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Wann ein Vorfahrtsberechtigter für einen Unfall haftet

Wie es sein kann, dass ein Autofahrer, der auf einer vorfahrtsberechtigten Straße unterwegs ist, dennoch zu einem erheblichen Anteil für einen Unfall haften muss, bei dem er mit einem aus einer Seitenstraße herausfahrenden Pkw kollidierte, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Ein vorfahrtsberechtigter Fahrzeugführer war erst kurz vor einer untergeordneten Einmündung vom Fahrbahnrand aus angefahren. Ihn kann ein überwiegendes Verschulden treffen, wenn er mit einem aus der Seitenstraße kommenden Fahrzeug kollidiert. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken hervor (Az.: 13 S 34/20).

Ein Mann war mit seinem Pkw auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs, als er mit dem von rechts aus einer untergeordneten Seitenstraße kommenden Auto, das von einer Frau gelenkt wurde, kollidierte.

Das Besondere an dem Fall war, dass der Mann zuvor an einer etwa 15 Meter von der Einmündung entfernt befindlichen Bushaltestelle angehalten hatte, um einen Arbeitskollegen in sein Auto einsteigen zu lassen.

Alleinige Verantwortung?

Die Frau behauptete, dass sie mit eingeschaltetem Blinker an der Einmündung gestanden und mit dem Abbiegen begonnen habe. Denn der Pkw des Beklagten stand in der Haltebucht der Bushaltestelle. Dieser sei jedoch im gleichen Augenblick ohne Vorankündigung ebenfalls angefahren und kollidierte mit ihrem Fahrzeug. Der Mann sei folglich allein für den Unfall verantwortlich.

Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Amtsgericht St. Wendel ging angesichts des geschilderten Sachverhalts von einem gegenseitigen Verschulden der Fahrzeugführer aus. Es sprach der Klägerin daher nur die Hälfte des von ihr geltend gemachten Schadenersatzes zu.

Doch dem wollte sich das in Berufung mit dem Fall befasste Landgericht Saarbrücken nicht anschließen. Es ging von einer Haftungsverteilung von 70 Prozent zu 30 Prozent zulasten des Vorfahrtsberechtigten aus.

Keine Wartepflicht

Die bloße Möglichkeit, dass auf einer Vorfahrtsstraße ein Kraftfahrzeug herannahen könnte, löst nach Ansicht der Richter noch keine Wartepflicht eines nicht Vorfahrtsberechtigten aus. „Denn der Wartepflichtige hat das Vorfahrtsrecht eines herannahenden Verkehrsteilnehmers nur dann zu beachten, wenn das bevorrechtigte Fahrzeug in dem Augenblick, in dem der Wartepflichtige mit dem Einfahren beginnt, bereits sichtbar ist.“

In der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass bei einem Zusammenstoß eines bevorrechtigten Autos mit dem eines Wartepflichtigen grundsätzlich ein Anscheinsbeweis für eine unfallursächliche Vorfahrtsverletzung durch diesen spreche.

In dem entschiedenen Fall müsse jedoch berücksichtigt werden, dass der Mann zunächst in der kurz vor der Einmündung befindlichen Bushaltestelle angehalten hatte, um sodann zeitgleich mit der Frau loszufahren.

Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung

Der Beklagte habe damit gegen Paragraf 10 Satz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen. Denn danach habe sich ein vom Fahrbahnrand oder einem anderen Straßenteil Anfahrender so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Nach Ansicht des Landgerichts ist die Wiedereingliederung eines Pkws in den fließenden Verkehr im Sinne des Gesetzes erst dann abgeschlossen, wenn jede Auswirkung des Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist.

Der Vorfahrtsberechtigte habe daher gegenüber der Abbiegenden eine höchstmögliche Sorgfalt walten lassen müssen. Das sei offenkundig nicht geschehen. Er sei daher überwiegend für den Unfall verantwortlich. Die Richter sahen keine Veranlassung, ein Rechtsmittel gegen ihre Entscheidung zuzulassen.



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