Aufwendungen beteiligen. Das begründete der Versicherer damit, dass der Sohn des Klägers die auf deutschen Autobahnen geltende Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern nachweislich um 20 Stundenkilometer überschritten habe. Bei der Schadenabwicklung müsse daher die dadurch erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in Anrechnung kommen.

Dieser Argumentation wollte sich jedoch weder das in erster Instanz mit dem Fall befasste Essener Landgericht (Az.: 19 O 252/15) noch das von dem Versicherer in Berufung angerufene Oberlandesgericht Hamm anschließen. Beide Gerichte gaben der Klage in vollem Umfang statt.

Plötzlich und unerwartet

Nach Ansicht der Richter hat der Beklagte in so eklatanter Weise gegen seine Pflichten als Fahrzeugführer verstoßen, dass dahinter ein eventuelles Mitverschulden des Sohns des Klägers vollständig zurücktritt. Der Sohn habe nicht mit dem plötzlichen und obendrein nicht angekündigten Fahrspurwechsel des Beklagten rechnen müssen. Denn zum Zeitpunkt des Unfalls habe sich kein Fahrzeug vor dem Beklagten befunden, welches er hätte überholen können.

Durch die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs um 20 Stundenkilometer habe sich außerdem keine Gefahrensituation für den vorausfahrenden Beklagten ergeben. Man könne daher nicht von einer erhöhten Betriebsgefahr des Autos ausgehen, die sich bei dem Unfall verwirklicht habe. Der Sohn des Klägers habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass der auf der rechten Fahrspur fahrende Beklagte diesen nicht grundlos verlassen werde.

Der Einwand eines Mitverschuldens an einem Unfall wegen der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen wird häufiger erhoben. Die Gerichte halten diesen Einwand in der Regel allerdings nur dann für berechtigt, wenn die Richtgeschwindigkeit erheblich überschritten wird.



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