Erben und Schenken

Das Gut fließt wie das Blut!

„Das Gut fließt wie das Blut!" lautet ein Merksatz zur gesetzlichen Erbfolge. Diese regelt in Deutschland wer das Vermögen eines Verstorbenen erhält, wenn dieser keine letztwillige Verfügung (also kein Testament oder keinen Erbvertrag) hinterlassen hat. Der Merksatz gibt eine grobe Orientierung, mehr aber auch nicht. In komplexen Fällen kann sogar der Experte ins Schwitzen kommen, wenn er die gesetzliche Erbfolge ermittelt. Außerdem ist der Satz mittlerweile auch nicht mehr ganz richtig, weil auch Adoptivkinder ebenso erben wie blutsverwandte leibliche Kinder. Wer seinen Kindern, Enkeln oder anderen Angehörigen etwas hinterlassen will, sollte sicherstellen, dass diese es auch bekommen. Viele überlassen das jedoch dem Zufall beziehungsweise der gesetzlichen Erbfolge. Dann jedoch landet das Vermögen häufig dort, wo es eigentlich nicht hin sollte. Im Zweifel beim Finanzamt. Sir Peter Ustinov hat das Problem auf seine ihm eigene Art zusammengefasst: „Wer in einem Testament nicht bedacht worden ist, findet Trost in dem Gedanken, dass der Verstorbene ihm vermutlich die Erbschaftsteuer ersparen wollte.“ 

Auf den Nachlass sind aber viele Deutsche nicht vorbereitet. Nur jeder fünfte Deutsche hat sich schon intensiv auf das Thema vorbereitet. Dabei werden in den Jahren 2015 bis 2024 in Deutschland nach Schätzungen etwa 3,1 Billionen Euro Privatvermögen vererbt. Hierzulande ist der Tod jedoch immer noch ein Tabuthema, das die wenigsten transparent in der Familie besprechen. 58 Prozent der Bundesbürger geben an, sich mit dem Thema ungern zu beschäftigen und mehr als Dreiviertel (76 Prozent) der Deutschen empfindet das Erbrecht als kompliziert. Das kann es auch werden, wenn es um große Vermögen, vor allem im betrieblichen Bereich, geht. In den meisten Fällen hilft es deshalb, sich vorab darüber Gedanken zu machen, eine Vermögensaufstellung zu erstellen und das Thema offen in der Familie zu besprechen. Am Ende sollte dann ein Testament stehen. 

Gerade weil Erben ein Tabuthema ist, kennen viele die rechtlichen und steuerlichen Grundlagen nicht. Bevor es ans Schreiben des Testaments geht, sollten sie sich daher informieren. Die gesetzliche Erbfolge, geregelt im Bürgerliche Gesetzbuch, sortiert die Verwandten nach „Herzensnähe“ in vier Ordnungen. Die Kenntnis der gesetzlichen Erbfolge ist Basiswissen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich der Pflichtteil nach der gesetzlichen Erbfolge richtet. Wer erbt per Gesetz? An welchen Stellen weichen die eigenen Vorstellungen davon ab? Ohne das Wissen um die gesetzliche Erbfolge gibt es kein vernünftiges Testament. Ganz wichtig, der Text muss handgeschrieben und mit Ortsangabe, Datum und Unterschrift versehen sein. Ein maschinengeschriebenes Testament zählt nur, wenn ein Notar es beurkundet hat. Wichtig ist auch der Lagerort des Testaments. Wer sein Testament in den Banksafe legt, macht es Erben schwer. Schließlich könnten sie sich ohne Testament kaum als Erben ausweisen und kommen deshalb nicht so einfach an den Safe. Sinnvoll ist es, das Testament beim Nachlassgericht, dem örtlichen Amtsgericht, zu hinterlegen. Das kostet eine geringe Gebühr – für ein Erbe von 200.000 Euro sind es 104 Euro. Gerichtlich und notariell hinterlegte Testamente werden auch im Zentralen Testamentsregister gespeichert, sodass sie schnell gefunden und eröffnet werden können. Ein hinterlegtes Testament sollte in festen zeitlichen Abständen überprüft werden. 

Am weitesten verbreitet ist in Deutschland das sogenannte „Berliner Testament“. Mit diesem gemeinschaftlichen Testament von Ehepartnern setzen sich diese gegenseitig zu Alleinerben ein. Damit wollen Ehepartner mit Kindern per Testament sicherstellen, dass der länger lebende Partner erst einmal Alleinerbe wird, damit er zum Beispiel im Haus wohnen bleiben kann und genug Geld im Alter hat. Dieses Ziel wird durch den Ausschluss der Abkömmlinge des Verstorbenen von der Erbfolge erreicht. Die Kinder sollen erst erben, wenn beide Eltern verstorben sind. 

Was auf den ersten Blick einfach klingt, kann durchaus seine Tücken haben. Für junge Familien mit minderjährigen Kindern sicher eine einfache und zweckmäßige Lösung. Sobald jedoch die Kinder älter und die Vermögenswerte größer geworden sind, sollte man diese Gestaltung überprüfen. 

Das „Berliner Testament“ bedeutet in der Konsequenz eine Enterbung der Kinder im ersten Erbgang. Dies ist jedoch in der gesetzlichen Erbfolge nicht vorgesehen. Niemand kann in Deutschland dafür sorgen, dass ein eigentlich Erbberechtigter, etwa ein eigenes Kind, im Todesfall leer ausgeht. Wenn jemand im Testament enterbt wird, kann er zumindest seinen Pflichtteil einfordern. Der Pflichtteil ist halb so hoch wie der gesetzliche Erbteil. Bei einer Familie mit 2 Kindern beträgt der Pflichtteil ein Achtel des Erbes. Fordert nun ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils diesen Pflichtteil ein, könnte die Absicht der Eltern durchkreuzt werden. Plötzlich müsste der länger lebende Elternteil das Kind auszahlen. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Baranspruch, der dann sofort fällig ist. Oft versuchen Eltern mit einer Strafklausel im Testament, der Jastrowschen Formel, vorzubeugen. Sollte ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil verlangen, würde es dann auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil bekommen. Inwieweit diese Form der Begrenzung zulässig ist, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Wird der enterbte Abkömmling sozialhilfebedürftig, kann der Sozialhilfeträger von ihm die Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs trotz der Strafklausel verlangen, um die eigene Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. 

Ein weiteres Problem ist, dass ein Berliner Testament nicht mehr geändert werden kann, sobald der erste Todesfall eingetreten ist. Wenn sich ein Kind beispielsweise im Pflegefall besonders um das überlebende Elternteil kümmert, kann dies nicht mehr durch eine besondere Berücksichtigung beim Erbe honoriert werden. Der Überlebende kann dann kein neues Testament machen. Macht er dem pflegenden Kind größere Geschenke, hätten die übrigen Erben späte Ansprüche auf Ausgleich. Generell werden Schenkungen zu Lebzeiten auch bei der Berechnung möglicher Pflichtteile berücksichtigt. Eltern könnten sonst zum Beispiel zu Lebzeiten einem Kind Vermögen übertragen, die spätere Erbmasse reduzieren und damit den Pflichtteilsanspruch eines ungeliebten Kindes senken. Damit dessen Anspruch so nicht ausgehöhlt werden kann, werden Schenkungen in den zehn Jahren vor dem Erbfall teilweise der Erbmasse zugerechnet. 

Letztlich führt das „Berliner Testament“ auch häufig dazu, dass die steuerlichen Freibeträge nicht optimal im Erbfall ausgenutzt werden. Gerade bei größeren Vermögenswerten ist eine zeitige Auseinandersetzung mit dem Erbfall unerlässlich. Die erbschaftssteuerlichen Freibeträge in Deutschland sind vergleichsweise hoch. Allerdings hängt viel von der aktiven Gestaltung des Nachlasses ab. Eine Investition in eine professionelle Beratung, durch einen Notar oder Anwalt, lohnt sich in jedem Fall. Der Dichter Heinrich Heine soll sein gesamtes Vermögen seiner Frau vermacht haben, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie wieder heirate, damit es wenigstens einen Mann gibt, der seinen Tod bedauert. Spätestens bei einem solchen Ziel, ist eine professionelle Nachlass-Beratung unerlässlich.



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