ARNOLD & PARTNER - Finanz- und Versicherungsmakler

Wenn sich das Flugzeug aus eisigem Grund verspätet

Normalerweise haben Flugpassagiere bei einer Flugverspätung aufgrund höherer Gewalt wie durch extreme Wetterverhältnisse keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen im Rahmen der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie ein Gerichtsurteil belegt.

(verpd) Verspätet sich eine Reise, weil das Flugzeug vor dem Start erst noch enteist werden muss, so kann sich eine Fluggesellschaft nicht mit dem Hinweis auf höhere Gewalt vor einer Ausgleichszahlung an die betroffenen Passagiere drücken. Das hat das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Urteil entschieden (Az.: 31 C 3832/15).

Eine Passagierin hatte bei einer Fluggesellschaft einen Flug von Frankfurt am Main über München nach Cancún, einer mexikanischen Stadt, gebucht. Dort kam sie mit einer Verspätung von über 24 Stunden an.

Grund dafür war, dass das Flugzeug wegen winterlicher Witterungsbedingungen bereits verspätet in Frankfurt gelandet war. Dort musste die Maschine erneut enteist werden, sodass sie erst um 11.29 Uhr anstatt planmäßig um 9.15 Uhr in Richtung München abhob. Ihren Anschlussflug nach Mexiko hatte die Frau daher nicht mehr erreicht. Mit der ihr angebotenen Ersatzbeförderung kam sie schließlich mehr als einen Tag später als ursprünglich geplant an ihrem Ziel an.

Von den Pflichten einer Fluggesellschaft

Die Passagierin forderte daraufhin, eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro im Sinne der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung zu erhalten. Dies hielt die Fluggesellschaft für unbegründet. Sie berief sich auf einen außergewöhnlichen Umstand, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Es habe nämlich nicht in ihrer Macht gestanden, den Zeitaufwand, der für die wetterbedingt erforderliche Enteisung des Zubringerfluges aufgebracht werden musste, sowie die Wartezeit zu beeinflussen.

Diese Argumentation vermochte das Frankfurter Amtsgericht nicht zu überzeugen. Es gab der Klage der Flugpassagierin in vollem Umfang statt. „Außergewöhnliche Umstände sind nur solche, die nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist“, so das Gericht.

Das heißt, dass sich eine Fluggesellschaft bei einer Verspätung nur dann auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen kann, wenn dieser nicht im Rahmen der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens aufgetreten ist und von diesem auch nicht beherrschbar war.

Enteisung im Winter ist üblich

Die Enteisung eines Flugzeuges zähle jedoch zu dem Pflichtenkreis einer Fluggesellschaft. Zu diesem gehöre, ein Flugzeug in einem technisch flugbereiten Zustand zu halten, um die Fluggäste zum vereinbarten Zeitpunkt zu befördern. Im Winterbetrieb sei das Enteisen eines Flugzeugs als üblicher und zu erwartender Ablauf in die Flugdurchführung mit einzuplanen. Daher stelle eine Verzögerung bei der Enteisung keinen außergewöhnlichen Umstand dar, für den keine Ausgleichszahlungen zu leisten sind.

Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Berufung gegen seine Entscheidung zuzulassen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hatte bereits im November 2013 entschieden, dass Fluggäste auch dann einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, wenn es zu einer Verspätung kommt, weil auf einem Flughafen nicht genug Enteisungsmittel zur Verfügung steht. Tipp: Welche Rechte Flugreisende im Rahmen der EU-Fluggastrechte-Verordnung haben, zeigen die Webportale der Europäischen Kommission und des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland (EVZ).

Ausführliche Informationen bietet zudem die kostenlos herunterladbare EVZ-Broschüre „Fluggastrechte: Clever reisen!“. Mit einer Privatrechtsschutz-Police, die auch einen Vertragsrechtsschutz enthält, kann man übrigens sein Recht als Reisender ohne finanzielles Risiko durchsetzen. Besteht nämlich Aussicht auf Erfolg, werden unter anderem die Anwalts- und sonstigen Prozesskosten auch für einen Gerichtsprozess übernommen, wenn vorab eine Leistungszusage vom Versicherer erteilt wurde – und zwar auch dann, wenn man den Prozess verliert.



Zurück zu Versicherung + Vorsorge

© 2024 by ARNOLD & PARTNER

Diese Website verwendet Cookies zur Steigerung von Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Durch die weitere Nutzung unserer Website erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Schließen