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Wenn ein Kind mit dem Fahrrad ein geparktes Auto beschädigt

Inwieweit die Eltern dafür aufkommen müssen, wenn ein Vorschulkind aus Unachtsamkeit mit dem Rad auf ein am Straßenrand geparktes Fahrzeug auffährt, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.

(verpd) Die Verpflichtung, dass radelnde Kinder bis zur Vollendung ihres achten Lebensjahrs den Bürgersteig benutzen müssen, dient nicht dem Schutz des ruhenden Verkehrs. Es kommt daher auf die Umstände des Einzelfalls an, ob die Eltern eines die Straße benutzenden Fünfjährigen, der auf ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug auffährt, zum Schadenersatz verpflichtet sind. Dies erklärte das Amtsgericht Augsburg in einem aktuellen Urteil (Az.: 73 C 4417/17).

Ein Vater war zusammen mit seinen fünf- und achtjährigen Söhnen auf Fahrrädern auf einer Straße unterwegs, an deren Rand ein Auto ordnungsgemäß geparkt worden war. Während der in erster Position radelnde Achtjährige problemlos das Auto passierte, fuhr der vor seinem Vater fahrende Fünfjährige aus Unachtsamkeit auf den Pkw auf.

Dabei entstand ein erheblicher Sachschaden. Der Autobesitzer (Kfz-Halter) verlangte vom Vater beziehungsweise von dessen Privathaftpflicht-Versicherer, ihm den Schaden zu ersetzen.

Verletzung der Aufsichtspflicht?

Das begründete der Pkw-Halter unter anderem damit, dass der Vater seine Aufsichtspflicht im Sinne von Paragraf 832 Absatz 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verletzt hätte. Denn er habe seinen Sohn nicht auf der Straße fahren lassen dürfen, sondern hätte ihn anweisen müssen, einen der beiden an der Straße befindlichen Gehwege zu benutzen. Dazu sei nach Ansicht des Kfz-Halters das Kind gemäß Paragraf 2 Absatz 5 Satz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) verpflichtet gewesen.

Im genannten Paragrafen steht unter anderem: „Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr müssen, Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen.“ In dem sich anschließenden Rechtsstreit trug der Vater vor, dass sein Fünfjähriger bereits mit dreieinhalb Jahren angefangen habe, Fahrrad zu fahren. Er habe ihm nicht nur die Verkehrsregeln und die Bedeutung der Verkehrszeichen beigebracht, sondern ihn bei den vielen Ausflügen der fahrradbegeisterten Familie beaufsichtigt.

Sein Sohn sei trotz seines Alters als sicherer, erfahrener Fahrradfahrer einzustufen, der nur, weil er ausnahmsweise für einen Moment lang nicht aufgepasst hat, auf das geparkte Fahrzeug aufgefahren wäre. Im Übrigen seien die beiden Bürgersteige mit jeweils nur 90 Zentimetern so schmal gewesen, dass es sicherer gewesen sei, sein Kind vor ihm auf der Straße radeln zu lassen.

Augenblicksversagen

Diese Argumentation fand das Augsburger Amtsgericht überzeugend. Es wies die Schadenersatzklage des Pkw-Halters als unbegründet zurück. Nach Ansicht des Gerichts kann dem Beklagten keine Verletzung seiner Aufsichtspflicht vorgeworfen werden. Denn sein Sohn kenne ganz offensichtlich die Verkehrsregeln und sei als sicherer Fahrradfahrer einzustufen.

Es komme hinzu, dass der Junge am Tage des Unfalls von seinem Vater begleitet wurde, der ihn ständig im Blick gehabt habe. Dieser habe daher davon ausgehen dürfen, dass sein Fünfjähriger, ebenso wie dessen vorausfahrender Bruder, auf der gerade verlaufenden Straße das geparkte Auto wahrnehmen und an ihm vorbeifahren würde. Denn die Örtlichkeit sei ihm vertraut gewesen und äußere Einflüsse, die ihn zu einem unbedachten Verhalten hätten veranlassen können, seien nicht zu erkennen gewesen.

Der Vater hätte daher davon ausgehen dürfen, dass sein Sohn allein schon aus eigenem Interesse dem parkenden Fahrzeug ausweichen würde. Das sei jedoch wegen eines nicht vorherzusehenden Augenblickversagens nicht geschehen.

Nicht zum Schutz des ruhenden Verkehrs

Im Übrigen habe der Vater seinen Sohn auch nicht dazu anhalten müssen, auf einem der beiden schmalen Gehwege zu fahren. Denn deren Nutzung war nach Überzeugung des Gerichts gefährlicher, als auf der Fahrbahn zu fahren.

„Zum einen besteht, wie der Beklagte zutreffend erklärt hat, eine gewisse Gefährdung dadurch, dass ein Abrutschen von der Bordsteinkante auf die Straße möglich ist, zum anderen bleibt kein Spielraum mehr für Lenk- beziehungsweise Ausweichmanöver, wenn Fahrzeuge geparkt sind. Hinzu kommen von den Fahrzeugen auf den Gehweg überstehende Außenspiegel sowie von den Grundstücken auf den Gehweg hineinragende Ausbuchtungen und Sträucher“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.

Im Übrigen sei es Sinn und Zweck von Paragraf 2 Absatz 5 Satz 1 StVO, radelnde Kinder vor schnelleren Verkehrsteilnehmern zu schützen. Die Bestimmung umfasse hingegen nicht den Schutz des ruhenden Verkehrs. Die Klage sei daher unbegründet.

Wie eine Privathaftpflicht-Police den Eltern hilft

Übrigens: Eltern, die eine Privathaftpflicht-Police haben, sind auch in Fällen, bei denen ihnen eine Aufsichtspflicht-Verletzung vorgeworfen und dementsprechend an sie eine Schadenersatzforderung gestellt wird, weil das Kind einen anderen geschädigt hat, gleich mehrfach geschützt.

Zum einen wehrt eine bestehende Privathaftpflicht-Versicherung ungerechtfertigte oder auch zu hohe Forderungen an die Eltern oder das Kind ab, die ein Dritter aufgrund eines Missgeschicks des Kindes an sie stellt. Zum anderen übernimmt die Privathaftpflicht-Versicherung gegebenenfalls die Schadenersatz- und Schmerzensgeld-Forderungen des Dritten, wenn die Ansprüche gerechtfertigt sind und sie haften müssen.

Hätte im genannten Fall der Kfz-Halter eine Vollkasko-Versicherung gehabt, würde diese den erlittenen Schaden abzüglich einer eventuell im Kfz-Vertrag vereinbarten Selbstbeteiligung ersetzen. Allerdings kommt es dann auch zu einer Schlechterstellung des Vollkasko-Schadenfreiheitsrabatts. Je nach Schadenhöhe kann es daher sinnvoll sein, beim Kfz-Versicherer nachzufragen, ob es langfristig gesehen besser ist, den Schaden aus der eigenen Tasche zu zahlen, oder doch über die Vollkaskoversicherung abzurechnen.



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