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Urteil zur Hörgeräte-Klausel

Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 31. Oktober 2012 entschieden (Az.: 159 C 26871/10), dass eine Klausel in den Bedingungen für eine private Krankheitskosten-Versicherung, nach welcher Hörgeräte und sonstige Hilfsmittel in „angemessener Ausführung“ zu erstatten sind, die Versicherten unangemessen benachteiligt. Daher ist sie nichtig.
Bei dem beklagten Versicherer hatte der Kläger eine private Krankheitskosten-Versicherung abgeschlossen. Darin war die Klausel enthalten, nach welcher die Kosten für Hörhilfen „in angemessener Ausführung“ zu erstatten sind.

Als bei dem Kläger eine beidseitige Schwerhörigkeit festgestellt wurde, verordnete ihm sein Arzt Hörgeräte. Dafür zahlte der Kläger etwas mehr als 4.100 Euro. Sein Versicherer wollte ihm jedoch unter Abzug einer zehnprozentigen Selbstbeteiligung nur 2.124 Euro erstatten. Der Versicherer begründetet das damit, dass für diese Summe zwei Hörgeräte zu erhalten seien, welche den durchschnittlichen Anforderungen und somit der Klausel in den Versicherungs-Bedingungen genügen. Auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Versicherter komme es hingegen nicht an. Im Übrigen hätte der Versicherte vor der Anschaffung der Hörgeräte nachfragen können, was er ersetzt bekomme. Denn dann hätte er sich gegebenenfalls für eine preisgünstigere Variante entscheiden können.

Der Kläger hielt die Klausel für unwirksam, denn der Begriff „in angemessener Ausführung“ sei „konturlos“. Im Übrigen habe er sich durchaus keine Luxus-Hörgeräte angeschafft. Die von ihm erworbenen Geräte seien vielmehr nötig, um keine erheblichen Defizite seiner Kommunikations-Fähigkeit hinnehmen zu müssen. Da man sich nicht einigen konnte, landete der Fall vor dem Münchener Amtsgericht, wo der Versicherer eine Niederlage erlitt.

Nach richterlicher Auffassung ist eine Klausel in den Versicherungs-Bedingungen privater Krankenversicherer, nach welcher Hilfsmittel wie zum Beispiel Hörgeräte „in angemessener Ausführung“ zu erstatten sind, unwirksam, da sie die Versicherten in unangemessener Weise benachteiligt und daher gegen das sogenannte Transparenzgebot gemäß § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB verstößt. Danach kann sich nämlich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass eine Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist.

Davon ging das Gericht vorliegend aus. Denn die strittige Klausel lässt unterschiedliche Interpretationen zu. Die Tarifbedingung kann nämlich dahingehend verstanden werden, dass damit nur die Preise für eine Ausführung mittlerer Art und Güte erstattet werden – eine Ausführung, die durchschnittlichen Anforderungen genügt, wobei individuelle Bedürfnisse der jeweiligen Versicherungsnehmer außen vor bleiben. Der Versicherungsnehmer hätte in diesem Fall keinen Anspruch auf die beste Qualität, müsste sich aber auch nicht mit der schlechtesten Qualität begnügen. Er müsste sich gegebenenfalls am Mittel beider Extreme orientieren. Unklar bliebe aber dann, welche Qualität aus der breiten Palette eines oder verschiedener Anbieter maßgebend sein solle.

Die Klausel kann auch nicht als Preisbegrenzung verstanden werden, da es bei der Frage der medizinischen Notwendigkeit auf Kostengesichtspunkte nicht ankommt. Die Preisgrenze, bis zu der ein Leistungsanspruch der versicherten Person bestehen soll, bliebe folglich offen.

Es kommt bei der Frage, was angemessen ist, grundsätzlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei Hörgeräten müsse daher geprüft werden, ob ein Versicherter berufstätig ist und welchen Beruf er gegebenenfalls ausübt. Denn davon hängt ab, welche Alltagssituationen ein Gerät zu meistern hat. Da sich Lebensumstände auch immer wieder einmal ändern können, wäre aber selbst dann nicht von vornherein klar, in welcher Höhe einem Versicherten ein Anspruch zusteht. Um für alle Beteiligten unmissverständlich klar zu machen, bis zu welcher Obergrenze die Kosten für die Anschaffung eines Hörgerätes zu erstatten ist, ist es einem Versicherer zumutbar, in der Klausel analog zu der Regelung bei Brillen und Kontaktlinsen eine Preisgrenze zu nennen.

Es ist einem Versicherten nicht zuzumuten, eine Marktanalyse über die Preise aller verfügbaren Geräte vorzunehmen. Er muss sich auch nicht auf eine Analyse seines Versicherers verlassen.

Den Einwand des Versicherers ließ das Gericht nicht gelten, dass der Versicherte hätte nachfragen können, bis zu welcher Höhe Hörgeräte erstattet werden. Denn dadurch werden einem Versicherer gerade diejenigen Beurteilungsspielräume eröffnet, die ihm als Verwender der Versicherungs-Bedingungen durch das Bestimmtheitsgebot gerade verschlossen werden sollen.

Mittlerweile ist das Urteil rechtskräftig.

Im Juli 2009 gelangte das Landgericht Regensburg in einem ähnlichen Fall zu einer vergleichbaren Einschätzung. Danach sind die Kosten für die Versorgung mit einem Hörgerät von einem privaten Krankenversicherer immer dann zu übernehmen, wenn nicht das medizinisch notwendige Maß überschritten wird  

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