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Wann Neugier den Job kostet

Viele Behörden oder auch andere Arbeitgeber verlangen von ihren Mitarbeitern die Einhaltung von bestimmten Geheimhaltungs-Regelungen. Ein Gerichtsurteil belegt, welche Folgen es bereits haben kann, wenn man geschützte Daten zwar nicht weitergibt, aber aus Eigeninteresse mehrmals aufruft.

(verpd) Alle Arbeitnehmer einer Behörde, die Zugriff auf die Meldedaten der Bürger haben, sind zu einem besonderen Geheimnisschutz verpflichtet. Wenn sie geschützte Daten über 1.000-mal aufrufen, rechtfertigt dies eine außerordentliche Kündigung, selbst wenn dies nur aus reiner Neugier geschah. Das gilt insbesondere dann, wenn die im ersten Verfahren gezeigte Reue offensichtlich nur ein Lippenbekenntnis war. Dies ist der Tenor eines Urteils der 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Az.: 10 Sa 154/17).

Eine Frau arbeitete seit 30 Jahren als Angestellte bei einer Behörde, ohne dass es im Arbeitsverhältnis je Probleme gegeben hatte. Deshalb konnte sie nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Durch den Hinweis einer Bürgerin kam heraus, dass sie über 800-mal Datensätze von insgesamt fünf Personen aus ihrem persönlichen Umfeld aufgerufen hatte, die eigentlich für eine Weitergabe gesperrt worden waren.

Dabei handelte es sich unter anderem um Daten der geschiedenen Ehefrau des Lebensgefährten der Behördenmitarbeiterin. Das Paar stritt um Unterhaltszahlungen und die Ex-Ehefrau wollte nicht, dass ihr Mann ihre aktuelle Wohnanschrift erfuhr. Als diese nun doch bekannt wurde, fiel der Verdacht auf die Behördenmitarbeiterin.

Keine kriminelle Absicht

In einer Anhörung, bei der entgegen den Vorschriften weder der Personalrat noch die Frauenbeauftragte beteiligt waren, machte die Mitarbeiterin nur ungefähre Angaben zu den Datenaufrufen. Ferner gab sie an, dass der letzte Fall bestimmt ein halbes Jahr zurückliege und sie alles zutiefst bereue und bestimmt nicht wieder machen werde.

Angesichts der Tatsache, dass sie nicht bestritt, 838-mal Datensätze unbefugt aufgerufen zu haben, zumal während ihrer Arbeitszeit, wurde ihr fristlos gekündigt. Dagegen legte sie Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin ein und bekam recht. Das Gericht stellte fest, sie habe nicht mit krimineller Energie gehandelt, sondern nur bezogen auf fünf Personen ihres privaten Umfelds gegen die Vorschriften verstoßen. Deshalb wäre zunächst eine Abmahnung erforderlich gewesen.

Das Land als Beklagte ging in die Berufung, aber auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg schloss sich dieser Auffassung an und ergänzte, dass die Kündigung unter dem zusätzlichen Aspekt der fehlerhaften Erfassung der Arbeitszeit nicht gerechtfertigt sei. Dabei habe es sich immer nur um wenige Sekunden gehandelt. Das Landesarbeitsgericht ließ keine Revision zu. Dagegen legte die Behörde Beschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht ein. Diese wurde mit Beschluss vom 26. Juni 2015 verworfen.

Neue Erkenntnisse

In der Zwischenzeit hatten sich aber neue Erkenntnisse ergeben. Ende Dezember 2014 erhielt das beklagte Bezirksamt eine 24-seitige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin. Aus dieser ging hervor, dass die Klägerin weitere 164-mal Informationen aus dem Melderegister abgerufen hatte, das letzte Mal kurz vor ihrer Anhörung.

Nach einer erneuten Anhörung wurden Personalrat und Frauenvertreterin darüber informiert, dass die Arbeitgeberin eine erneute fristlose Kündigung plane. Nachdem beide nicht zustimmten, wurde die Einigungsstelle des Landes Berlin angerufen, diese ersetzte die fehlende Zustimmung des Personalrats.

Danach wurde die Kündigung im April 2015 aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen. Gegen die erneute Kündigung zog die Klägerin vor das Amtsgericht, das ihrer Klage stattgab. Die zusätzlich bekannt gewordenen, neuen unbefugten Datenabrufe änderten aus seiner Sicht nichts Wesentliches an der Situation. Zudem habe die Klägerin bei der ersten Anhörung keine konkreten Angaben gemacht, deshalb habe sie auch nicht getäuscht.

Falsche Angaben

Das sah das Landesarbeitsgericht als Berufungsinstanz Anfang 2017 anders und schloss sich der Auffassung der Beklagten an. Allein die Tatsache, dass die Klägerin noch kurz vor der Anhörung Daten abgerufen habe, ließe ihr Entschuldigungs-Schreiben in einem anderen Licht erscheinen. Deshalb sei davon auszugehen, dass ihre Reue ein reines Lippenbekenntnis gewesen sei.

Zudem komme der – noch nicht rechtskräftigen – Verurteilung zu 90 Tagessätzen wegen Verstoßes gegen das Berliner Datenschutzgesetz einer Arbeitnehmerin im öffentlichen Dienst eine besondere Bedeutung zu. Aus Sicht des Gerichts lag dabei keine Wiederholungskündigung vor, weil es sich im zweiten Verfahren um neue Erkenntnisse handelte.

Dadurch würde die im Rahmen des Abmahnungs-Erfordernisses angestellte, positive Prognose einer Verhaltensänderung ins Negative verändert. Zudem werde dadurch die Täuschungsabsicht der Klägerin offensichtlich. Da sowohl der Personalrat als auch die Frauenbeauftragte umfangreich und vollständig unterrichtet wurden, lägen auch hier keine Mängel vor, die einer fristlosen Kündigung im Wege ständen. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Sein Recht wahrnehmen

Wie das Urteil zeigt, kann einem Arbeitnehmer, der die Vorschriften und Regelungen des Arbeitgebers nicht einhält, schlimmstenfalls auch fristlos gekündigt werden. Es kommt jedoch auch immer wieder vor, dass Arbeitnehmern zu Unrecht ein regelwidriges Verhalten vorgeworfen wird. Daher ist es wichtig, sich als Arbeitnehmer notfalls auch gerichtlich zu Wehr setzen zu können, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt.

Allerdings müssen bei einem Arbeitsrechtsstreit der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in der ersten Instanz die eigenen Prozesskosten selbst tragen, und zwar unabhängig vom Ergebnis.

Eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung übernimmt im Versicherungsfall jedoch die Kosten für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitigkeiten, wenn der Versicherer vorab eine Leistungszusage erteilt hat. Ein derartiger Kostenschutz hilft letztendlich dabei, dass man nicht aus finanziellen Gründen auf sein Recht verzichten muss.



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