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Was Flugpassagieren im Streikfall zusteht

Wird aufgrund eines Streiks des Flug- oder Bodenpersonals ein Flug verspätet oder gar nicht durchgeführt, können Fluggäste nur in bestimmten Fällen eine Entschädigungsleistung von der Fluggesellschaft fordern. Doch es gibt andere Rechte, die sie immer im Streikfall einfordern können.

(verpd) Zwar müssen Fluggesellschaften nach den europäischen Fluggastrechten keine Entschädigung leisten, wenn Flüge wegen eines normalen Streiks verspätet durchgeführt oder annulliert werden. Dies gilt jedoch nicht bei wilden Streiks. Und auch bei einem normalen Streik stehen einem Fluggast bestimmte Rechte zu.

Passagiere, die von einem Flughafen in der Europäischen Union (EU) abfliegen oder mit einer Fluggesellschaft mit Sitz in der EU auf einem Flughafen in der EU landen, haben laut EU-Fluggastrechte-Verordnung diverse Rechte, wenn der Flug verspätet durchgeführt oder annulliert wird. So kann ein Passagier wegen einer Verspätung am Ziel, Annullierung oder Überbuchung eines gebuchten Fluges Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro gegenüber der Fluggesellschaft haben.

Wurde die Verspätung oder Annullierung allerdings durch höhere Gewalt oder sonstige außergewöhnliche Umstände verursacht, gilt dies nicht. Neben schlechten Witterungsbedingungen, Naturkatastrophen oder politische Unruhen gilt auch ein normaler Streik des Flug- oder Bodenpersonals, der von einer Gewerkschaft organisiert oder getragen wird, als außergewöhnlicher Umstand. Dies belegen auch Gerichtsurteile wie die des Bundesgerichtshofs (Az.: X ZR 138/11).

Wenn der Flug sich wegen eines Streiks verspätet …

Doch auch wenn einem Passagier aufgrund eines normalen Streiks keine Entschädigungsleistung zusteht, hat er gemäß den Fluggastrechten dennoch bei streikbedingt verspäteten oder ausgefallenen Flügen bestimmte Rechte.

Einem Betroffenen steht bei einer Verspätung von mehr als zwei Stunden auf einer Reisestrecke von unter 1.500 Kilometern aufgrund eines normalen Streiks unter anderem eine kostenlose Betreuung zum Beispiel in Form von Speisen und Getränken sowie zwei Telefonaten zu. Das Gleiche gilt bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden bei einer Flugstrecke von 1.500 bis 3.500 Kilometern und bei einer Verspätung von mehr als vier Stunden bei einer Flugstrecke von über 3.500 Kilometern.

Kann ein Flug aufgrund einer streikbedingten Verspätung erst am nächsten Tag oder noch später stattfinden, ist von der Fluggesellschaft eine Hotelunterbringung anzubieten. Prinzipiell ist es sinnvoll, sich vorab mit der Fluggesellschaft abzusprechen, zum Beispiel bei notwendigen Hotelübernachtungen, um Probleme bei der Kostenerstattung zu vermeiden.

… oder gleich ganz annulliert wird

Kann aufgrund eines Streiks oder sonstiger außergewöhnlicher Umstände beziehungsweise wegen höherer Gewalt ein geplanter Flug nicht durchgeführt werden, muss die Fluggesellschaft den betroffenen Fluggästen umgehend eine Umbuchungsmöglichkeit anbieten.

Auch alternative Reisemöglichkeiten, egal ob mit einer anderen Fluglinie, per Bahn, Bus oder Mietwagen können dabei angeboten werden. Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ) betont allerdings, dass ein betroffener Fluggast, der ohne eine Absprache mit der Fluggesellschaft seinen Flug umbucht, keine Kostenerstattung verlangen kann.

Wird der Flug wegen eines Streiks annulliert oder aufgrund einer eingetretenen Verspätung von mindestens fünf Stunden nicht mehr benötigt oder kann keine Ersatzbeförderung angeboten werden, kann man den gebuchten Flug ohne Stornokosten stornieren. Die Fluggesellschaft muss dann innerhalb von sieben Tagen die bezahlten Flugticketkosten zurückerstatten.

Entschädigungszahlung aufgrund eines „wilden Streiks“

Übrigens: Während ein normaler Streik als außergewöhnlicher Umstand gilt, trifft dies auf einen „wilden Streik“, also einen Streik oder eine Arbeitsniederlegung, die nicht von einer Gewerkschaft getragen oder organisiert ist, oftmals nicht zu. Dies zeigen unter anderem Gerichtsurteile des Landgerichts Hannover (Az.: 8 S 25/17) sowie des Europäischen Gerichtshofs (Az.: C-195/17 und 21 und andere).

Ein Fluggast, dessen Flug aufgrund eines wilden Streiks um mindestens drei Stunden verspätet am Ziel ankommt oder annulliert wird, kann – im Gegensatz zu einer Verspätung oder Annullierung aufgrund eines normalen Streiks – Anspruch auf eine Entschädigungszahlung haben. Die Höhe liegt je nach Verspätung und Länge der Flugstrecke zwischen 250 und 600 Euro.

Informationen zu den wichtigsten Fluggastrechten gibt es in den Webportalen der Europäischen Kommission und des EVZ.

Wie Fluggäste sich im Streikfall verhalten sollten

Das EVZ rät unter anderem allen Fluggästen, die von einem Streik betroffen sein könnten, sich zu informieren, inwieweit es streikbedingte Änderungen beim gebuchten Flug gibt. Zudem sollte man sich frühzeitig mit der Fluggesellschaft oder dem Reiseveranstalter in Verbindung setzen, um eventuell notwendige alternative Beförderungs-Möglichkeiten abzuklären. Hat man von der Fluggesellschaft oder dem Reiseveranstalter keine gegenteiligen Anweisungen erhalten, sollte man als Fluggast immer rechtzeitig zum bisher geplanten Abflugtermin am Flughafen sein.

Denn zum einen können zum Teil auch von einem Streik betroffene Flüge, zum Beispiel durch eine Personalumplanung der Fluggesellschaft, pünktlich starten, zum anderen könnte es sein, dass die Fluggesellschaft zeitnah zum bisher geplanten Abflugtermin eine Beförderungsalternative anbietet. Der EVZ rät aber auch Fluggästen, die von Verspätung betroffen sind, die ihnen zustehenden Betreuungsleistungen von der Fluggesellschaft einzufordern.

Die EVZ betont diesbezüglich: „Heben Sie Quittungen Ihrer Ausgaben auf. Die Betreuungsleistungen müssen Ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sollte dies trotz Nachfrage nicht geschehen, können Sie diese anschließend der Fluggesellschaft in Rechnung stellen.“ Übrigens, wer eine Privatrechtsschutz-Police hat, in der auch ein Vertragsrechtsschutz mitversichert ist, kann damit auch sein Recht als Reisender zum Beispiel mithilfe eines Anwalts ohne finanzielles Risiko durchsetzen, wenn vorab eine Leistungszusage vom Versicherer für den Streitfall erteilt wurde.



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